: Trockenes Toben mit Gottes Segen
Damit Eltern und Kinder in der kalten Jahreszeit nicht verzweifeln, gibt es seit zehn Jahren den Winterspielplatz der Kreuzberger Stadtmission. Er wird durch Spenden finanziert. Beten muss hier niemand, die Schuhe ausziehen schon
„Im Winter ist die familiäre Enge oft die Hölle.“ Stadtmissionar Andreas Berthold, Vater von vier Kindern, muss es wissen. Wenn es draußen kalt ist und die Spielplätze matschig sind, sagt er, müssten Eltern oft zu Hause bleiben und verzweifelten an ihren unausgeglichenen Kindern. Deshalb eröffnete er vor zehn Jahren in der Kreuzberger Stadtmission den damals bundesweit ersten Winterspielplatz – eine trockene und warme Alternative für gestresste Eltern und Kinder bis höchstens sechs Jahre. Gestern wurde Geburtstag gefeiert.
Der ungewöhnliche Spielplatz ist eine Erfolgsgeschichte: „Am ersten Tag kamen 16 Eltern und Kinder, allein in der letzten Wintersaison waren es über 9.000“, berichtet Berthold. Und das, obwohl sein Winterspielplatz Konkurrenz bekommen hat: In Berlin gibt es neben vier weiteren Stadtmissions-Projekten auch diverse kommerzielle „Indoor-Spielplätze“. Die hätten mit seiner Ursprungsidee aber wenig gemein, findet Berthold: „Wir haben den Auftrag, Gottes Liebe in Wort und Tat bekannt zu machen.“ Mit zutiefst missionarischem Eifer halfen ihm in den vergangenen zehn Jahren 60 ehrenamtliche Mitarbeiter.
Der Winterspielplatz finanziert sich durch Spenden: 27.000 Euro werden für die Zeit zwischen Oktober und April benötigt. Der Eintritt in das 250 Quadratmeter große Kinderparadies ist aber frei. Die Eltern hätten hier die Möglichkeit, der Anonymität herkömmlicher Spielplätze zu entkommen, sagt Andreas Berthold.
Unten, im grellen Spielraum, toben derweil Kinder mit Stoppersocken über den Teppichboden – Schuhe ausziehen ist Pflicht. Ihre Eltern sitzen in Grüppchen auf dem Boden oder trinken in der kleinen Küche Kaffee. „Nein“, sagt ein Vater, „für mich spielt das Christliche keine Rolle, ich würde auch sonst herkommen.“ Es sei zwar immer etwas zu voll, aber bei dem tristen Wetter hielte er es mit seiner Tochter nicht lange draußen aus. Sechs englische Frauen tauschen sich im „Essraum“ über den Alltag in Berlin aus. Sie treffen sich hier regelmäßig: „Aber nicht, weil es kirchlich ist, sondern weil es hier so viel Spielzeug gibt.“ Andreas Berthold ist sich bewusst, dass die ursprüngliche Mission des Spielplatzes nicht ganz erfüllt wird und dass viele Besucher „im Höchstfall Mitglied der Kirche sind. Aber immerhin erleben sie hier, was kirchliche Arbeit bedeutet.“
Die Besucher kommen aus Kreuzberg oder Neukölln, aber manchmal auch aus Randbezirken: „Vom Sozialhilfeempfänger bis zum Akademiker, auch viele Ausländer“, so Berthold. Nur türkische Familien seien etwas schwach vertreten: „Vielleicht trauen die sich nicht in die christliche Stadtmission.“ PATRICK BAUER