piwik no script img

Archiv-Artikel

Gutes Blut, böses Blut

Mit einem Beitrag über „Killerspiele“ hat das Politmagazin „Panorama“ die Gamer-Szene empört: Sie fühlt sich pauschal in die Gewalt-Ecke gestellt. Nun will der NDR-Intendant Stellung nehmen

„‚Hier fließt Blut‘ ist einfacher zu verkaufen, als zu zeigen, wie 500.000 Spieler komplexe Wirtschaftssysteme durchspielen“

VON SEBASTIAN SOOTH

Am morgigen Donnerstag wird die monatliche „Panorama“-Sendung im Ersten wahrscheinlich ein paar Zuschauer mehr haben. Zuschauer, die normalerweise mehr Zeit mit Computerspielen verbringen als mit dem Anschauen der Polit-Magazine von ARD und ZDF. Die Spieler haben Beschwerden an den Presserat, den NDR-Rundfunkrat sowie den ARD-Programmdirektor verfasst. Sie warten auf eine Entschuldigung für die letzte Sendung, genauer: den Beitrag „Morden und Foltern als Freizeitspaß – Killerspiele im Internet“.

Beim NDR, der „Panorama“ produziert, ist die Aufregung auch drei Wochen nach Sendung noch groß. Wenn man, wie der Autor, als Zuschauer wegen des Beitrags eine kritische Mail an „Panorama“ schreibt, kann es sein, dass Nachfragen als Journalist nicht mehr ernst genommen werden. Man könnte ja ein tendenziöses Machwerk schreiben.

Tendenziöse Berichterstattung sehen viele Kritiker indes in dem „Panorama“-Beitrag. Lange schon hat es nicht mehr ein so empörtes Echo auf eine Sendung gegeben. Da überrascht es kaum, dass der NDR defensiv reagiert. Nach einem Telefoninterview mit dem zuständigen Redakteur müssen ihm und der Pressestelle Fragen und Antworten vorgelegt werden.

Eingeleitet wird der Beitrag durch kurze Statements von zwei Spielern des Online-Games „Call of Duty“. In dem Spiel kann man nachempfundene Situationen aus dem Zweiten Weltkrieg aus der Perspektive der Alliierten durchspielen. Die Gamer finden „Blut“ in Computerspielen „gut“ und „faszinierend“. Dann kommen fast nur als Verbotsbefürworter bekannte „Experten“ wie der bayerische Innenminister Günther Beckstein (CSU) zu Wort. Sie fordern die Verschärfung von Paragraf 131 des Strafgesetzbuches, der bestimmte Gewaltdarstellungen verbietet. Damit sollen auch Verbote von „Killerspiele“ erleichtert werden. Unterlegt werden die Statements mit knackig geschnittenen Gewaltszenen aus unterschiedlichen Computerspielen, die die Frage illustrieren sollen, „warum so was eigentlich nicht verboten ist“ (O-Ton „Panorama“). „Call of Duty“ hat übrigens keine Jugendfreigabe und darf somit Jugendlichen schon heute nicht zugänglich gemacht werden.

Autor und Journalist David Pfeifer, dessen Buch „Klick. Wie moderne Medien uns klüger machen“ Anfang des Jahres erschienen ist, hat sich den „Panorama“-Beitrag angesehen. Er sagt: „‚Hier fließt Blut‘ ist natürlich einfacher zu verkaufen, als zu zeigen, dass 500.000 Spieler komplexe Wirtschaftssysteme durchspielen.“ Nur 4 Prozent der verkauften Online-Spiele seien Titel, die erst ab 18 Jahren freigegeben seien. „Bei der Mehrheit der Menschen, die nicht spielt, bleiben solche Fernsehbeiträge über Extrembeispiele hängen. Das wissen auch die Leute von ‚Panorama‘.“

Thomas Berndt, Grimme-Preis-ausgezeichneter „Panorama“-Redakteur und Autor des Beitrags, sieht keine Fehler. Im Gegenteil – bei den gezeigten Bildern seien „auch bei weitem nicht die brutalsten Spiele/Szenen ausgewählt“. Sicherlich zuspitzend, aber objektiv habe man über die Diskussion zu Paragraf 131 berichtet und dabei „unterschiedliche Positionen […] zu Wort kommen lassen“. Das sieht im Beitrag dann so aus: Justizministerin Brigitte Zypries (SPD) wird mit den Worten „Lästiges Nachfragen“ anmoderiert. Sie sagt: „Mir hat noch niemand erklärt, was er besser machen will als das, was im Moment im Strafgesetzbuch steht.“ Schnitt. Und Günther Beckstein darf antworten.

Die Computerspieler haben mit ihren Mitteln reagiert. Bereits kurz nach Ausstrahlung wird der Beitrag in verschiedenen Blogs im Detail analysiert und in zahlreichen Webforen mit tausenden Beiträgen die stark tendenziöse Ausrichtung diskutiert. Pfeifers Kommentar: „Bei modernen Medien funktioniert die Gegenöffentlichkeit natürlich viel fixer. Deshalb wurde ‚Panorama‘ auch so von den Reaktionen überrannt.“

Das Auftreten von Bert Weingarten als scheinbar objektiver Experte stört die Kritiker besonders. Ihr Verdacht: Bei Weingarten vermischen sich inhaltliche mit wirtschaftliche Interessen, denn er ist Chef der „Internetsicherheitsfirma“ Pan Amp. Auf der Homepage des Unternehmens wird zu jedem Verbotsthema die passende Filtersoftware angeboten. Von „Panorama“ heißt es dazu: „Bert Weingarten zu zitieren, halten wir für völlig legitim.“ Man habe „an keiner Stelle des Beitrags oder anderer Beiträge über irgendwelche Produkte der Internetsicherheitsfirma berichtet“. Jemand, der sich mit Filterprogrammen auskenne, kenne sich ja auch mit den zu filternden Inhalten aus.

Erste Reaktionen auf die Schreiben gab es bereits. ARD-Programmdirektor Günter Struve ließ die Zuschauerredaktion antworten: „Natürlich verstehen wir, dass Sie eventuell nicht ganz damit einverstanden sind, wie das Thema Computerspiele in der Sendung ‚Panorama‘ vom 22. Februar behandelt wurde. […] Dass bei Ihnen […] ein Eindruck von Einseitigkeit und Desinformation entstand, bedauern wir sehr“ und verwies auf die Zuständigkeit des NDR-Rundfunkrats. Dieser kündigte eine Stellungnahme des Intendanten „innerhalb von vier Wochen“ an.

Der „Panorama“-Beitrag ist unter http://daserste.ndr.de/panorama/archiv/2007/t_cid-3710940_.html zu sehen