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Archiv-Artikel

Vorwurf Schlepperei

Ab heute berät ein Gericht im italienischen Agrigent, ob es im Fall Cap Anamur zu einem Prozess kommen wird

ROM taz ■ Entweder ein sofortiger Freispruch für die drei Angeklagten oder ein langwieriger Prozess: Dies ist die Alternative, vor der das Gericht von Agrigent in der heutigen Voranhörung zum Fall Cap Anamur steht. Die drei Angeklagten sind Elias Bierdel, Exvorsitzender der Hilfsorganisation Cap Anamur, Stefan Schmidt, Kapitän des gleichnamigen Schiffs, und Vladimir Daschkewitsch, Erster Offizier. Ihnen wirft die Staatsanwaltschaft, die die Eröffnung der Hauptverhandlung beantragt hat, vor, eine kriminelle Vereinigung zum Zweck der „Beihilfe zur illegalen Einreise“ gebildet zu haben. Auf gut Deutsch: Die drei sollen sich zu einem Schlepperring zusammengeschlossen haben. Zudem sollen sie sich der Schlepperei in einem besonders schweren Fall schuldig gemacht haben, weil sie mehr als sechs Personen illegal nach Italien eingeschleust hätten.

In diese juristischen Kategorien presst die Staatsanwaltschaft von Agrigent die dramatischen Ereignisse vom Juli 2004. Damals hatte die „Cap Anamur“ in den Gewässern zwischen Sizilien und Malta insgesamt 37 Afrikaner an Bord genommen, die auf Schlauchbooten im Mittelmeer trieben. Als die „Cap Anamur“ das Anlaufen eines italienischen Hafens beantragte, verweigerte das Innenministerium in Rom die Erlaubnis, da das Schiff – so die italienische Position – sich vorher in maltesischen Gewässern aufgehalten habe und deshalb dort seine Passagiere hätte ausladen müssen.

Die Hilfsorganisation Cap Anamur – ihr Chef Elias Bierdel war auch an Bord – bestand dagegen auf einer Anlandung in Italien. Nach tagelangem Tauziehen und nach der Drohung der „Cap Anamur“, auch ohne Genehmigung einzulaufen, gestattete das Innenministerium schließlich die Einfahrt in den Hafen Porto Empedocle.

Dort aber wurden die 37 Afrikaner sofort in Abschiebehaft genommen und wenige Tage später auch wieder nach Ghana zurückgeschafft, ohne ihnen die Möglichkeit zur Stellung eines Asylantrages zu gewähren. In Haft kamen für einige Tage auch Bierdel, Schmidt und Daschkewitsch – als Schlepper. Ihre Aktion sei ein zynisches, propagandistisches Manöver, so die Antwort des italienischen Innenministers, der seinerseits offenkundig an den Vertretern der Hilfsorganisation ein Exempel statuieren wollte.

Heute nun muss das Gericht in Agrigent über die Vorwürfe befinden. Sollte es, wie von der Verteidigung angestrebt, die Argumentation der Staatsanwaltschaft in der Voranhörung verwerfen, käme es gar nicht erst zur Eröffnung des eigentlichen Prozesses. Sollte das Gericht dagegen der Argumentation der Staatsanwälte folgen, gäbe es theoretisch auch die Möglichkeit einer mit den Angeklagten ausgehandelten Festlegung einer (milden) Strafe ohne Hauptverhandlung.

Doch Elias Bierdel machte schon im Vorfeld deutlich, dass er einem solchen Kompromiss nicht zustimmen wird. In diesem Falle stünde also eine langwierige Verhandlung mit der Einvernahme zahlreicher Zeugen bevor, in der es auch darum gehen wird, ob das von der seinerzeitigen italienischen Rechtsregierung verabschiedete Ausländergesetz international gültige Beistandspflichten auf hoher See in den Ruch der Schlepperei rücken kann. MICHAEL BRAUN