: Phantasien aus der Kellerwohnung
„Die gelbe Gefahr in St. Pauli“: Chinesische Migranten in Hamburg waren schon vor der Nazi-Zeit als „kriminell“ abgestempelt und von den Polizeibehörden verfolgt und diskriminiert
Hamburg taz ■ Die Geschichte des Hamburger Chinesenviertels war lange Zeit in der Hansestadt völlig unbekannt. Erst in den letzten Monaten wird das Schicksal der Kolonie in St. Pauli wieder intensiver beleuchtet. Die so genannte Chinesenaktion stand im Mittelpunkt des diesjährigen offiziellen Holocaust-Gedenktages von Bürgerschaft und Senat. Und auch wissenschaftlich wird die Historie von St. Paulis Chinatown mittlerweile begleitet.
So hat sich der Hamburger Historiker Lars Amenda intensiv mit der Geschichte des Chinesenviertels befasst. In seinem Werk „Die chinesische Migration und ihre Wahrnehmung in Deutschland“ zitiert er aus der Presse der zwanziger und den dreißiger Jahre, um die rassistischen und nationalistischen Bilder über die chinesischen Migranten der damaligen Zeit deutlich zu machen. So schrieb zum Beispiel die Deutsche Zeitung 1925 über „die gelbe Gefahr in St. Pauli“, über die dortige „in sich abgeschlossene Welt“. Schon bevor die Nazis an der Macht waren, waren die Hamburger Polizeibehörden stets bemüht, „die kulturelle und rassische Fremdheit“ der Chinesen zu betonen und sie als kriminell abzustempeln, wie Amenda bemerkt. In einem Polizeibericht der damaligen Zeit heißt es: „Gleich nach ihrer Ankunft in Hamburg befanden sich die Chinesen im Besitze eines Ausrüstungs- und Grünwarengeschäftes, eines Cafés und so weiter, in denen die sich hier wohnenden Chinesen versammeln, unsaubere Geschäfte betreiben und sich dem Opiumgenusse hingeben.“ Weil die meisten Chinesen in St. Pauli aus sozialen Gründen in Kellerwohnungen leben mussten, wurden diese Kriminalitäts-Phantasien von einer chinesischen Unterwelt noch befördert, schreibt Amenda. PETER AHRENS
Vortrag Lars Amenda: „Vom Chinesenviertel zur Chinesenaktion: Bilder von Fremden und der Alltag von Migranten in St. Pauli“, 24. Juni, 19.30 Uhr, Hamburger Schulmuseum, Seilerstraße 42