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Archiv-Artikel

Die Liane des Todes

In Lima haben die jungen Männer Kokain geschnupft und pasta básica geraucht. In der Entziehungsklinik Takiwasi im peruanischen Amazonas heilen sie ihre Sucht mit den Pflanzen der Schamanen. Der französische Arzt Jacques Mabit zeigt ihnen einen Weg aus der Sucht und nutzt dafür den psychoaktiven Ayahuasca-Trank, die Liane des Todes, wie die Indígena Ayahuasca nennen

Drogenklinik Takiwasi

■ Klink: Der französische Arzt Jacques Mabit hat 1992 die Entziehungsklinik Takiwasi in Tarapoto im Hohen Amazonas gegründet. Das Geld für den Bau kam von der Europäischen Union, heute finanziert sich Takiwasi durch die Therapie von Drogenabhängigen, durch Seminare und Spenden. Mabit und seine Team aus internationalen Ärzten, Psychologen und Schamanen verbindet westliche Medizin und Psychologie mit den traditionellen Heilweisen der Schamanen aus dem Amazonas. Wichtigster Bestandteil der Therapie sind die Heilkräuter des Amazonas, darunter Tabak, Tagetes und Ayahuasca.

■ Patienten: 16 bis 18 Patienten leben gleichzeitig in Takiwasi. Die Patienten kommen aus Peru, Frankreich, Spanien, USA und lateinamerikanischen Ländern. Stationär werden in Takiwasi nur Männer behandelt, da das peruanische Gesetz die Geschlechtertrennung in derartigen Einrichtungen vorschreibt. An Seminaren und ambulanten Therapien können auch Frauen teilnehmen. Fast 1000 Patienten wurden bisher behandelt.

■ Therapie: Sie dauert neun Monate und kostet rund 10.000 US-Dollar. Häufigste Suchtstoffe der Patienten sind Kokainsulfat, Kokain und Marihuana. Europäer kommen meistens, um sich von ihrer Heroinabhängigkeit zu befreien. Behandelt wurden aber auch schon Glückspiel.

AUS Tarapoto ULRIKE FOKKEN

Zum Essen für seine Abschiedsfeier hatte sich Casey Bananen, Yucca und Salat gewünscht. Nun gibt es doch wieder nur Linsen, Reis, Huhn. Neun Monate und vier Tage hat er fast jeden Tag Linsen und Reis von dem Edelstahlteller mit seinem Namen in weißer Schrift gegessen. Auf einen Tag kommt es nicht an, sagt Casey.

Aber auf die Worte seiner Freunde in der Entziehungsklinik Takiwasi im peruanischen Amazonasgebiet kommt es an. An sie wird er denken, wenn er in den USA sein Leben mit 29 Jahren noch einmal beginnt. „Du bist gleichzeitig das Kunstwerk und der Künstler“, gibt ihm Enzo mit auf den Weg. Er entwirft aus dem Stehgreif Bilder, die so bunt klingen wie die Rufe der Vögel aus dem Wald des Amazonas. „Dein Leben hast du dir erschaffen“, sagt Enzo zu Casey und könnte dabei ebenso über sich selbst sprechen. Noch vor acht Monaten lebte Enzo in den Straßen von Lima. Sein Hirn und seine Seele zerstörte er sich da schon ein paar Jahre lang mit pasta básica, dem Kokainsulfat aus den Drogenküchen des Dschungels. Ein Schokoriegel großes Stück Kokainbasispaste kostet in Lima nicht mehr als fünf Soles, halb soviel wie ein günstiges Mittagessen.

Das Geld hat Enzo mit Klauen zusammengebracht, gelebt hat er im Müll. Er hat die pasta geraucht, die ähnlich wirksam ist wie Crack und deren beißender Geruch nach Chemikalien Enzo noch aus seinen Alpträumen in die Nase stieg, als er schon 1000 Kilometer nordöstlich von Lima im Centro Takiwasi lebte. Völlig verschmutzt, stinkend und irre sei Enzo nach Takiwasi gekommen, erzählt Casey draußen unter einem Baum auf dem weitläufigen Klinikgelände sitzen. Wochenlang habe Enzo in der Maloca, dem offenen Palmdachhaus, gesessen, zusammengekrümmt, die rechte Hand zur Faust geballt und in einer konstanten Bewegung habe er den Daumennagel an die Schneidezähne geschlagen. „So hat er das gemacht“ sagt Casey und schrumpft zu einem Häuflein in seinen schlotternden Shorts, die Knie angezogen, die Augen starr auf die Erde gerichtet.

