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Aus der zeozwei

Das Versagen der Kirchen Beten allein hilft nicht

Der Klima-Ökonom und Theologe Ottmar Edenhofer kritisiert das fehlende Engagement der christlichen Kirchen für den Klimaschutz

„Es geht nicht nur darum, ob in der Gemeinde Fahrräder genutzt werden“ – Ottmar Edenhofer Bild: Anja Weber

zeozwei: Herr Edenhofer, müssen Christen Umweltschützer sein?

Ottmar Edenhofer: Ja. Aus christlicher Sicht ist es wichtig, wie wir leben. Da ist es nicht gleichgültig, ob die Erde aus Gier zerstört oder mit Umsicht für die kommenden Generationen bewahrt wird.

Aber wenn Gott ohnehin alles lenkt, ist es vielleicht sein Wille, dass der Mensch die Erde zerstört.

Das ist ein Argument von konservativen Christen: Klima- und Umweltschutz ist nicht so wichtig, denn Gott allein weiß, wann das Ende der Welt kommt, da darf man ihm nicht ins Handwerk pfuschen. Das ist aber theologisch vollkommen verkehrt. Wir leben im Angesicht des Todes, unsere Taten haben darum den Charakter der Endgültigkeit. Wir können unser Leben nicht wiederholen. Daher soll der Christ so leben, dass er vor sich, seinen Mitmenschen und Gott bestehen kann.

Sind ökologische Sünden also auch Sünden im theologischen Sinn?

Wenn der Mensch den Planeten zerstört, heißt das aus theologischer Perspektive, dass er die Beziehung zu sich selbst, die Beziehung zu seinen Mitmenschen und sein Verhältnis zu Gott zerstört und gerade darum die Vollendung der Welt verhindert. Gott will ja die Welt nicht zerstören, sondern vollenden. Es fällt uns Menschen oft sehr schwer anzuerkennen, wenn wir zerstörerisch handeln. Aus diesem Kreislauf kann der Mensch nur ausbrechen, wenn er sich mit sich selbst, mit seinen Mitmenschen und mit Gott versöhnt. Der christliche Glaube ist nichts anderes als ein Angebot zu dieser Versöhnung. Und genau darum geht es bei der Bewahrung der Schöpfung: den Kreislauf der Zerstörung unterbrechen.

Verwirklichen die Kirchen in Deutschland ihren Anspruch, die Schöpfung zu bewahren?

Nein, höchstens in Einzelfällen. Wenn man den Anspruch nimmt, den die Enzyklika „Laudato si’“ von Papst Franziskus formuliert, bleiben die Kirchen in ihrem Alltag weit dahinter zurück. Im Alltagsbewusstsein der Gemeinden und in der Ausbildung der Priester sind diese Themen noch wenig präsent. Zwar wächst in vielen Gemeinden das Interesse, aber die globale Perspektive ist vielen neu. Dass wir unseren Kindern und den Menschen in den Entwicklungsländern Schaden zufügen, wenn wir Auto fahren, heizen oder das Licht einschalten, das ist schwer zu verstehen und schwer zu akzeptieren. Sicher, es gibt zaghafte Versuche, es gibt Umweltbeauftragte und Effi­zienz­progamme und ab und zu einen Vorstoß für ethisches Investment. Und meine Kollegen und ich werden von vielen Pfarrern eingeladen, über den Klimawandel zu reden.

Viele Gemeinden haben inzwischen zum Beispiel eine Solaranlage.

Das ist ein Anfang. Aber es geht nicht nur darum, ob in der Gemeinde Fahrräder genutzt werden oder Ökostrom bezogen wird. Es müssten auch Perspektiven für die kirchliche Lobbyarbeit entstehen, etwa der Einsatz für eine ökosoziale Steuerreform. In der sozialen Frage haben die Kirchen in den 50er und 60er Jahren des letzten Jahrhunderts Reformoptionen im Kapitalismus formuliert: bei den Debatten über die Mitbestimmung im Unternehmen, die Vermögensbildung in Arbeitnehmerhand, über die Rentenreform, da waren die Kirchen sehr aktiv beteiligt. Es wäre gut und sehr wichtig, wenn es eine ähnliche Stimme der Kirchen auch bei Klima, Umwelt und dem ökosozialen Umbau der Industriegesellschaft gäbe. Aber das Klimathema wird als ein Thema der grünen Bewegung wahrgenommen. Das Verhältnis zwischen der katholischen Kirche zur grünen Bewegung ist belastet: Die Positionen zu Familie, Frauenrechten, Abtreibung, Emanzipation, Sexualität unterscheiden sich grundsätzlich. Viele konservative Christen haben den Eindruck, das Öko-Thema sei ein trojanisches Pferd, um die Haltung der Kirchen zu diesen Themen zu verändern.

Ist das Umweltthema für die Kirchen etwa zu links?

