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Archiv-Artikel

Kuckensema: auf bremens leinwand Die starken Frauen Afrikas: „Faat Kiné“ von Ousmane Sembene

Ihre Gesten sind herrisch, sie ist die unangefochtene Königin in ihrer kleine Tankstelle und ihre Freundinnen nennen sie, nur halb im Scherz, „du Kriegerin!“ Faat Kiné heißt die unbeugsame Heldin dieses Spielfilms aus dem Senegal. Der Altmeister des afrikanischen Kinos, Ousmane Sembene, singt so ungebrochen ihr Loblied, wie das in einem europäischen oder amerikanischen Film kaum möglich wäre.

Sie hat ihren Weg ohne männliche Hilfe gemacht, musste zwei Kinder alleine großziehen, die nun gerade ihre Abitursprüfung machen, und ihre Mutter residiert mit ihr in ihrem teuer eingerichteten Haus wie ein geheimnisvolles Orakel. Ihr Erfolg wird für hiesige Zuschauer fast ein wenig penetrant ausgestellt, bis einem langsam bewusst wird, wie außergewöhnlich er in einem traditionell patriarchalen Land wie dem Senegal ist.

Das merkt man an Kleinigkeiten – etwa daran, dass eine Kundin, die ihr einen gefälschten Geldschein andrehen will, nach einer ersten Abfuhr mit einem Mann als Verstärkung zurückkehrt, der dann aber mit seinen bösen Blicken auch nichts ausrichten kann. Ihre Tankstelle in Dakar ist ein Mikrokosmos, den Sembene mit einem bunten Haufen von Kunden und Mitarbeitern bevölkert. Er zeigt dabei alles so pointiert, dass man sich auch alltäglichste Handlungen – wie das Überprüfen des angelieferten Benzins – gerne ansieht. Die Kamera scheint nur einen Tag im Leben von Faat Kiné aufzuzeichnen, tut dies aber mit einer eleganten Beiläufigkeit, die am ehesten noch an die Filme von Eric Rohmer erinnert.

Die beiden Kinder wollen ihre Mutter verkuppeln, die Freundinnen erzählen von ihren romantischen Verwicklungen –zunächst ist Faat Kiné eine unterhaltsame, sonnendurchflutete Gesellschaftskomödie. Doch wenn man sich dann bequem im Film eingerichtet hat, zeigt Sembene plötzlich, wie hart sich die Heldin diese Idylle erarbeiten musste.

Als junges Mädchen wollte sie studieren und Anwältin werden, bis sie dann von einem ihrer Lehrer geschwängert wurde, der sie anschließend sitzen ließ. Ihr Vater versuchte sie wegen der Schande mit kochendem Wasser zu verbrühen, doch ihre Mutter warf sich dazwischen: Schreckliche Brandnarben auf dem Rücken behielt sie zurück. Der heute 80-jährige Sembene, der seit seinem 1968 in Venedig gezeigten Film Mandabi als sozial engagierter, unabhängiger Regisseur arbeitet, hat hier seine radikale Kritik an den überkommenen patriarchalen Strukturen seines Landes in einem lebensbejahenden, optimistischen Gegenentwurf verarbeitet.

Diese Frauen lassen sich nichts mehr von den Männern sagen, eine schlägt etwa einen ihr aufgezwungenen Gatten mit einem Kondom in die Flucht. Weder der Humor noch die Tragik wirken forciert, und die Kamera ist in Sembenes Händen ein demokratisches Instrument, das den ständig arbeitenden Tankwart genauso wichtig nimmt wie Faat Kiné, die von der Schauspielerin Venus Seye immer leicht stilisiert verkörpert wird. Solch einen authentischen Einblick in ein ganz normales afrikanisches Leben wie hier bekommt man nur selten im Kino zu sehen.

Wilfried Hippen

Läuft OmU im Kino46, Termine siehe Kino-taz