Berliner Diesel-Gipfel: Autoindustrie kommt billig davon

Bei rund 5 Millionen Autos wollen Hersteller mit neuer Software die Emissionen mindern. Die Umweltverbände überzeugt das Gipfelresultat gar nicht.

Eine Frau hält ein Plakat hoch

Saubere Luft jetzt! Wohl eher nicht Foto: reuters

BERLIN taz | Die deutschen Autohersteller werden insgesamt 5,3 Millionen Dieselfahrzeuge mit neuer Software ausstatten, um die giftigen Stickoxid-Emissionen zu mindern. Das gab Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) als zentrales Ergebnis des Dieselgipfels bekannt, zu dem am Mittwoch Automobilindustrie und Politik in Berlin zusammengekommen waren. Durch Software-Updates werde erreicht, dass Fahrzeuge „sofort wirksam weniger NOx ausstoßen“, sagte Dobrindt.

Für die Fahrzeugbesitzer soll das Update kostenlos sein. ­Motorleistung, Verbrauch und Lebensdauer würden darunter nicht leiden, erklärte der ­Verband der Automobilindustrie.

Mit gut fünf Millionen nachzurüstenden Fahrzeugen ist die Zahl geringer, als im Vorfeld erwartet worden war. Insgesamt gibt es in Deutschland gut zwölf Millionen Diesel-Pkws, davon erfüllen rund neun Millionen die Abgasnorm Euro 5 oder 6, die für die Nachrüstung infrage kommen. Zudem war der überwiegende Teil dieser Nachrüstungen schon vorher bekannt: Allein Volkswagen muss wegen der Abgasaffäre in Deutschland rund 2,5 Millionen Fahrzeuge nachbessern; Daimler hatte kürzlich angekündigt, europaweit 3 Millionen Diesel-Pkws nachzubessern, davon 1 Million in Deutschland.

Mit diesem Ergebnis hat sich die Automobilindustrie weitgehend durchgesetzt. Sie setzt zur Abgasminderung auf Software-Updates, weil diese Maßnahme mit rund 150 Euro pro umzurüstendem Fahrzeug sehr günstig ist. Dobrindt hatte diesen Kurs unterstützt. Allerdings ist die Wirksamkeit der Maßnahme begrenzt.

„Reine Software-Lösungen reichen bei den meisten Modellen nicht aus, damit die Autos die Stickoxid-Grenzen einhalten“, meint Gerd Lottsiepen vom ökologischen Verkehrsclub Deutschland (VCD) – und ist sich dabei ausnahmsweise mal einig mit dem ADAC. Durch neue Software sinke der Schadstoffausstoß an den betroffenen Autos nur um 20 bis 25 Prozent, sagte ADAC-Technikchef Reinhard Kolke. „Das löst das Problem nicht.“

Prämien für die Entsorgung des alten Dieselautos

Ebenso wie Umweltverbände und ADAC hatte Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD) darum zunächst Änderungen am Motor selbst gefordert, die weitaus wirksamer, aber auch erheblich teurer sind. Mit dieser Forderung konnte sie sich aber nicht durchsetzen. Nach Abschluss des Gipfels bezeichnete sie die Software-Updates als „ersten wichtigen Schritt“, der aber noch nicht ausreiche, um die EU-Grenzwerte einzuhalten. „Es besteht noch eine Lücke, die geschlossen werden muss“, sagte Hendricks. „Dar­über werden wir uns weiter Gedanken machen müssen.“

In der Abschluss-Erklärung werden die Hersteller lediglich aufgefordert, Konzepte für eine weitergehende Umrüstung am Motor selbst zu entwickeln. Doch selbst das lehnte die Branche schlichtweg ab: „Wir halten es im Grunde genommen für ausgeschlossen, Hardware-Nachrüstungen vorzunehmen“, sagte VW-Chef Matthias Müller nach dem Gipfel unter zustimmendem Nicken seiner Kollegen von BMW und Daimler.

Neben der Software-Nachrüstung wollen die Autobauer „eigenfinanzierte Anreize“ schaffen, um die Flottenerneuerung zu fördern und ältere Dieselfahrzeuge vom Markt zu bringen“, sagte Dobrindt. BMW etwa kündigte eine zusätzliche Prämie von bis zu 2.000 Euro an, wenn ein alter Diesel durch eine saubere Variante oder ein Elektrofahrzeug ersetzt wird.

Zudem ist ein neuer Fonds in Höhe von 500 Millionen Euro geplant, aus dem die 28 Kommunen mit besonders hohen NOx-Werten unterstützt werden sollen, etwa bei der „Digitalisierung“ und „Verflüssigung des Verkehrs“, wie Dobrindt sagte. Zudem soll es mehr Geld für die Förderung des Radverkehrs und der Umstellung von Bussen, Taxen und städtischen Fahrzeugen auf Elektrofahrzeuge geben.

„Placebo-Maßnahmen“

Oppositionspolitiker reagierten mit scharfer Kritik auf die Pläne des Gipfels. „Millionen Autofahrer bekommen noch mal vor Augen geführt, dass der Betrug an ihnen wie ein Kavaliersdelikt behandelt wird“, erklärte der Linken-Vorsitzende Bernd Riexinger. Grünen-Fraktionsvize Oliver Krischer kritisierte, der Gipfel versuche, „mit Placebo-Maßnahmen den Diesel zu retten“.

Auch die Umweltverbände, die zunächst vor dem Verkehrsministerium und nach der kurzfristigen Verlegung dann vor dem Innenministerium für strenge Abgasregeln demonstriert hatten, reagierten entsetzt auf die Ergebnisse. „Mit der Entscheidung für reine Software-Updates, die nicht einmal verpflichtend sind, werden Fahrverbote unausweichlich“, erklärte der BUND-Vorsitzende Hubert Weiger. Auch Greenpeace kritisierte die Ergebnisse scharf: „Statt Millionen Menschen vor Dieselabgasen zu schützen, legt die Bundesregierung heute einen sterbenden Motor unters Sauerstoffzelt“, sagte Verkehrsexperte Benjamin Stephan. „Saubere Diesel sind den Konzernen zu teuer, und die Politik lässt ihnen das durchgehen.“

Auch an der Börse wurden die ersten Nachrichten über die Gipfel-Ergebnisse als Sieg der Auto-Industrie gewertet: Die Aktien der großen Autobauer drehten am Mittwochnachmittag ins Plus. BMW, Daimler und VW gewannen bis zu 7 Prozent. Weniger überzeugt von der Zukunft des Diesels sind hingegen die Kunden: Die Zahl der Diesel-Neuzulassungen sank im Juli um 13 Prozent.

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