Klima und Umwelt sind keine ausschließlich linken Themen. Die grüne Bewegung speist sich einerseits aus konservativen Quellen, aber auch aus emanzipatorischen Quellen. Das emanzipatorische Ethos ist von der Kirche zunächst scharf abgelehnt und nur in Teilen und nur sehr zaghaft bejaht worden. Aber die Bewahrung der Schöpfung hat auch konservativ-romantische Wurzeln. Schon in den achtziger Jahren, lange vor dem Reaktorunglück in Tschernobyl, hat etwa der konservative Kölner Kardinal Joseph Höffner die Atomkraft massiv kritisiert. Der potenzielle Schaden war ihm zu groß. Auch konservative Kreise haben gesagt, man solle das Vorsorgeprinzip anwenden und der Mensch solle sich vor der Hybris hüten, sich alles zuzutrauen.

Weshalb fällt es den Gläubigen so schwer, die Bewahrung der Schöpfung ernst zu nehmen?

Die klassischen kirchlichen Milieus verschwinden. Und je enger und kleiner das Milieu wird, desto größer ist die Gefahr des Fundamentalismus. Fundamen­talistische Christen suchen Identität, Heimat, klare Strukturen und Regeln – für die Auseinandersetzung mit globalen Fragen ist da wenig Platz. Es war immer eine umstrittene Frage in den Kirchen, ob es wichtiger ist, fromm zu sein oder politisch aktiv.

Also, sollte man nun lieber ­beten oder lieber demonstrieren?

Ohne politisches Engagement bleiben Gebet und Meditation wirkungslos. Ohne Meditation und Gebet besteht die Gefahr, dass man sich im Aktionismus verliert und sich selbst fremd wird. Die Frage, wie man beides verbinden kann, hat über die Jahrhunderte viele christliche Autoren beschäftigt, so hat der Gründer des Jesuitenordens gesagt, man solle Gott in allen Dingen finden. Er hat in seinem Orden sogar die Zeiten für das Gebet auf eine Stunde pro Tag beschränkt, damit Zeit für die Arbeit bleibt, die auch den politischen Einsatz umfasst. Diese große Tradition scheint vielen fremd geworden zu sein.

Da hat die Bewahrung der Schöpfung keine Priorität?

Sie tritt bislang meist in den Hintergrund. Dabei werden die Kirchen gerade durch den Rechtspopulismus herausgefordert. Die Rechtspopulisten würden das Christentum ja gern vereinnahmen, weil diese sich gern als Retter des „christlichen“ Abendlandes aufspielen, in dem Muslime, Flüchtlinge aus Syrien oder Mali keinen Platz haben sollen. Aber gerade Christen sind von der fundamentalen Gleichheit der Menschen überzeugt. In theologischer Sprache: Jeder Mensch ist das Ebenbild Gottes, und darum darf niemand diskriminiert, ausgeschlossen, gefoltert oder zum Tod verurteilt werden. Menschen, die auf der Flucht sind, verdienen Unterstützung. Daher engagieren sich die Kirchen für Flüchtlinge.

Aber warum sollen sie sich dann auch noch um die Umwelt kümmern?

Hier kommt der Klimawandel ins Spiel. Der Klimawandel verschärft das Wohlstandsgefälle zwischen Afrika und Europa, und es werden auch in Zukunft Menschen nach Europa fliehen. Darum hat der Papst mit „Laudato si’“ den Zusammenhang von Klimawandel, Ungleichheit und Armut ins Zentrum der Debatte gerückt. Er war sehr schnell in Lampedusa persönlich vor Ort, er macht sich für Armutsbekämpfung und Klimaschutz stark. Angesichts dieser Herausforderung, so der Papst, müssen sich die Christen und muss sich die kirchliche Soziallehre bewähren. Aber seine Agenda hat in Europa und in den USA noch keine wirklichen Wurzeln geschlagen.

Und warum nicht?

Der Anspruch der kirchlichen Soziallehre, die Politik aus ihrem Geist zu formen, ist aus den Kirchen in Europa und Nordamerika so gut wie verschwunden. Vielen Katholiken in den USA ist auch der Papst fremd. Ich war vor Kurzem in Polen. Dort fällt es vielen unglaublich schwer, einen Zugang zu „Laudato si’“ zu finden.

Wieso das?

Die sind traditionell stark mit der Kohle verbunden, welche der Papst als problematisch bezeichnet. Und die Kirchen werden in der Öffentlichkeit kaum mehr gehört, die Gläubigen laufen davon. Wenn Kirchen unter Druck geraten, setzt ein institutioneller Narzissmus ein: Man kümmert sich um die eigenen Institutionen und hat weniger Interesse für das, was draußen los ist.

Interview: BERNHARD PÖTTER

Das ganze Interview lesen Sie jetzt in der neuen zeozwei „Kirche gegen Schöpfung“.

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