Deutsche Unterstützung für die Ukraine: Vorkehrungen für den Worst Case

Was tun, wenn die USA ihre Militärhilfe für die Ukraine beenden? Nach dem Besuch von Scholz in den USA gewinnt die Diskussion darüber an Fahrt.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) läuft mit einer Gruppe von Mitarbeitern und ernstem Gesicht dem Betrachtert entgegen, im Hintergrund ist das Weiße Haus zu sehen.

Besorgt um die Ukraine: Scholz am Freitag in Washington Foto: Michael Kappeler/dpa

BERLIN taz | Solches Lob vom Oppositionschef ist selten. „Es war wichtig zu hören, dass US-Präsident Biden und Bundeskanzler Scholz sich so deutlich zur Unterstützung der Ukraine geäußert haben“, gab Friedrich Merz in der Bild am Sonntag zu Protokoll. „Auch für Europas Freiheit und Sicherheit ist es überlebenswichtig, dass die von Russland angegriffene Ukraine weiterhin mit Ausrüstung, Waffen und Geld unterstützt wird“, ergänzte der CDU-CSU-Fraktionschef. Das sehen viele in Deutschland so.

Am Samstagmorgen war Scholz von seinem Besuch in Washington nach Berlin zurückgekehrt. Er hatte dort US-Präsident Joe Biden und führende Mitglieder des US-Kongresses getroffen und sich für eine weitere Militärhilfe für die Ukraine stark gemacht. Seit Monaten blockieren die Republikaner die Bemühungen von Biden, neue Milliardenhilfen für Kiew durch den Kongress zu bringen. Nach seinem Gespräch im Weißen Haus mahnte Scholz: „Wir sollten nicht drum herumreden: Für die Frage, ob die Ukraine in der Lage sein wird, das eigene Land zu verteidigen, ist die Unterstützung aus den Vereinigten Staaten unverzichtbar.“

Doch in Deutschland macht man sich schon Gedanken, wie man auf den Worst Case reagiert: auf ein Ende der US-Hilfe und, schlimmer noch, einen erneuten Wahlsieg von Donald Trump bei den US-Präsidentschaftswahlen im November. Der würde nicht nur Geld und Waffen für die Ukraine stoppen, sondern möglicherweise sogar die NATO aufkündigen und einen krummen Deal mit Putin eingehen.

Die Blockade der Ukraine-Hilfen im US-Kongress mache klar, dass „wir in Europa umso mehr gefragt sind, für unsere eigene Sicherheit zu sorgen“, sagt der Grünen-Politiker Anton Hofreiter. „Wir müssen jetzt schnell deutlich mehr investieren, um die Ukraine mit ausreichend Waffen und Munition auszustatten und selbst abwehrbereit zu werden“, so der Vorsitzende des Europaausschusses im Bundestag. Die Schuldenbremse sei mit Blick auf den Ukraine-Krieg deshalb ein „Sicherheitsrisiko“, zitierten ihn am Sonntag die Zeitungen der Funke Mediengruppe.

Munition im Ausland kaufen?

Der SPD-Politiker Michael Roth sagte der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung, die Hilfszusagen aus der EU würden „kaum ausreichen“, falls die USA „komplett ausfallen“ sollten. Deshalb müsse erwogen werden, „Munitionskäufe in den USA und in anderen Nicht-EU-Ländern zu finanzieren“, so der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses des Bundestags.

Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg ruft mit Blick auf den Ukraine-Krieg unterdessen dazu auf, die Rüstungsproduktion in Europa hochzufahren. Europa müsse sich für eine „möglicherweise jahrzehntelange Konfrontation“ mit Russland wappnen, sagte er der Welt am Sonntag. „Weil Russland seine gesamte Wirtschaft auf Krieg ausrichtet, müssen wir auch mehr für unsere Sicherheit tun“, so Stoltenberg.

Das Ziel müsse sein, die deutschen Streitkräfte in fünf Jahren „kriegstüchtig“ zu machen, sagt auch der Generalinspekteur der Bundeswehr, Carsten Breuer. „Das heißt nicht, dass es dann Krieg geben wird. Aber er ist möglich“, zitiert ihn die Welt am Sonntag. Zugleich räumte Breuer ein, dass die Bundeswehr der Nato einige zugesagte Fähigkeiten erst später als geplant zur Verfügung stellen könne.

Scholz legt Grundstein für Munitionsfabrik

Die USA und Deutschland sind die mit Abstand wichtigsten Waffenlieferanten für die Ukraine bei deren Abwehrkampf gegen Russland. Scholz beziffert den Wert der von Deutschland gelieferten und zugesagten Rüstungsgüter auf mehr als 30 Milliarden Euro. Die USA geben den Umfang ihrer Militärhilfe mit 44 Milliarden US-Dollar (rund 41 Milliarden Euro) an.

Seit Jahresanfang versucht der Kanzler seine EU-Partner davon zu überzeugen, mehr für die Ukraine zu tun – vor allem die wirtschaftsstarken Länder Frankreich, Spanien und Italien. Bisher mit mäßigem Erfolg.

Am Montag legt Scholz in Unterlüß in Niedersachsen zusammen mit der dänischen Ministerpräsidentin Mette Frederiksen den Grundstein für den Bau eines neuen Munitionswerks des Rüstungskonzerns Rheinmetall. Dort sollen künftig pro Jahr 200.000 Schuss Artilleriemunition sowie Sprengstoff und Raketenmotoren hergestellt werden – für die Bundeswehr und die Nato-Partner, aber auch für die Ukraine.

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