: Die Ukraine muss doch eine Brücke sein zwischen Europa und Russland, Frau Göring-Eckardt / Die Ukraine ist ein souveräner Staat. Die Menschen entscheiden selbst über ihre Zukunft, Herr Gysi
ANGRIFFE Warum bekriegt sich die Opposition aus-gerechnet in der Krimkrise? Die Fraktionschefs von Grünen und Linken über gegenseitige Beschimpfungen auf Twitter, Rot-Rot-Grün und das europäisch-russische Verhältnis
■ 66, in Berlin geboren, studiert Jura an der Humboldt-Universität. Arbeitet in der DDR als Rechtsanwalt, vertritt Regimekritiker. Später immer wieder Stasi-Vorwürfe. 1989 Vorsitzender der SED-PDS. Ab 1990 im Bundestag. Zwischendurch Senator für Wirtschaft, Arbeit und Frauen in Berlin. Wegen Bonus-Meilen dann aber schnell wieder nicht mehr. Seit 2005 Fraktionsvorsitzender der Linken im Bundestag. Seit Herbst 2013 führt er damit die größte Oppositionsfraktion. In dieser Woche wegen Linken-Äußerung zur Ukraine von SPD-Veranstaltung ausgeladen.
VON ASTRID GEISLER, STEFAN REINECKE (INTERVIEW) UND WOLFGANG BORRS (FOTOS)
taz: Frau Göring-Eckardt, haben Sie in den vergangenen 100 Tagen im Bundestag mal bei einer Rede von Gregor Gysi geklatscht?
Katrin Göring-Eckardt: Ja, bestimmt. Beim Applaus habe ich keine Berührungsängste – weder bei Gregor Gysi noch bei Angela Merkel.
Und Sie, Herr Gysi?
Gregor Gysi: Ja, gewiss habe ich schon für Frau Göring-Eckardt geklatscht. Aber nur bei einzelnen Sätzen. Nicht am Ende für die ganze Rede. Das ist üblich so.
Dann läuft zwischen Linkspartei und Grünen alles normal?
Gysi: Was das Applaudieren angeht, ja.
Göring-Eckardt: Wir waren uns auch mit der SPD in der Opposition gegen Schwarz-Gelb nicht in allem einig. Das Besondere ist jetzt: Wir sind eine sehr kleine Opposition gegen eine sehr große Große Koalition.
Gysi: Es gibt keine Koalition in der Opposition. Grüne und Linkspartei sind sehr verschieden, haben eine unterschiedliche Geschichte und sind beide jeweils auch in schwierigen Situationen. Aber: Wir müssen zusammenarbeiten. Sonst führt die Große Koalition uns vor.
Zuletzt konnte man den Eindruck kriegen, dass Sie sich vor allem gegenseitig vorführen. Frau Göring-Eckardt, in der Debatte um die Krim-Krise haben Sie im Bundestag nicht die Regierung, sondern Herrn Gysi angegriffen. Ist das nicht ein etwas seltsames Verständnis von Opposition?
Göring-Eckardt: Es geht um eine ernste, schwierige außenpolitische Krise. Da geht es nicht um Opposition und Regierung. Und das ist kein Streit nur zwischen uns und der Linkspartei.
Aber zurzeit scheinen sich Grüne und Linkspartei um die Wette zu beschimpfen. Woher kommt das?
Göring-Eckardt: Ich persönlich muss mir von Linksparteimitgliedern seit Wochen anhören, ich sei auf dem rechten Auge blind, dass die Grünen „der rechte Rand“ des Bundestages seien. Das ist weit unter der Gürtellinie. Manche von diesen Beschimpfungen mussten aus dem Internet entfernt werden.
Die linke Abgeordnete Sevim Dagdelen hat getwittert, die Grünen seien „verwelkt“, ihre Ukraine-Politik sei „unerträglich“, weil sie quasi Faschisten an die Macht hilft. Herr Gysi, war das in Ordnung?
Gysi: Darauf antworte ich nicht. Ich sage: Es gab einzelne Äußerungen, die ich nicht geschickt fand.
Und dass der linke Abgeordnete Wolfgang Gehrke die Grünen als „rechten Rand des Bundestags“ bezeichnet?
Gysi: Diese Äußerung war überzogen. Ich hab nichts gegen Meinungsunterschiede, aber man muss den Stil wahren. In meiner Fraktion habe ich mich zu diesen Vorfällen geäußert. Und die Fraktion steht hinter meinen Reden zur Ukraine.