„Tick“ nennen die jungen Männer in Takiwasi die unkontrollierten Bewegungen, die viele der 16 ehemaligen Drogenabhängigen in dem Zentrum auch nach dem Entzug behalten. Juan schlackert noch immer im Sitzen mit den Beinen, obwohl er schon vor vier Monaten von Takiwasi wieder nach Lima gezogen ist und nun nur noch alle paar Wochen zu den Ayahuasca-Zeremonien in den Dschungel kommt.

Klinikgründer Jacques Mabit, sein Frau Rosa Giove und die anderen acht Ärzte, Psychologen und Schamanen von Takiwasi essen heute zusammen mit den Patienten, denn es ist ein Fest, wenn einer der Männer den Entzug im Dschungel durchgestanden hat.

Rituale sind ein fester Bestandteil im täglichen Leben von Takiwasi. Die kleinen festlichen Momente gliedern die Therapie und markieren wie auf einer Initiationsreise die Schritte aus dem Unbewussten. Zum Beispiel dann, wenn ein neuer Patient nach den ersten zehn Tagen aus dem Einzelhaus der Entgiftung hinüber in die Gemeinschaft zieht und die anderen Patienten ihn mit Kuchen und Saft begrüßen. Den körperlichen Entzug von Kokain, Heroin, Marihuana, Alkohol oder eben pasta básica hat der Neuankömmling dann hinter sich. Tagelang hat er in dem Haus am Fluss bittere Extrakte aus Heilpflanzen wie Yawarpanga, Sauco, Amarilis, Tagetes oder Tabak aus einem bunten Plastikbecher und danach vier bis sechs Liter lauwarmes Wasser aus der orange Henkelkanne getrunken und alles hinaus gespuckt und sich in einem Riesenschwall dem Wald übergeben. Er hat seine Krämpfe und Schmerzen in der Sauna beruhigt und den ächzenden Körper in Blüten und duftenden Blättern gebadet.

Die Hälfte der Männer schafft den körperlichen Entzug, die anderen hauen schon aus der Entgiftungshütte nach ein paar Tagen wieder ab, sagt Jaime Torres. Er ist klinischer Psychologe, ausgebildeter Heiler in der Tradition der Amazonas Schamanen und leitet als Geschäftsführer die Klinik Takiwasi.

Die Patienten feiern deshalb die Männer, die aus dem Reinigungshaus am Fluss auf der anderen Seite des Gartens zu ihnen ziehen.

Klinikgründer Jacques Mabit spricht statt von Entzug daher lieber von „rehabilitación“, von der Wiederherstellung der Drogenabhängigen. „Wenn wir ihnen die Droge nehmen, entsteht eine Lücke“, sagt Mabit, der als französischer Arzt 1980 mit der Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen nach Peru kam. „Die Lücke müssen wir füllen.“

Mit den Methoden der Amazonasschamanen zeigt er den ehemaligen Drogennutzern die Wege, auf denen sie finden können, was sie in ihrem bisherigen Leben nicht gefunden haben. Mabit benutzt die Pflanzen des Waldes, um die Süchtigen zu heilen, wobei keine der psychotropischen Pflanzen wie Tabak, Azucena-Lilie, Coca oder Ayahuasca in seinem Arzneikoffer zu einer Ersatzdroge für seine Patienten wird, denn keine der Pflanzen macht körperlich oder psychisch abhängig.

„Diese Art der Medizin führt in Gefilde, die mit Wissenschaft nicht zu erklären sind“, sagt Psychologin Ilana Berlowitz

In den dichten Wäldern des Amazonas lässt sich nachvollziehen, was die Schamanen meinen, wenn sie sagen, dass sie ihre gesamte Heilkunst von den Bäumen, Lianen, Büschen lernen. Der Wald wirkt wie ein dampfender, malmender Superorganismus, der nach seiner eigenen Logik ständig neues Leben gebiert und altes, abgestorbenes verdaut. Unter den tausenden Pflanzen haben die Schamanen auch die Ayahuasca-Liane (Banisteriopsis caapi) und den Chacruna-Strauch (Psychotria viridis) gefunden, aus denen sie den psychoaktiven Ayahuasca-Trank brauen. Nur zusammengekocht verursachen die Alkaloide der Ayahuasca Liane und das Dimethyltriptamin aus den Blättern des Chacruna-Strauchs die Visionen, die Ayahuasca zum mythenumrankten Heiltrank der Amazonas-Schamanen machen.

