: Lieferanten zögern bei Nabucco-Pipeline
ENERGIE Europäische Staaten unterzeichnen in der Türkei ein Abkommen zum Bau der Gasleitung, die Europa unabhängiger von Russland machen soll. Nun ist die Frage, wo das Gas herkommen soll
ISTANBUL taz | Großer Bahnhof in Ankara. Am Montag unterzeichneten die Regierungschefs von Österreich, Ungarn, Rumänien, Bulgarien und der Türkei in der türkischen Hauptstadt feierlich eine Regierungsvereinbarung zum Bau der Nabucco-Gaspipeline, einer Energietrasse, die von Baku aus gut 3.000 Kilometer bis Wien führen und Europa ab 2014 unabhängiger von russischem Gas machen soll.
Mit dabei waren EU-Kommissionspräsident Manuel Barroso und Obamas Kaukasus-Beauftragter Richard Morningstar. Für Barroso ist die Pipeline „die Versinnbildlichung der strategischen Beziehung der EU zur Türkei“. Der türkische Ministerpräsident Tayyip Erdogan rühmte den „historischen Moment“.
Dabei gleicht die Regierungsvereinbarung mehr einer Notoperation. „Wenn jetzt nichts passiert wäre“, sagte ein Insider in Ankara, „hätte niemand in den potenziellen Lieferländern mehr an die Pipeline geglaubt.“ Jahrelang hatten die Betreiberländer um die Aufteilung der rund 8 Milliarden Euro Investitionskosten gestritten. Vor allem die Türkei verlangte entweder mehr finanzielle Unterstützung für den Bau oder eine Garantie, später zu Sonderkonditionen Gas entnehmen zu können, oder auch Entgegenkommen bei den EU-Beitrittsverhandlungen als Gegenleistung.
Neben Aserbaidschan, das als einziges Land schon verbindlich Gaseinspeisungen angekündigt hat, ist Turkmenien ein Schlüsselstaat unter den potenziellen Lieferländern. Erst am Freitag hatte Morningstar dem turkmenischen Potentaten Gurbanguly Berdymuchamedow das Versprechen abgerungen, dass auch sein Land zukünftig Gas für Nabucco zur Verfügung stellen wolle. Doch während die Europäer sich stritten, schloss er bereits neue Verträge mit Russland ab, weil der russische Gasmonopolist Gazprom unter dem Konkurrenzdruck ganz plötzlich viel bessere Preise anbot. Die Regierungsvereinbarung soll Turkmenien nun deutlich machen, dass es nun wirklich ernst wird mit dem Bau.
Allerdings ist noch ungeklärt, wie turkmenisches Gas nach Baku kommt, da Russland ein Veto gegen eine Pipeline durchs Kaspische Meer einlegen kann. Eventuell, sagte Erdogan, sei Katar bereit, den Bau einer Anlage für Flüssiggas zu finanzieren, dann könnte der flüchtige Stoff per Schiff transportiert werden.
Auch in der Türkei gibt es immer noch keine Klarheit, was die Pipeline dem Land bringen wird. Energieminister Taner Yildiz sagte, das Wichtigste sei, dass die Türkei damit an die europäische Energieversorgung angeschlossen werde. JÜRGEN GOTTSCHLICH
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