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Archiv-Artikel

CHRISTIAN RATH ÜBER DIE EINSTELLUNG DES ECCLESTONE-PROZESSES Zeit erzwingt keine Wahrheit

In diesem Verfahren war der materielle Sachverhalt (Wer hat wem wie viel bezahlt?) längst klar

Können sich Angeklagte in Deutschland freikaufen? Diese Frage wirft der Ecclestone-Prozess auf, der an diesem Dienstag in München gegen Zahlung einer Geldauflage von 100 Millionen Dollar voraussichtlich eingestellt wird.

Die Frage ist eindeutig zu bejahen. Die Justiz verzichtet ständig auf Prozesse, wenn der oder die Angeklagte eine Geldauflage zahlt. Das gilt für arme und für reiche Angeklagte. Es gibt keinen Grund, warum es für superreiche Angeklagte wie Bernie Ecclestone also nicht gelten sollte – nur weil die Geldauflage dann unvorstellbar hoch ist. Die Höhe der Geldauflage signalisiert hier eben nicht das Maß der Schuld, sondern den Reichtum des Angeklagten.

Es ist eine Win-win-Situation: Der oder die Angeklagte kommt ohne Vorstrafe davon, wird aber trotzdem spürbar belastet. Und der Staat kann seine Justizressourcen auf Verbrechen konzentrieren – und auf Fälle, bei denen sich Staatsanwaltschaft und Angeklagte nicht einigen können.

Die Welt wird nicht dadurch besser, dass sich jedes Strafverfahren monatelang hinzieht. Es ist naiv, zu glauben, man müsse nur lange genug verhandeln, damit am Ende doch noch die Wahrheit ans Licht kommt. Im Ecclestone-Verfahren war der materielle Sachverhalt (Wer hat wem wie viel bezahlt?) längst klar. Es ging nur mehr um die Frage: Wer hat wann was gesagt, gedacht und verstanden? Es gibt Dinge, die leichter zu beweisen sind.

Am Ende wäre vielleicht ein Freispruch von der Bestechung („im Zweifel für den Angeklagten“) und eine Freiheitsstrafe wegen Anstiftung zur Untreue herausgekommen – ausgesetzt zur Bewährung; schließlich ist Ecclestone schon 83 Jahre alt und nicht vorbestraft. Als Bewährungsauflage hätte er zig Millionen Euro zahlen müssen. Es gibt wichtigere Prozesse, die zu Ende geführt werden müssen.

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