Wegen der psychoaktiven Wirkung fällt Ayahuasca in Deutschland unter das Betäubungsmittelgesetz. In der Amazonasregion nutzen die Schamanen seit 5000 Jahren die heilenden Wirkungen von Ayahuasca für Krankheiten der Seele und des Körpers, die in der Weltsicht der Amazonasbewohner ein und dasselbe sind.

„Die Chacruna färbt die Visionen bunt“, Edgardo Tuanama. Aus dem Schatten heraus beobachtet er die vier Feuerstellen an der Kochhütte hinter dem Bürogebäude von Takiwasi. Seit vorgestern kocht er dort in 40 Liter fassenden schwarzen Töpfen der Ayahuasca. Aus 30 Litern Wasser, Blättern, Rinden und Gebeten kocht er in zwei Tagen zwei Liter Ayahuasca-Trank, den er abseiht und in leere Cola-Flaschen aus Plastik abfüllt.

Man darf nicht dichter als 20 Meter an das Feuer und die Töpfe herangehen, denn das könnte den Trank verunreinigen. Den Sessel aus Baustahl und blauen Plastikschnüren hat Edgardo mit der Lehne zu den Feuerstellen gestellt, damit man mit dem Rücken zu den Töpfen sitzt.

Edgardo Tuanama hat schon als Kind von seinen Onkeln und Großeltern gelernt, bis er mit 34 Jahren 2010 nach Takiwasi kam. Dort geht er nun in die Lehre bei Mabit, Torres und Ayahuasca.

Die Liane gilt den Heilern im Amazonas als die mächtigste Pflanze des Waldes und wird deshalb als „Meisterin der Meister“ verehrt. „Die Pflanze sagt mir, was ich zu tun habe“, sagt Tuanama. „Ayahuasca zeigt mir alles, wie ich räuchere, wie ich reinige.“ Er sagt, dass Ayahuasca sei „wie ein Lehrer, der Schamane ist wie ein Berater“. Aus einer Tasche seiner blauen Shorts holt er ein Mobiltelefon. José, der Gärtner, soll ihm helfen, den Ayahuasca-Trank aus den Bottichen abzugießen.

Mit Gesängen leiten die Schamanen die Teilnehmer einer Ayahuasca-Zeremonie durch Abgründe und über die schwindelerregenden Höhen des Visionären.

„Abhängige suchen unbewusst mit den Drogen eine Selbstinitiation, die durch den Drogenmissbrauch zur eigenen Selbstzerstörung führt“, sagt Jacques Mabit, zieht an einer Mapacho, einer fingerdicken Zigarette aus schwarzem Tabak und räuchert sein Büro. Sein Kopf sitzt tief zwischen den hochgezogenen Schultern und seine Augen glitzern aus weit zurückliegenden Augenhöhlen, was vermutlich daran liegt, dass er vor dem Gespräch noch Pflanzen eingenommen hat, wie seine Assistentin sagte und damit eine Verspätung von 20 Minuten erklärte. Die Pflanzen müssten erst wirken, bevor das Gespräch beginnen könne. Mit dem Tabakrauch schaffen Schamanen ein sauberes Raumklima und schützen sich und auch ihre Gäste vor schlechten Energien.

„Die Drogen führen zu einer Art Contra-Initiation“, sagt Mabit. Drei Ikonen hängen über seinem Schreibtisch, im Regal steht eine Flasche Agua de Florida in der Mitte. Schamanen versprühen die Flüssigkeit während der Heilsitzungen zwischen den Zähnen über die Teilnehmer.