Göring-Eckardt: Aber Frau Dagdelen gibt noch immer Interviews im TV-Sender Russia Today und redet, als wäre sie das Sprachrohr einer extrem nationalchauvinistischen russischen Propaganda.
Gysi: Sie teilt jetzt meine Auffassung.
Göring-Eckardt: Auch Sahra Wagenknecht redet öffentlich anderes als Sie.
Gysi: Nein, Sahra Wagenknecht hat bei einem Pressetermin etwas missverständliche Sätze formuliert. Sie meinte doch nur: Die westlichen Regierungen werden das Referendum auf der Krim irgendwann akzeptieren müssen. So wird es auch kommen, spätestens in einem Jahr werden sie so weit sein. Sie hat in der Fraktion versichert: Sie teilt völlig meine Position. Insofern haben wir alle einen neuen Stand erreicht.
Frau Göring-Eckardt, erwarten Sie eine Entschuldigung von Frau Dagdelen?
Göring-Eckardt: Ich bin schon irritiert, dass die Spitzen der Linkspartei wochenlang geschwiegen haben. Keiner hat öffentlich gesagt: Solche Positionen wie die von Sevim Dagdelen gehen nicht. Die grüne Partei engagiert sich von Anfang an gegen Rassismus und Antisemitismus, auch in der Ukraine.
Gysi: Ich habe Ihrem Ko-Fraktionschef Hofreiter gesagt, dass ich das nicht in Ordnung fand, aber meine, dass die Grünen sich nicht genügend von den Faschisten in der Ukraine distanziert hatten. Sie waren da leider gerade nicht anwesend. Aber genauso falsch ist die Montage der Grünen, die unterstellt, dass Sahra Wagenknecht für Kriegseinsätze und die Annexion der Krim ist …
Die Grünen hatten Wagenknecht für ein Wahlkampfmotiv vor bewaffnete Soldaten montiert. Dazu der Slogan: Linkspartei für Auslandseinsätze. Sie, Frau Göring-Eckardt, haben das auf Twitter gepostet. Würden Sie es wieder tun?
Göring-Eckardt: Das Motiv ist Geschmackssache. Überspitzt. Ich bin wirklich nicht bekannt für solch emotionale Auseinandersetzungen. Hier geht es aber tatsächlich um eine klar außenpolitische Richtungsfrage. Wir haben die Werte zu verteidigen, nach denen auch die Maidanbewegung strebt: Freiheit, Demokratie, Rechtsstaat.
Wir haben gerade den Eindruck: Die beiden Oppositionsparteien beharken sich lieber gegenseitig, statt zusammen auf die Regierung loszugehen. Gibt es eigentlich etwas, worin sie sich in Russland-Fragen einig sind?
Göring-Eckardt: Wir sind gegen den Einsatz militärischer Mittel.
Gysi: Richtig. Und wir teilen die Einschätzung: Was Putin getan hat, ist völkerrechtswidrig.
Göring-Eckardt: Absolut. Deshalb dürfen wir das nicht achselzuckend hinnehmen.
Gysi: Aber auch die EU hat Fehler gemacht, nicht nur Russland. José Manuel Barroso, der Präsident der EU-Kommission, hat Kiew vor die Alternative gestellt: entweder Assoziierungsabkommen mit der EU oder Zollunion mit Russland. Putin hat genau das Gleiche getan. Die Ukraine muss doch eine Brücke sein zwischen Europa und Russland. Es war ein Grundfehler, dass auch die EU die Ukraine vor die Wahl gestellt hat – entweder oder. Und zu wenig mit Putin geredet hat.
Göring-Eckardt: Die EU, Deutschland haben dauernd mit Russland geredet. Es gab keine Eiszeit. Die wirtschaftlichen Beziehungen wurden ausgebaut. Und wer hat das Assozierungsabkommen ausgehandelt? Das war doch Janukowitsch. Die Ukraine ist ein souveräner Staat. Die Menschen entscheiden selbst über ihre Zukunft. Hätte die EU also der Regierung Janukowitsch sagen sollen: Fragt doch noch mal in Moskau nach, ob der Kreml einverstanden ist, dass wir mit euch über ein Assoziierungsabkommen verhandeln?
Hätte Sie nicht, finden Sie?
Göring-Eckardt: Das ist doch paternalistisch. Es geht in dem Abkommen doch nicht um Militär und Sicherheit.
