URTEIL GEGEN AKTIVISTIN GÜLAFERIT ÜNSAL : Sechseinhalb Jahre fürs Spendensammeln
Das Kammergericht hat am vergangenen Donnerstag die aus der Türkei stammende Gülaferit Ünsal zu einer Haftstrafe von sechseinhalb Jahren verurteilt. Die 43-Jährige wurde der „Rädelsführerschaft in einer ausländischen terroristischen Organisation“ nach Paragraf 129b Strafgesetzbuch beschuldigt.
In ihrem griechischen Exil war Ünsal aufgrund eines Haftbefehls der Bundesanwaltschaft im Juli 2011 in Auslieferungshaft gekommen und drei Monate später an die Bundesrepublik ausgeliefert worden. Seitdem ist sie in der Frauen-JVA in Lichtenberg gefangen.
Für das Gericht ist erwiesen, dass Ünsal von August 2002 bis November 2003 Europachefin der in der Türkei auch bewaffnet gegen den Staat kämpfenden Revolutionären Volksbefreiungsfront-Partei (DHKP-C) war. Die Verteidigung hatte auf Freispruch plädiert, die Staatsanwaltschaft eine Freiheitsstrafe von acht Jahren gefordert. Das Gericht machte zugunsten Ünsals geltend, dass ihr nach 2003 keine Führungstätigkeit mehr nachzuweisen sei. Daher blieb es unter dem von der Staatsanwaltschaft geforderten Strafmaß.
Wie schon in vorangegangenen 129b-Prozessen beruhten große Teile der Anklage auf Informationen türkischer Sicherheitskräfte. Da nach Informationen von Menschenrechtsorganisationen beim Zustandekommen solcher „Beweise“ Folter nicht ausgeschlossen werden kann, dürften sie nach deutschem Recht eigentlich keinen Eingang in den Prozess finden.
Eine Beteiligung an Anschlägen konnte das Gericht Ünsal, die sich der DHKP-C in den frühen 90er Jahren angeschlossen haben soll und deswegen in der Türkei bereits zu einer Haftstrafe verurteilt wurde, nicht nachweisen. Vielmehr habe sie nach Ansicht der Richter für die DHKP-C Spenden gesammelt und Schulungen organisiert.
Keine Reaktionen
Nach Ünsals Auslieferung hatten noch linke Solidaritätsgruppen gegen das 129b-Verfahren mobilisiert. Im Laufe des mehrmonatigen Verfahrens und anlässlich der Urteilsverkündigung gab es aber keine Reaktionen. „Während es in Griechenland eine große Bewegung gegen die Auslieferung gab, zeigte sich in Berlin, dass die Gefangenensolidaritätsbewegung in der Krise ist“, erklärte ein Aktivist gegenüber der taz, der namentlich nicht genannt werden wollte. PETER NOWAK