Die Liane des Todes

■ Ayahuasca (Banisteriopsis caapi) ist eine Liane, die im Amazonasgebiet wächst. Aus der Rinde der Liane und den Blättern des Chacruna-Strauch (Psychotria viridis) kochen Schamanen für Heilzwecke den psychoaktiven Ayahuasca-Trank. Nur beide Pflanzen zusammen, wirken: Die Alkaloide der Ayahuasca Liane blockieren im Darm die dort natürlich vorkommenden Monoaminooxidasen (MAO), so dass das Dimethyltryptamin aus den Blättern der Chacruna die Blut-Hirn-Schranke überwinden und Visionen verursachen kann. In Deutschland fällt der Ayahuasca-Trank wegen der psychoaktiven Wirkung unter das Betäubungsmittelgesetz und ist verboten. In der Amazonasregion nutzen Schamanen seit 5000 Jahren die heilenden Wirkungen von Ayahuasca für Krankheiten der Seele und des Körpers, die in der Weltsicht der Amazonasbewohner ein und dasselbe sind.

Manchen Medizinern in Europa gilt Mabit als der Dr. Mabuse des Entzugs, verbindet er doch westliche Medizin mit schamanischer Heilkunst. In Frankreich brachte ihm das 2003 ein Verfahren wegen Sektenbildung ein. Zwei Jahre hat das französische Gericht ermittelt und den Fall dann 2005 eingestellt, sagt Mabit. Seine Arbeit entzieht sich den Erklärungen der westlichen Wissenschaft, was Wissenschaftler aus Europa und Amerika nicht daran hindert, Takiwasi und Mabits Heilweisen seit 20 Jahren zu untersuchen.

„Diese Art der Medizin führt in Gefilde, die mit Wissenschaft nicht zu erklären sind“, sagt Ilana Berlowitz, Psychologin der Universität Fribourg in der Schweiz. Im Auftrag des Schweizerischen Nationalfonds für Forschung untersucht sie die Erfolge und Grenzen des Drogenentzugs in Takiwasi. In den USA gibt es erste Versuche mit LSD-Therapien für Krebskranke und die Schweiz erforscht den Einsatz von Psilocibin aus Magic Mushrooms auch für den Drogenentzug. „Mein ganzes Weltbild musste ich in Takiwasi über den Haufen werfen“ sagt Berlowitz.

„Die einzige Art es zu verstehen, ist, es zu lernen“, sagt Mabit. Vor bald 30 Jahren haben mehrere Schamanen der Gegend um Tarapoto ihn aufgefordert, sich um die zunehmende Zahl von Drogenabhängigen in der abgelegenen Amazonasregion im Norden Perus zu kümmern, erzählt Mabit. Damals, in den 1980er Jahren, drohte eine Zeit lang die kolumbianische Kokainmafia die Region in den Griff zu bekommen. Die Bauern pflanzten statt Mais und Maniok lieber Coca-Sträuche, lernten auch aus den Coca-Blättern die Kokainpaste herzustellen, die ihnen die Kolumbianer für viel Geld abkauften. Doch ein Teil der pasta básica blieb in der Gegend und vergiftete die Jungen.

Die US-Antidrogeneinheit DEA spritzte Entlaubungsmittel aus Flugzeugen, erschoss Drogenkuriere aus der Luft und bezahlte schließlich peruanische NGOs dafür, dass sie raus zu den Coca-Bauern gehen und sie davon überzeugen, lieber Kakao anzubauen. Zusammen mit einigen indigenen Stämmen und dem peruanischen Militär haben sie in den vergangenen 20 Jahren die Kokainmafia aus der Gegend um Tarapoto vertrieben. Die Mafia ist weiter gen Süden und in den Norden gezogen, so dass Peru heute wie damals der größte Produzent von Coca und Kokainbasispaste ist.

Die traditionellen Heilmethoden der Indígenas hat Mabit zuerst in den Anden rund um den Titicaca-See kennengelernt, wo er Anfang der 1980iger Jahre für Ärzte ohne Grenzen gearbeitet hatte. „Wir hatten kein Geld und haben deshalb die Menschen gefragt, wie sie heilen“, erzählt Mabit. Ein paar Jahre später, selbst auf der Suche nach Erkenntnis, ist er zu den Schamanen des Amazonas gekommen.

„Liane des Todes“ bedeutet Ayahuasca aus dem Quechua übersetzt, denn wer Ayahuasca trinkt, gelangt darüber in Visionen zu seinen Ahnen. Ayahuasca erleuchtet die dunklen Winkel der Seele und gewährt einen Blick auf das Verborgene. Kurz nur, denn die Bilder einer Ayahuasca-Vision laufen schnell. Angetrieben von der Rassel und von den Gesängen des Schamanen. Dämonen der Vergangenheit können auftauchen ebenso wie die guten Geister, die in die Zukunft führen.