Gysi: Nein, das wäre klug gewesen, weil es die Eskalation vielleicht verhindert hätte. Was Sie übersehen, ist die russische Sichtweise. Und die Arroganz des Westens: Der Preis für die Herstellung der deutschen Einheit und die Mitgliedschaft von ganz Deutschland in der Nato sollte sein: keine Osterweiterung der Nato. Was ist passiert?
Sie werden es uns sagen.
Gysi: Das Gegenteil. Polen, die baltischen und weitere Staaten wurden Nato-Mitglieder. US-Präsident Bush wollte sogar die Ukraine und Georgien in die Nato aufnehmen, wogegen die Bundesregierung Stellung bezogen hat. Diese Reihe lässt sich fortsetzen. Jetzt bezahlen wir den Preis für die Arroganz des Westens.
Göring-Eckardt: Es geht nicht um die USA unter George Bush, sondern die EU und die Ukraine heute. Seit Putins pathetischer Rede in dieser Woche wissen wir doch, wo es langgehen soll: Er will zurück zu Russlands alter Stärke vor 1990. Das ist altes Blockdenken. Wir tun gut daran, mit Putin auf Augenhöhe zu verhandeln. Aber wir haben etwas zu verteidigen: unsere Werte und die Souveränität unserer osteuropäischen Nachbarn. Putin glaubt, Russland sei eingekreist und bedrängt. Es muss sich, das ist seine Ansage, nicht nur verteidigen, es muss sich ausweiten. Da sage ich: Nein.
Gysi: Wir müssen endlich begreifen: Es ist nicht so, dass wir seit 1990 alles richtig gemacht haben und nur Putin alles falsch gemacht hat. Mit so viel Selbstgerechtigkeit findet die EU nie ein stabiles Verhältnis zu Russland. Deshalb sind auch die Sanktionen gegen Russland ein Fehler.
Göring-Eckardt: Niemand behauptet, dass wir seit 1990 alles richtig gemacht hätten. Wollen Sie, dass weiterhin Militärgüter nach Russland verkauft werden, als wäre nichts passiert?
Gysi: Darüber kann man reden. Ich bin sowieso gegen Rüstungsexporte.
Göring-Eckardt: Das reicht nicht. Es muss rechtlich geprüft werden, ob zu verhindern ist, dass Gazprom jetzt in Deutschland für Milliarden Euro Gasspeicher und andere Objekte kauft, die wir für unsere Energieversorgungssicherheit brauchen.
Also stoppen?
Göring-Eckardt: Die Bundesregierung kann zurzeit nicht schlüssig darlegen, wie es sich miteinander verträgt, dass einerseits stufenweise schärfere Sanktionen verhängt werden und gleichzeitig der russische Staatskonzern Gazprom in Deutschland gerade im Stundentakt Energieinfrastruktur erwirbt.
Herr Gysi, was spricht aus Ihrer Sicht gegen das Verhängen von Sanktionen?
Gysi: Sanktionen bringen nichts. Nur Eskalation, weil Putin mit den gleichen Mitteln antworten wird. Henry Kissinger hat gesagt: Sanktionen sind keine Strategie, sondern Ausdruck des Fehlens einer Strategie.
Göring-Eckardt: Es gibt in der Diplomatie im Prinzip zwei Möglichkeiten: Wir können Russland positive Angebote machen, die an Bedingungen gekoppelt werden: Ich finde, das ist nach einem Völkerrechtsbruch, den niemand bestreitet, unangemessen. Deshalb sind abgestufte Sanktionen richtig: Erst Kontensperrung und Einreiseverbote für bestimmte Leute.
Gysi: Für 33 Leutchen.
Göring-Eckardt: Das ist kein schwaches Signal.
Die dritte Stufe sind die Wirtschaftssanktionen, die die EU beschlossen hat. Wie scharf müssen die Sanktionen sein?
Göring-Eckardt: Sie müssen stärker sein als die zweite. Sie werden auch uns etwas kosten. Sanktionen sind aber nicht auf Dauer sinnvoll. Man kann sie zeitlich begrenzen. Bisher, auch das ist positiv und nicht immer der Fall gewesen, zieht die EU bei den Sanktionen an einem Strang.
Gysi: Wir verhängen also Sanktionen gegen Russland, weil das den inneren Zusammenhalt der EU stärkt?
