piwik no script img

Nachberichte

Hallenser Hausprojekt „Will ich's oder will ich's nicht?“

In Halle ist die Zukunft des linken Hausprojektes „HaSi“ ungewiss. Was soll damit passieren?

Aktivisten sitzen vor einem Haus in Mainz. Sie hatten die leerstehende alte Villa besetzt Bild: dpa

von ANN-KATHRIN LIEDTKE

Im Januar 2016 besetzten linke AktivistInnen in Halle das Haus Nummer 7 in der Hafenstraße. Ihr Ziel: ein soziokulturelles Zentrum mit Lesecafé, einer Werkstatt, einem Theater und vielen Projekten im Garten des Hauses. Anfangs lief alles gut: die Hallesche Wohnungsgesellschaft (HWG) gab den BesetzerInnen einen Nutzungsvertrag, befristet bis zum 30. September 2017.

Nun läuft der Vertrag aus, die Zukunft ist ungewiss. „Was ist schief gegangen?“, fragt Erik Peter von der taz daher in der Goldenen Rose in Halle. Zusammen mit Jan Feddersen, Projektleiter von taz.meinland, moderierte er den Diskussionsabend, an dem über die Zukunft des Hausprojektes gesprochen werden sollte.

Anna Schubert und Fabian Tschiwinsky sind stellvertretend für Capuze e.V. gekommen. Erklären können sie sich nicht, warum dem Projekt nun das Aus droht. „Wir wollten von Anfang an einfach soziokulturelle Arbeit machen“, erzählt Tschiwinsky. „Unsere Idee war es, das Haus für Leute, die unkommerziell und frei sind, zu öffnen. Ein Quartalsbericht zeigt, was wir alles in dem Haus gemacht haben. Das würden wir gerne weitermachen.“

„Boa! Das ist bunt hier!“

Im ältesten Gasthaus der Stadt drängen sich rund 100 Menschen um den heutigen runden Tisch. Die meisten stehend, denn die Goldene Rose ist voll. Neben Schubert und Tschiwinsky diskutierten Petra Sitte, Bundestagsabgeordnete für die Linken, Christian Feigl, Bündnis 90/Die Grünen, Regina Schöps, MitBÜRGER für Halle, und Mark Westhusen, Geschäftsführer des Radiosenders Corax. Oberbürgermeister Dr. Bernd Wiegand sagte seine Teilnahme an der Veranstaltung kurzfristig ab.

Was ist das Problem mit der HaSi? Vor allem AnwohnerInnen, so kristallisiert sich während der Diskussion schnell heraus, scheinen sich an dem Projekt zu stören. Zwei unterschiedliche Lebensmodelle, die aufeinander prallen. Auf der einen Seite der Hafenstraße ein buntes, linkes Zentrum mit vielen jungen Leuten, auf der anderen Seite die kommerziellere Seite Halles: Eigentumswohnungen, Ordnung, Struktur – ein durch saniertes Viertel.

Petra Sitte, parlamentarische Geschäftsführerin der Linken, wohnt in der Nähe der Hafenstraße und hat den Unmut mancher Hallenser selbst mit angehört. „In meinem Haus wohnt ein Schlosser, der sagt: 'Frau Sitte, das sieht jetzt aber unordentlich aus'“, erzählt sie. Wo vorher blanke Wände waren, gibt es nun Graffitis. „Für meinen Teil kann ich sagen: Icke, wenn ich da um die Ecke gekommen bin, da hab ich gesagt: Boa! Das ist bunt hier!“

Die Stadt sei jedoch eben nicht „homogen bunt-links“, wie Feigl vom Bündins 90/Die Grünen festhält. „Es gibt auch Menschen, die es nicht so lustig finden, dass ein Haus besetzt wird. Dass sich ein Projekt entwickelt, das auch Lärmbeeinträchtigungen mit sich zieht. Das sind Gegensätze, Milieu-Unterschiede. Kritiker dieses Projektes können sich nicht vorstellen, dass man so leben und sich bewegen kann.“ Man müsse mit allen Leuten reden, ihre Sorgen und Beunruhigungen ernst nehmen.

