: Noch mehr Platz, um im Stau zu stehen
AUTOBAHNBAU Die geplante Verlängerung der A 100 wird für die angrenzenden Viertel ein Verkehrsdesaster, bescheinigt eine Studie
GRÜNER BEZIRKSBÜRGERMEISTER FRANZ SCHULZ
VON KRISTINA PEZZEI UND SVENJA BERGT
Mehr Autos, mehr Lärm und mehr Gestank: So lassen sich die Ergebnisse einer Studie über die Auswirkungen der A 100 zusammenfassen, die der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg in Auftrag gegeben hat. Die Untersuchung des Ingenieurbüros Spiekermann prognostiziert an den Knotenpunkten des Straßenzugs Treptower Park bis Elsenstraße Wartezeiten von bis zu einer halben Stunde. „Mit so einem vernichtenden Urteil habe ich nicht gerechnet“, sagte Bezirksbürgermeister Franz Schulz (Grüne).
Der Bezirk begründete den Auftrag damit, dass die Verkehrsplaner der Senatsverwaltung auf Basis falscher Zahlen arbeiteten. Dies habe das Anhörungsverfahren im November ergeben. Am Dienstagabend sollte Schulz die Studie im Verkehrsausschuss des Bezirks vorstellen.
Der geplante Autobahnweiterbau ist das umstrittenste Verkehrsprojekt in der Stadt. Weitgehend mit Bundesmitteln soll die A 100 um 3,2 Kilometer verlängert werden. Verkehrssenatorin Ingeborg Junge-Reyer (SPD) erhofft sich davon eine Verkehrsentlastung für die Bezirke. Ihre Partei sowie der Koalitionspartner Linkspartei sind dagegen.
Der Studie zufolge ist der Knotenpunkt Elsenbrücke/Markgrafendamm/Stralauer Allee tagsüber an drei von vier Zufahrten überlastet. An der Kreuzung Elsenstraße Am Treptower Park müssten Autofahrer bis zu 28 Minuten warten – und zwar egal, wie die Ampelanlagen koordiniert werden. An der Autobahnabfahrt Am Treptower Park berechnet Ingenieurin Gudrun Holtz mit Wartezeiten von 31 Minuten. Ihr Fazit: Die Aussicht, am Treptower Park nur mit erheblichen Wartezeiten von der Autobahn abfahren zu können, werde Autofahrer dazu verleiten, schon früher die A 100 zu verlassen.
Auch in Sachen Geschwindigkeit gibt es schlechte Noten: So liege die Durchschnittsgeschwindigkeit bei der Ampel an der Zufahrt Elsenstraße durch bis zu 22 Stop-and-go-Vorgänge in Spitzenzeiten bei unter 5 Kilometern pro Stunde. Bei der Rechnung haben die Autoren der Studie angenommen, dass sich der dichte Verkehrsfluss nach einer Stunde wieder auflöst. Halte das Verkehrsaufkommen jedoch an, würden sich die Bedingungen noch weiter verschlechtern.
Antje Kapek, Grünen-Fraktionsvorsitzende im Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg, befürchtet eine erhebliche Mehrbelastung der Anwohner. „Wegen des entstehenden Dauerstaus müssen die Anwohner mit drastisch steigenden Abgas- und Lärmemissionen rechnen.“ Die Studie mache zudem klar, dass der Senat bisher mit falschen Prognosen zum Lastwagenverkehr arbeitete. Tatsächlich würden mehr Lastwagen von Montag bis Freitag unterwegs sein.
Kapek fordert den Senat auf, die Bevölkerung über die neuen Ergebnisse zu informieren und die Pläne neu öffentlich auszulegen. Die lagen im vergangenen April aus. Ende des Jahres konnten Betroffene im Erörterungsverfahren persönlich ihre Einwände vortragen – wenn sie diese zuvor schriftlich geäußert hatten.
Würden jetzt die Pläne nicht nochmals ausgelegt, müsse der Bezirk in den nächsten Wochen „selbst über die Folgen des absurden und teuren Verkehrsprojektes aufklären“, fordert Kapek. Senatorin Junge-Reyer entgegnet, es habe bereits im Erörterungsverfahren ausreichend Gelegenheit gegeben, sich auseinandersetzen.