Göring-Eckardt: Nein, die EU zieht schon seit Wochen an einem Strang, nicht erst seitdem Sanktionen im Raum stehen. Seit Steinmeier, Fabius und Sokorski gemeinsam in Kiew waren und das Ende Janukowitschs mit ausverhandelt haben, erleben wir ein neues Gesicht europäischer Außenpolitik.
Gysi: Wissen Sie, es gibt noch mehr Gründe gegen Sanktionen, etwa die Willkür, mit der sie verhängt werden. 1974 hat die Türkei den Norden von Zypern besetzt. Das war ein Völkerrechtsbruch. Doch es folgte keine einzige Sanktion. Warum? Weil die Türkei Nato-Mitglied ist. Zweitens: Wem nutzen Sanktionen? Putin, der erst recht mit dem Finger auf den arroganten Westen zeigen wird. Außerdem: Wann enden die Sanktionen? Wenn Russland die Krim verlässt? Das kann ein bisschen dauern. Also werden sie wohl kaum enden.
Göring-Eckardt: Sie wissen immer genau, was falsch ist – aber nicht, was geht.
Mal konstruktiv also?
Gysi: Die EU muss selbstkritisch sein und Putin ihre Kritik vortragen. Und positive Angebote machen, zum Verhältnis Nato, EU und Russland, zum Handel. Also positive Entwicklungen, von denen beide profitieren, unter der Bedingung, dass es keine weiteren Anschlüsse von Gebieten durch Russland mehr gibt.
Göring-Eckardt: Das ist eine Belohnung für einen Völkerrechtsbruch.
Frau Göring-Eckardt, haben Sie Swoboda, die rechte Partei in der Ukraine, unterschätzt?
Göring-Eckardt: Nein. Ich war selbst auf dem Maidan und habe mit vielen Menschen gesprochen, mit Bloggern, Frauengruppen, alten Frauen, die Brote schmierten. Alle haben sich ungefragt von den Rechten distanziert.
Gysi: Jetzt stellt Swoboda aber fünf Minister in der Regierung.
Göring-Eckardt: Das regt mich auf. Aber: Damit wird eine Demokratie auch fertig. Die Umfragen zur Wahl im Mai sehen beide rechten Parteien derzeit gemeinsam bei 5 Prozent. Das sind 5 Prozent zu viel, aber beileibe keine Ausreißer, wenn wir uns in anderen Ländern Europas umschauen.
Gysi: Das sehe ich anders. Die Swoboda-Partei ist nicht nur nationalistisch, das sind Faschisten. Das Zitat des Partei- und Fraktionsvorsitzenden von Swoboda, in dem er „Russensäue, Deutsche und Judenschweine“ beschimpft, stammt nicht von 2004, wie Sie im Bundestag behauptet haben, sondern von 2012.
Frau Göring-Eckardt, Herr Gysi, wo funktioniert die Zusammenarbeit zwischen Linkspartei und Grünen. Außenpolitik scheint ja kein Konsensthema zu sein …
Gysi: Wir müssen lernen, dass wir nicht die Hauptgegner füreinander sind. Das sage ich jetzt an beide Seiten.
Göring-Eckhardt: Es ist eine falsche Erwartung, dass Oppositionsparteien immer zusammenhalten müssen. Das ist das Denken aus früheren Konstellationen. Wir führen keine Koalitionsverhandlungen in der Opposition …
Gysi: … das wäre mir auch zu kompliziert. Aber es gibt zwei Beispiele, wo wir schon jetzt gut kooperieren. Bei den Minderheitenrechten ziehen wir an einem Strang.
Göring-Eckardt: Richtig. Das ist keine Sensation, aber gut so. Die Große Koalition agiert überheblich. Sie tut so, als gäbe es kein Problem. Wenn aber verhandelt werden soll, verkündet CDU-Mann Grosse-Brömer …
■ 47, wird in Friedrichsroda in Thüringen geboren, studiert Theologie. Engagiert sich in der Wendezeit bei „Demokratie jetzt“ und „Bündnis 90“. Dann für „Bündnis 90/Die Grünen“ im Thüringer Landtag. Seit 1998 im Bundestag, 2002 Fraktionschefin, 2005 nicht mehr gewählt, 2009 wieder. Für die Bundestagswahl 2013 Spitzenkandidatin der Grünen. Nach der Wahl wieder Reala-Fraktionschefin. Im Februar reist sie nach Kiew. Zuletzt Eklat: Göring-Eckardt twittert eine Wahlplakat-Montage, die Sahra Wagenknecht vor Soldaten mit Kalaschnikows zeigt.
