: Nächstenliebe soll sich auszahlen
Firmen aus dem Raum Köln-Bonn engagieren sich einer Studie zufolge verstärkt zu Gunsten des Gemeinwesens. Nicht nur mit dem Scheckbuch, sondern durch den Einsatz von Mitarbeitern und Know-how. Davon profitieren nicht zuletzt die Firmen selbst
Von Claudia Lehnen
Eine ganze Zeit standen da nur die grauen Kisten. Sie waren vernetzt, so wie es von amtlicher Seite vorgeschrieben war. Sie waren da, um den medialen Fortschritt des Nachwuchses sicher zu stellen. Wie Schulunterricht am Computer vonstatten gehen sollte, wusste aber niemand so genau. „Der Computer erscheint nicht in den Curricula, er hat in der Lehrerfortbildung keinen richtigen Platz“, klagt Friedrich Stahl, selbst Vater eines schulpflichtigen Sohnes. Stahl wollte Abhilfe schaffen, und weil er auch Geschäftsführer der kleinen Kölner Firma contAire ist, die sich mit der Planung und Implementierung von Computer-Redaktionssystemen beschäftigt, bot seine Firma kurzerhand Computerunterricht nebst Lehrerfortbildung an der katholischen Marienschule in Bonn an. Kostenlos.
Die Firma contAire ist nicht das einzige Kölner Unternehmen, das von der Gesellschaft nicht nur profitieren, sondern auch zurückgeben möchte. Das zeigt eine Studie der Vis a Vis Agentur für Kommunikation, die mit Unterstützung der Sparkasse Köln-Bonn erstellt wurde und Unternehmensengagement in der Region Köln-Bonn dokumentiert. Vis a Vis stellt in ihrer Einleitung zu der Studie einen neuen Trend fest: „Unternehmen engagieren sich nicht nur finanziell, sondern auch mit ihrer Kompetenz und ihrem Personal für das Gemeinwohl.“
„Corporate Volunteering“ ist das Zauberwort, das nicht nur Hilfsbedürftige und soziale Einrichtungen, sondern auch die Helfenden glücklich machen soll. Es bedeutet, dass sich Unternehmen freiwillig zu Gunsten des Gemeinwesens engagieren, und zwar nicht durch die Überreichung eines Schecks, sondern durch den Einsatz ihrer Mitarbeiter, Kompetenzen oder Ressourcen. Im Fall von ContAire bedeutet das, dass Mitarbeiter der Firma einmal wöchentlich unentgeltlich Schülern das Handwerkszeug für den Umgang mit dem Computer vermitteln. „Wir wollten kein Buch, keine Leserbriefe schreiben, nicht einfach etwas spenden. Wir wollten konkret mit unseren Kompetenzen zur Verbesserung der Situation beitragen“, erklärt Friedrich Stahl.
Dass das Kollegium der Grundschule, die Kinder und andere Begünstigte vom Corporate Volunteering begeistert sind, versteht sich von selbst. Aber auch die engagierten Firmen müssen sich nicht nur über Nächstenliebe motivieren. Wie Gabi Klein von Vis a Vis erklärt, erfülle Unternehmensengagement auch für den Gebenden einen konkreten Zweck: „Die Firma wird in der Öffentlichkeit positiv dargestellt. Ein Aktionstag hebt Hierarchien auf, weil sich die Mitarbeiter in einem anderen Zusammenhang kennen lernen.“ Auch langjährige Beschäftigte könnten bei ihrem sozialen Engagement noch Fähigkeiten hinzulernen. „In ungewohnten Situationen, wie zum Beispiel im Kontakt mit geistig behinderten Menschen, erfährt man, wie hilfreich Geduld und Empathie in der Kommunikation sind“, erläutert Klein.
Eva Pauls-Schittko von ISD Interseroh kann diese Theorie auch in der Praxis bestätigen. Der Dienstleister, der mit sekundären Rohstoffen handelt, engagiert sich seit zwei Jahren für das Kinderheim in Sülz. Im Rahmen des Kölner Freiwilligen Tages haben die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zusammen mit den Kindern unter anderem Beete neu bepflanzt und einen neuen Sandkasten gebaut. Vor allem die Teamfähigkeit werde durch die Einsätze maßgeblich gesteigert. „Beim Beetpflanzen kommen sich die Kollegen viel näher als bei einer Diskussion über Zahlen“, sagt die Personalleiterin. Einerseits könne man bei solchen Einsätzen die Kollegen von einer ganz anderen, privateren Seite kennen lernen, andererseits wolle das Unternehmen durch diese Aktionen aber auch seiner gesellschaftliche Verpflichtung gerecht werden, so Pauls-Schittko.
Nicht nur das Betriebsklima profitiert von sozialem Engagement der Belegschaft. Mancher Mitarbeiter macht nach einem Freiwilligeneinsatz auch in der Firma einen besseren Job. Wie die Auszubildenden der Sparkasse, die nach Auskunft von Pressesprecher Michael Cremer bei Unterrichtseinheiten in Schulen ihre rhetorischen Fähigkeiten verbessern und lernen, mit Präsentationsmedien umzugehen. Auch Friedrich Stahl kehrt von seinen Einsätzen in der Grundschule nicht mit leeren Händen zurück. Hinter den grauen Schulcomputern säßen nämlich nicht selten Kinder, die sich als kleine Produkttester entpuppten. Wenn Stahl aus dem Klassenzimmer geht, weiß er genau, welche Fragen Computernutzer haben.