Wer Ayahuasca trinkt, gelangt darüber in Visionen zu seinen Ahnen. Ayahuasca erleuchtet die dunklen Winkel der Seele

Die chemische Funktionsweise von Ayahuasca im Gehirn und im Körper ist bestens untersucht (siehe Kasten). Und dennoch lässt sich wissenschaftlich nicht erklären, was der Trank im Menschen bewirkt. Als ich an einer Ayahuasca-Zeremonie teilnehme, sehe ich die schönsten Farben, Muster, Vögel und Schmetterlinge, während meine Sitznachbarin gar keine Visionen hat, wie sie später sagt. Bei einer anderen Sitzung sehe ich in der stockfinsteren Maloca, wie eine Ratte über den Schoß eines kolumbianischen Psychologen springt und durch den Kreis der Sitzenden läuft. Auch ansonsten habe ich eine recht luzide Wahrnehmung, doch ist mir speiübel ebenso wie den meisten Takiwasi-Patienten, die sich in die bereitgestellten Eimer erbrechen.

Die Schamanen sagen, dass die körperliche Reinigung wichtiger ist als die Vision. „Der Brechreiz reißt die rationalen Schutzmechanismen ein“, sagt Psychologe Jaime Torres. „Durch die physische Befreiung sinken die Blockaden des Unbewussten und die Patienten haben einen Zugang zu dem Verborgenen.“

Dort im Dunkel des Unbewussten finden die früheren Drogennutzer die Anteile ihrer Persönlichkeit, die sie in ihrem neuen Leben ohne Drogen nutzen. Sie sehen sich in den Visionen in neuem Licht, sehen „all das Positive in mir“, wie es Fernando aus Lima beschreibt. Sie erleben Gefühle, die sie verdrängt haben.

Jorge, ein Bauernsohn aus der Gegend um Tarapoto, hat nach einer Ayahuasca-Sitzung zum ersten Mal in seinem Leben geweint, denn er hat gefühlt, welchen Schmerz er seinen Eltern mit seiner Sucht nach pasta básica zugefügt hat. „Auslöser einer Drogenkariere ist nicht die verführerische Potenz eines Rauschmittels, sondern die Störung der Persönlichkeit, die bereits in der Kindheit begonnen hat“, sagt der deutsche Psychotherapeut Frank Pfitzner, der von 2007 bis 2010 Jahre in Takiwasi gearbeitet hat und seine Doktorarbeit über die psychotherapeutisch-schamanische Heilweise geschrieben hat. „Wenn die Männer hier raus gehen, sind sie wie ein neues Haus“, sagt Jaime Torres. Gut die Hälfte der ehemaligen Patienten schaffe es, fortan ohne Drogen zu leben. Herkömmliche Kliniken rechnen mit Erfolgsraten von 15 bis 20 Prozent.

Fernando war im Alter von 28 schon drei Mal in einer Entziehungsklinik. Wenn er wieder draußen war, dauerte es nur wenige Monate bis er wieder dem Kokain erlag. Mit einem Beutel voller zwei-Gramm-Tütchen Kokain und unterschiedlichen Frauen hat er sich dann ein Wochenende lang in ein Hotelzimmer zurückgezogen. Wenn das Kokain alle und die Frauen gegangen waren, hat er noch Stunden lang in Depressionen gelegen. In Takiwasi verbringt Fernando so viel Zeit wie möglich in den kleinen Hütten im Dschungel. Ein Holzgestell mit Matratze, ein Moskitonetz, darüber ein Palmendach und drum herum der Wald. „Dietas“ heißt der Rückzug in die Klausur des Urwalds, denn elf Tage lang bekommen die Teilnehmer nur Extrakte aus Heilpflanzen und ein wenig salz- und fettloses Gemüse zu essen. In der Diät können die Pflanzen wirken. „Da kommen die Erinnerungen des Herzens“, sagt Fernando, der die Diäten in Lima am meisten vermissen wird. Wie er mit den „memorias del corazón“ lebt, wenn er in drei Wochen wieder in Lima ist, weiß er noch nicht. „In neun Monaten habe ich in Takiwasi meinem Leben eine andere Richtung gegeben“, sagt Fernando. „Heilen werde ich mich während meines ganzen Lebens.“