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Archiv-Artikel

EU droht Frankreich mit Verfahren wegen Roma

ABSCHIEBUNGEN Menschenrechtskommissarin Reding zeigt sich tief empört über französische Position

BRÜSSEL taz | Justizkommissarin Viviane Reding hat der Regierung in Paris wegen der Roma-Abschiebungen mit einem Vertragsverletzungsverfahren gedroht. Damit gibt die EU-Kommission ihre diplomatische Zurückhaltung auf. Bislang hatte sie ein Gutachten, das die Rechtmäßigkeit der Ausweisungen anzweifelt, unter Verschluss gehalten und auf weitere Gespräche mit Pariser Regierungsvertretern gesetzt. Die behaupteten in Brüssel stets, jeder Fall werde einzeln geprüft, Massenabschiebungen nach ethnischer Zugehörigkeit gebe es in Frankreich nicht. Doch am Wochenende wurde ein Rundschreiben des Innenministeriums von Anfang August bekannt, das die Präfekten auffordert, gezielt Roma-Lager zu räumen.

„Das ist eine Schande“

Dieses Rundschreiben sei ihr nie zur Kenntnis gebracht worden, so Reding gestern. „Es ist schockierend, dass ein Teil der Regierung nach Brüssel kommt und etwas behauptet und ein anderer Teil in Paris etwas anderes tut“, sagte die Kommissarin, die auch für Menschenrechte zuständig ist. Innerhalb der nächsten zwei Wochen werde das Kollegium entscheiden, ob ein Verfahren gegen Frankreich eingeleitet werde. „Es ist unser Job zu prüfen, ob ein Mitgliedsstaat das EU-Recht anwendet, und diesen Job werden wir machen“, drohte die sichtlich verärgerte Luxemburgerin.

Schon häufiger hat sich die EU-Kommission an den Europäischen Gerichtshof gewandt, um die Einhaltung der Menschenrechte in einem Mitgliedsstaat überprüfen zu lassen. Deutschland musste zum Beispiel vor den Kadi, weil es gleichgeschlechtliche Paare in der Altersversorgung benachteiligt. In der Romafrage hingegen beließ es Kommissionspräsident Barroso, der Konflikten mit den Großen lieber aus dem Weg geht, bislang bei Drohungen. Vor zwei Jahren sorgte die Hetzjagd auf Roma in Italien europaweit für Empörung. Doch die EU-Kommission beließ es bei Ermahnungen.

Doch nun sind in der EU neue Zeiten angebrochen. Der Lissabon-Vertrag mit seiner Grundrechtecharta stärkt die Mitsprachemöglichkeiten Brüssels in Menschenrechtsfragen. Und in der Kommission zuständig ist die Luxemburgerin Viviane Reding. Die zeigte gestern dann auch nur wenig diplomatische Zurückhaltung. „Dies ist eine Situation, von der ich dachte, Europa würde sie nach dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr erleben müssen. Dies ist eine Schande.“

DANIELA WEINGÄRTNER