… der Parlamentarische Geschäftsführer …
Göring Eckardt: … dass Union und SPD machen, was sie wollen. Das ist ein Angriff auf das Parlament. Und nicht der einzige: Die gleiche Chuzpe sehen wir bei der Art, wie die Diätenerhöhungen im Eiltempo durchgepeitscht wurde, und bei dem Versuch, den Parlamentsvorbehalt bei Bundeswehreinsätzen zu kippen. Das ist Arroganz der Macht.
Und das zweite Beispiel für gute linksgrüne Opposition?
Gysi: Der Fall Edathy.
Da haben wir einen anderen Eindruck: Sie fordern einen Untersuchungsausschuss und den Rücktritt von BKA-Chef Ziercke, während Ihre Fachpolitiker im Innenausschuss bremsen. Keine gute Oppositionspolitik, oder?
Göring-Eckardt: Viele Medien haben uns vorgeworfen, dass wir nicht schnell genug einen Untersuchungsausschuss im Fall Edathy gefordert haben. Es war vernünftig, dass wir Grüne im Innenausschuss da vorsichtiger waren und gesagt haben: Lasst uns erst mal sehen, wie weit wir hier kommen, ehe wir das Ganze mit einem Ausschuss auf die lange Bank schieben.
Gysi: Ja, das Gleiche sagt mir unser Mann im Innenauschuss auch. Die Spitze muss immer etwas revolutionärer sein als die Fachleute (lacht). Und bitte: Grüne und Linke arbeiten im Innenausschuss gut zusammen. Manchmal sehen unsere Fachleute die Lage anders als wir, die Fraktionsspitzen, na und?
Trotzdem: Wenn sich zwei Parteien mit solcher Leidenschaft gegenseitig anfeinden wie Ihre, dann ist damit Rot-Rot-Grün für 2017 vom Tisch?
Göring-Eckardt: Politik ohne Leidenschaft wäre echt eine traurige Veranstaltung. Außerdem verhandeln wir doch jetzt nicht über 2017.
Die Tür bleibt also offen?
Göring-Eckardt: Wir werden 2017 darüber reden, was auf dem Tisch ist und was nicht.
Aber mit einer Linkspartei, die sich außenpolitisch so positioniert wie in diesen Tagen, werden die Grünen doch nicht regieren, oder?
Göring-Eckardt: Heute sage ich, mit dieser außenpolitischen Positionierung käme man beim Koalitionsvertrag kaum zusammen. Aber es ist noch nicht 2017.
Gysi: Außerdem werde ich doch dann Außenminister.
Göring-Eckardt: Hatten Sie das nicht neulich abgelehnt?
Gysi: Das war jetzt ein Scherz. Wir müssen Gespräche führen. Und die Chemie muss zwischen den Parteien stimmen. Man muss sich gegenseitig ein bisschen trauen.
Gibt es dieses Vertrauen?
Gysi: Nein, noch nicht.
Göring-Eckardt: Sehe ich auch so. Andererseits ist für mich die SPD in der Großen Koalition auch nicht gerade vertrauenserweckend. Was man da sieht, da sind wir uns ja einig, das ist eine richtige No-Future-Koalition. Die liegen bei den erneuerbaren Energien sogar noch hinter Schwarz-Gelb.
Herr Gysi, fällt Ihnen etwas Freundliches zu Frau Göring-Eckardt ein?
Gysi: Ich hab doch schon lauter nette Sachen über sie gesagt. Ich finde, dass Sie eine beachtliche Biografie haben, in der DDR und danach. Sie haben keinen Anflug von Hass und sind ziemlich tolerant. Das löst bei mir einen gewissen Respekt aus.
Es wird gerade ein bisschen feierlich. Frau Göring Eckhart, wollen Sie zum Schluss was Nettes über Herrn Gysi sagen?
Göring-Eckardt: Es gibt nur wenige, die die Dinge so schnell, häufig charmant und mit großer Heiterkeit auf den Punkt bringen können. Gregor Gysi ist der beste Entertainer, den ich kenne.
■ Astrid Geisler, 39, beschäftigt sich im Parlamentsbüro der taz mit den Grünen
■ Stefan Reinecke, 54, ist bei der taz für die Linkspartei zuständig
■ Wolfgang Borrs, 53, ist freier Fotograf in Berlin