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Archiv-Artikel

Hamburg schickt Cuxhaven in den Schlick

Hamburg darf weitere acht Millionen Kubikmeter Baggergut in der Deutschen Bucht entsorgen. Das hat der Landtag in Kiel beschlossen. Der Cuxhavener Bürgermeister ist verbittert. Er fürchtet weitere Schlickfelder an seinen Stränden

Von MAXIMILIAN PROBST

Eigentlich sollte es eine Ausnahme sein: Vor drei Jahren bekam Hamburg vom Land Schleswig-Holstein die Genehmigung, 4,5 Millionen Kubikmeter Baggergut zwischen Helgoland und Scharhörn zu versenken. Ausdrücklich wies die Hamburger Hafenbehörde darauf hin, dass es sich bei der Verklappung an der „Tonne E 3“ „nicht um eine Dauerlösung“ handele. Gestern genehmigte das Kieler Kabinett der Hansestadt allerdings die nächste „Ausnahme“: Hamburg darf in den kommenden vier Jahren weitere acht Millionen Kubikmeter Baggergut in der Deutschen Bucht entsorgen.

Schlick auf dem Sandwatt

In Cuxhaven hatte die Verklappungsfrage schon vor der Kieler Entscheidung für Unmut gesorgt. Denn in Cuxhaven hat sich seit kurzem auf dem Sandwatt eine glitschige, noch nie da gewesene Schlickmasse abgelagert (taz berichtete). Fast überall vor den Stränden des größten deutschen Nordseebads verderben diese Schlickfelder pünktlich zu Ferienbeginn den Erholungssuchenden Badespaß und Wattwanderungen.

Eine von der Stadt Cuxhaven in Auftrag gegebene Studie beim Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN) hat ergeben, dass die Verschlickung wahrscheinlich im Zusammenhang mit der Elbvertiefung steht. Die habe vor der niedersächsischen Küste dazu geführt, die Strömungsgeschwindigkeiten- und Mengen in den Prielen zu reduzieren, weshalb sich nun feine Schwebstoffe zu Schlick absetzen können.

Für den Cuxhavener Bürgermeister Arno Stabbert (CDU) ist aber auch die Baggergut-Verklappung Teil des Problems. Es gebe „ein Zusammenspiel von vielen Maßnahmen, die dazu führen, dass ein Ökosystem irgendwann irreversibel umkippt“ – und genau das würde sich gerade im Wattenmeer vollziehen, sagt Stabbert. Er ist über die Verklappungs-Entscheidung aus Kiel verbittert: „Ich fragte mich, ob die überhaupt wissen, was sie da genehmigt haben“, sagte er der taz.

Auch der örtliche Landtagsabgeordneten der Grünen, Hans-Jürgen-Klein, meint, dass man Elbvertiefung und Verklappung nicht auseinander dividieren dürfe. Dass Hamburg sich nun die zweite Ausnahmegenehmigung zur Verklappung eingeholt habe, ist für ihn ein klares Indiz: „Hamburg hat immer noch kein schlüssiges Konzept, was mit dem Schlick passieren soll.“ Weitere Elbvertiefungen seien allein schon vor diesem Hintergrund völlig inakzeptabel.

Als besonders ärgerlich empfand man in Cuxhaven zudem die Informationspolitik des Hamburger Senats. Dass die Stadt eine neue Genehmigung beantragt hat, sagt Klein, habe man in Cuxhaven erst aus der Zeitung erfahren. Bürgermeister Stabbert wollte es erst gar nicht glauben, da man schon nach der letzten Verklappung massive Verschlechterungen des Wattgebiets vor der Stadt beklagt hat. Beide, Stabbert und Klein, fordern deshalb langfristige Untersuchungen, wie sich die Verklappung auf das Wattenmeer auswirkt.

Schleswig-Holstein hat die Verklappung an Auflagen gebunden: So sollen Umweltauswirkungen umfassend überwacht werden. Und das Baggergut muss chemisch und ökotoxikologisch unbedenklich sein.

Natürliche Sammelstelle

Michael Ahrens, der Sprecher der Behörde für Wirtschaft und Arbeit, die den Auftrag für die Ausbaggerung vergibt, hält die Verklappung schon jetzt für unbedenklich. Der Ort dafür sei optimal, sagt er. Durch die Strömungen hätte sich zwischen den Inseln Helgoland und Neuwerk „quasi eine natürliche Sammelstelle des Schlicks gebildet“, in der sich Sedimente fänden, die aus Rotterdam oder England stammen würden.

Bei der ersten Verklappung hatte die Hamburger Hafenbehörde noch ein anderes Argument ins Feld geführt: An der Stelle der „Tonne E 3“, hieß es damals, fließe das Wasser im Kreis. Ergo: Was dort versenkt würde, bliebe dort auch liegen.

Angezweifelt wurde diese Sicht der Dinge vom Forschungsinstitut Senckenberg. Man kam in einer Untersuchung zum Ergebnis, dass gerade die feinen Schwebstoffe fortgespült und großräumig in der Bucht verteilt würden.

In Cuxhaven beginnt man mittlerweile, sich auf den Schlick längerfristig einzustellen. Gesundheitsgefährdend ist die ins Schwärzliche spielende Glibbermasse nicht. Gerade ältere Leute, sagt Bürgermeister Arno Stabbert, könnten auf dem glitschigen Parkett allerdings schnell mal ausrutschen. Nun ist man in Cuxhaven dabei, Wege durch die Schlickfelder zu schaufeln. Ein Ausbaggern des gesamten Schlicks, sagt Stabbert, käme bei der Masse nicht in Betracht.