Vor vollendete Tatsachen gestellt

„Wie geht ihr auf diese Leute zu? Was tut ihr, um zu vermitteln?“, fragt Moderator Feddersen die VertreterInnen der HaSi.

„Wir laden die Nachbarschaft ein vorbeizukommen, verteilen Flyer und werben auf Social Media“, sagt Schubert und bleibt unkonkret. Tschiwinsky versucht ihre Arbeit genauer zu beschreiben: „Wir sind uns des Problems durchaus bewusst. Wir haben die NachbarInnen vor vollendete Tatsachen gestellt, das haben sie und auch gesagt.“ Mittlerweile trauen sich die AnwohnerInnen jedoch immer öfter auf das Gelände. Gerade ein Nachbarschaftscafé helfe dabei zu zeigen, dass bei der HaSi auch nur „normale Menschen“ arbeiten. Allerdings: „Es gibt auch Leute, die nicht redebereit sind. Die haben ein prinzipielles Problem mit dem Projekt. Wir wissen nicht was wir mit denen machen können, die gar nicht mit uns reden wollen.“

Ein weiteres Problem sei die lokale Berichterstattung der „Mitteldeutschen Zeitung“ erklärt Westhusen vom Radiosender Corax: „In den Artikeln wird klar, dass man rechtspopulistischen Trollen nach dem Mund redet. Das ist sehr einseitige Berichterstattung und es wurden sogar schon Falschmeldungen verbreitet.“

Was kann HaSi retten?

Ungünstige Berichterstattung, unzufriedene NachbarInnen, ein auslaufender Vertrag: Was können die AktivistInnen tun, um ihr Projekt doch noch zu retten? Ein Mann aus dem Publikum hätte einen Vorschlag: „Ihr habt vergessen mit der Gewerkschaft zu sprechen. Ich bin bei Verdi und kann nur sagen: Redet mit uns! Ich war selbst immer in linken Projekten aktiv und bin euch durchaus positiv gesinnt.“ Eine Mail, verteidigt sich Tschiwinsky, hätten sie geschrieben, aber keine Antwort bekommen. Um tatsächlich etwas zu erreichen, müsse man jedoch mehr als eine Mail schreiben, geben gleich mehrere RednerInnen zu bedenken.

Denn so sicher wie die Mitarbeitenden der HaSi – dass das Hausprojekt bestehen bleiben kann – sind sich nicht alle. „Es tut mir leid, dass ich diesen Optimismus nicht teile. Ich hab nicht so wahnsinnig viel Hoffnung, dass es gut aus geht“, sagt Feigl. „Wir können so tun als ob wir in einer Blase wären, aber man muss sehen, dass es eventuell nicht klappen wird.“

Schöps ist zuversichtlicher: „Im HaSi ist ein Projekt ein Jahr lang gewachsen und hat sich gut entwickelt. Ich finde dass die Stadt, nachdem sie das ein Jahr lang ermöglicht hat, nun auch eine Verantwortung dafür übernehmen muss und wird.“

„Was ich an Halle nicht verstehe“, schließt Sitte an. „Die Stadt kriegt Engagement geschenkt und schlägt es aus. Die HaSi wird zur politischen Grundsatzentscheidung: Will ich's oder will ich's nicht?“

Zukunft: ungewiss

Über den Ausgang der Vertragsverlängerung sollte der Aufsichtsrat bereits entscheiden. Doch die Sitzung wurde bisher vertragt. Jetzt heißt es abwarten. „Es ist auch noch nicht geklärt, ob der Aufsichtsrat dafür überhaupt zuständig ist“, erzählt Feigl, der selbst Mitglied des Rates ist. „Ich bin persönlich der Meinung, dass die Entscheidung nicht von ihm getroffen werden darf.“

Tschiwinsky fasst zusammen: „Alle haben heute gehört wie kritisch die Situation ist. Wir brauchen jetzt die Solidarität der Stadt.“

Der Abend zeigte einerseits, dass die HaSi von vielen Seiten in der Stadt Zuspruch erhält – doch auch, dass die MacherInnen des Projektes noch viel mehr Zeit und Arbeit investieren müssen, um für ein Fortbestehen zu sorgen. Solidarität wird nicht das einzige sein, was die HaSi benötigt.