: Windrausch an der Ostfriesenküste
Die Unfähigkeit ihrer juristischen Abteilung beschert der ostfriesischen Gemeinde Dornum den spektakulärsten Windpark Deutschlands. Mit juristischen Tricks umschiffen die Investoren alle rechtlichen und naturschützerischen Auflagen
von Thomas Schumacher
Eigentlich ist die Gemeinde Dornum ein schnuckeliger Badeort an der Nordseeküste. Doch diesen ökonomischen Ast sägt sich die Gemeine gerade selbst ab. Denn es ist lukrativer, die Küste mit Windanlagen voll zu stellen. In der näheren Umgebung stehen schon rund 100 Windmühlen. Jetzt sollen südlich von Dornum bis zu 38 weitere Anlagen dazukommen. „Das ist eine bodenlose Frechheit. Wir werden von den Windrädern eingekesselt. Wir sehen dann nur noch drehende Horizonte“, schimpft Anlieger Berend Nieuwsma. Er hat bereits Widerspruch gegen die Planung eingelegt.
Erstmals in Deutschland sollen in Dornum geballt mindestens 12 E – 112 Windräder der 4,5 Megaklasse entstehen. Das sind die Anlagen, die als Offshorewindräder in der Nordsee vorgesehen sind. Die 172 Meter hohen Giganten riegeln diesen Küstenabschnitt dann völlig ab. Schon sind die national bedeutsamen Vogelschutzgebiete bei Dornum durch Windparks zerstört.
Am Anfang des neuen Windrausches stand Schlamperei. Eine Investorin hatte gegen den Dornumer Flächennutzungsplan von 1990 geklagt und Recht bekommen. Das Gericht erklärte den Plan für nicht wirksam. Die Gemeinde hatte zwar nur ein Vorzugsgebiet für Windkraft ausgewiesen, das aber rechtlich so mangelhaft getan, dass Investoren nicht abgewiesen werden konnten. „Damit war uns das stärkste Instrument gegen neue Anlagen aus der Hand geschlagen. Mit einem funktionierenden Flächennutzungsplan hätten wir keine Windmühle in Dornum genehmigt“, so der zuständige stellvertretende Auricher Landrat Frank Puchert. In einem Schlichtungsgespräch mit den Investoren genehmigte er 38 neue Konverter. „Damit haben wir natürlich die Gemeindeplanung konterkariert“, so Puchert.
Die Investoren selbst umgingen geschickt alle rechtlichen Vorgaben, wie etwa die Umweltverträglichkeitsprüfung. Denn sie beantragten keinen einheitlichen Windpark, sondern nur 32 Einzelanlagen. Nach einem Protest der Naturschutzgruppe Wattenrat erklärte die Genehmigungsbehörde des Landkreises: „Ein Gelände, auf dem Anlagen von verschiedenen natürlichen oder juristischen Personen betrieben werden, ist nicht als einheitliches Betriebsgelände anzusehen.“ Damit gelten die neuen Windräder in Dornum nicht als Windpark und fallen nicht unter das Bundesimmissionsschutzgesetz. Die Anlagen werden zwar alle auf einem Platz an der Küste stehen, aber sie werden nicht von einem Investor betrieben, sondern von 25.
Weil die Investoren Rechtssicherheit verlangten, verdonnerte der Landkreis die Gemeinde zur Ruhe. Die unterstützt jetzt auch den Windkraftboom. Und weil sie bislang nicht in der Lage war, einen rechtsgültigen Flächennutzungsplan aufzustellen, dürfen die Investoren gleich selbst zusammen mit dem Landkreis einen neuen Flächennutzungsplan erarbeiten. „Wir sind vor allen Dingen daran interessiert, dass der neue Flächennutzungsplan die aktuelle Planung berücksichtigt und das ehemalige Vorranggebiet für Windkraft auf die Standorte der neuen Windräder ausgedehnt wird“, so Frank Puchert vom Landkreis Aurich. „Wenn das Schule macht, könnte die Landesregierung ihre Naturschutzbehörden streichen und die Berücksichtigung von Naturschutzbelangen ganz den Investoren überlassen“, sagt ein Sprecher der Naturschutzgruppe Wattenrat.
Auffällig ist in Dornum außerdem die hohe Zahl lokaler „Prominenten“ als Windkraftbetreiber. So stimmt der Vorsitzende des Bauausschusses und ehemalige Bürgermeister von Dornum, Bernd Haseborg (CDU), gleich selbst über eigene Belange im Rat ab. Er und seine Familie betreiben mehrere Windkraftanlagen und Putenmastställe. Onno Poppinga, ehemaliger Bundesgeschäftsführer der Umweltorganisation BUND und Mitarbeiter der Umweltlotterie des NDR Bingo, produziert hier ebenso Windenergie wie der Chef des weltweit marktführenden Windanlagen Herstellers Enercon, Aloys Wobben.