„pro reli“-entscheid : Senat beschädigt Mitbestimmung
Demokratietechnisch ist es Rote-Karte-reif, wie der Senat mit dem Volksentscheid zu „Pro Reli“ umgeht, den er jetzt auf den 26. April festgelegt hat. Denn wer direkte Mitbestimmung einführt, der muss auch alles tun, ihr Geltung zu verschaffen. Sonst bleibt es bei Show-Politik, die man sich sparen kann. Einem demokratiebewegten Senat müsste daran liegen, dass ein Volksentscheid nicht an zu geringer Beteiligung scheitert wie die erste Auflage zum Thema Tempelhof. Das aber lässt der Senat nicht erkennen. So droht eine Abwärtsspirale, bei der sich der Eindruck festsetzt: bringt eh nix, gilt sowieso nicht.
KOMMENTAR VON STEFAN ALBERTI
Zwei Dinge sind zwingend, soll direkte Demokratie mehr als eine Worthülse sein: zum einen ein Wahltermin, der für eine möglichst große Beteiligung sorgt; zum anderen die Bereitschaft des Senats, sich auf einen echten Wettstreit der Argumente einzulassen, der seinen Show-down an der Wahlurne findet.
Stattdessen aber lässt der Senat bewusst die Möglichkeit aus, am 7. Juni parallel zur Europawahl abstimmen zu lassen – und damit im Gegenzug auch die Beteiligung an dieser immer noch nicht allzu populären Wahl zu steigern. Und statt dafür zu werben, dass sich am 26. April eine Mehrheit für das Pflichtfach Ethik ausspricht, will Rot-Rot die Sache aussitzen und nicht mit einer eigenen Kampagne die Gegenseite mobilisieren und über die Zustimmungshürde bringen.
Aus den Äußerungen der „Pro Reli“-Gegner ist die Angst zu hören, im offenen Schlagabtausch zu unterliegen – laut einer Umfrage im Januar stützt eine Mehrheit „Pro Reli“. Folglich setzen sie darauf, dass es so läuft wie bei Tempelhof: eine Mehrheit gegen den Senat, die aber wegen zu geringer Beteiligung nicht gilt.
Eine solche Haltung ist feige. Um den Vergleich zum Fußball aufzugreifen: Wer auf Mauern setzt, sollte bedenken, dass so etwas für immer leerere Stadien sorgt. Und wer selbst keine Tore schießt, steht dumm da, wenn der Gegner trotz allen Mauerns trifft. Die Tempelhof-Initiative blieb mit 21,7 Prozent nur knapp unter der Zustimmungshürde von 25 Prozent – etwa 70.000 Stimmen mehr, und der Senat wäre blamiert gewesen.
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