: „Sozial nicht konsensfähiges Verhalten“
Okkultismus im Wendland: Der Gründer der satanistischen Thelema-Gruppe, Michael Eschner, macht seine Anhängerinnen mit Vergewaltigungen und Nötigungen gefügig
Bislang war es kaum möglich, Näheres über die so genannte Thelema-Gemeinschaft zu erfahren. Schon 1986 hatte deren geistiger Führer, Michael Eschner, das kleine Bergen im Wendland zum Hauptsitz seiner satanistischen Organisation erklärt. Aber erst jetzt sind ehemalige Thelema-AnhängerInnen bereit, auch öffentlich über ihre erniedrigenden Erlebnisse in der Gruppe zu berichten. Dieser Tage gelang es der „Arbeitsgemeinschaft Sekten“ erstmals, eine Informationsveranstaltung zum Thema anzubieten.
Der Saal des „Schützenhauses“ des Örtchens war prall gefüllt. „Es geht mir nicht darum, Okkultismus oder Spiritualität an sich zu kritisieren“, so der Politologe Rainer Fromm, der den Abend mit vorbereitet hatte. „Aber Eschner verbreitet unter dem Pseudoziel der Suche nach dem wahren Willen, der Liebe und dem Erlangen von Unsterblichkeit eine Ideologie der Selbstvergottung, die als höchst gefährlich einzustufen ist.“
Was das bedeutet, berichtete unter anderem die Aussteigerin Bea K.: „Wie alle neuen weiblichen Anhänger, wurde ich am Anfang meiner Thelema-Zugehörigkeit per Telefon zu Eschner zitiert“, erzählte sie. „Dort zwang er mich zum Sex, biss mich in Zehen und Brustwarze.“ Auch in der Folgezeit sei sie, wenn sie nicht vollständig Eschners Willen folgte, von ihm geschlagen und getreten und zu sexuellen Praktiken genötigt worden, die ihr widerlich waren. Kein Einzelfall, sondern Teil einer systematischen Umprogrammierung: Gruppeninterne Handzettel für so genannte Ausbildungsfeten weisen darauf hin, dass es im Sinne der Ausbildung „zu allen Arten“ von „sozial nicht konsensfähigem Verhalten kommen“ könne. Das Spektrum reiche „von Beschimpfungen bis zum Geschlechtsverkehr“.
Wie Rechtsanwalt Reiner Fuellmich aus Göttingen berichtet, sind nur wenige seiner Aussteigerinnen bereit, Anzeige zu erstatten. Zu groß sei der psychische Druck, der noch danach auf ihnen laste. Trotzdem gelang es ihm mit Unterstützung einer Psychologin des örtlichen Frauenhauses, Strafverfahren einleiten zu lassen. 1992 wurde Eschner wegen Vergewaltigung zu sechs Jahren Freiheitsstrafe verurteilt, 2002 erging ein Strafbefehl über 7.500 Euro wegen sexueller Nötigung. Zwei weitere Mitglieder der Gruppe wurden inzwischen ebenfalls zu hohen Geldstrafen wegen Nötigung und Körperverletzung verurteilt. Direkte Gefahr für Außenstehende gehe von Thelema allerdings kaum aus, war in Bergen zu erfahren. Die Gruppe habe ihr Haupttätigkeitsfeld aufs Internet verlegt, so Fromm. Bedenklich: Über 5.000 „Bewohner“ seien in Eschners virtueller Stadt „new aeon city“ registriert.
Eschner ist nicht der erste Guru, der auch in linken Kreisen für Unruhe sorgt. So hatte Anfang der 1970er-Jahre Otto Mühl seine „Aktionsanalytische Gemeinschaft“ gegründet, deren Lehre vor allem links gefiel. Die von Otto Mühl praktizierte „freie Liebe“ degenerierte allerdings zusehends zum Herrschaftsrecht des Übervaters: 1991 wurde Mühl verhaftet und wegen Unzucht mit Minderjährigen und Missbrauch eines Autoritätsverhältnisses zu sieben Jahren Haft verurteilt. Angelika Blank