… und sonst? : Übertritte zum Islam
In Berlin leben ungefähr 220.000 Muslime. Davon sind 7.000 bis 8.000 deutsche Berliner, die zum Islam übergetreten sind. Das schätzt zumindest Mohammed Herzog, der selbst zum Islam konvertierte und im Jahr 1979 die „Islamische Gemeinschaft deutschsprachiger Muslime“ (IGDMB) gründete, die er seitdem leitet.
Der IGDMB mit Sitz in der Schöneberger Geßlerstraße können auch Nicht-Muslime beitreten, der Verein hat 46.000 Mitglieder. Er ist eine von zwei Organisationen in der Stadt, die sich speziell an deutschsprachige Muslime richtet. Die andere ist der Deutschsprachige Muslimkreis (DMK) in der Drontheimer Straße in Wedding. Ihn gibt es seit 1999.
Während Herzogs Organisation als liberal gilt, steht der DMK im Ruf, fundamentalistisch zu sein. Nach Informationen der Islamismus-Expertin Claudia Dantschke soll der Deutschsprachige Muslimkreis Teil eines multinationalen Netzwerks sein, das der Muslimbruderschaft nahe steht. Herzog will zum DMK nichts sagen, nur so viel: „Die sind strenger als wir.“ Dass Konvertiten es mit der Religion besonders genau nähmen und deshalb für Fundamentalismus besonders anfällig seien, weist er zurück.
Zu Herzog, der Imam ist, kommen durchschnittlich zehn bis zwölf Menschen im Monat, die konvertieren wollen. „Der größte Teil ist bereits religiös gewesen, war mit seiner Kirche aber nicht einverstanden“, sagt Herzog. „Oder sie konvertieren, weil sie den Islam für die toleranteste Religion halten.“ Früher seien vor allem Frauen übergetreten, häufig weil der Partner Muslim war. Heute konvertierten vor allem junge Leute zwischen 18 und 30. Frauen und Männer hielten sich die Waage.
Wer zum Islam konvertieren will, muss ein Gespräch mit Herzog führen, in dem dieser erklärt, was der Islam ist. Dann muss der Konvertit die schahada sprechen, also ein Glaubenszeugnis ablegen: „Ich bezeuge, dass es keinen Gott außer Allah gibt und dass Mohammed der Prophet Gottes ist.“ Danach ist er Muslim und gehört damit zur umma, der Gemeinde der Musliminnen und Muslime.
Zugleich nimmt er damit auch die Pflichten der Muslime auf sich, die häufig als „fünf Pfeiler des Islam“ bezeichnet werden: den Glauben an den einzigen Gott, die Verrichtung des Gebets fünfmal am Tag, die Zahlung der Zakat (Almosen), das Fasten im Monat Ramadan und die Pilgerfahrt nach Mekka, sofern man die Mittel und Möglichkeit dazu hat.
Mohammed Herzog ist sicherlich der bekannteste Konvertit Berlins. Der heutige Imam wuchs in einer protestantischen Familie in Berlin auf und arbeitete nach einer Landwirtschaftslehre in Duisburg unter anderem als Steinmetz und Krankenpfleger. Bei den freikirchlichen Baptisten wurde der heute 59-Jährige Jugendmissionar und Gemeindehelfer in Berlin. In Jordanien konvertierte er 1979 zum Islam und gründete danach die Islamische Gemeinschaft deutschsprachiger Muslime. Er macht Führungen in Moscheen und auf dem islamischen Friedhof. Die Islamische Gemeinschaft gilt als Anlaufstelle für alle, die mehr über den Islam erfahren wollen. Sie bietet auch Beratungen an. Informationen unter www.igdmb.de
SABINE AM ORDE