Kommentar Gefahrengebiet-Urteil: Grüne, so geht es wohl nicht
Verdachtsunabhängige Kontrollen im Gefahrengebiet sind unverhältnismäßig, sagt das Gericht. Hamburg sollte auf diese Einschüchterung verzichten.
Die Einrichtung großflächiger „Gefahrengebiete“ in Hamburg verstößt gegen das Grundgesetz. Die Möglichkeit, dort verdachtsunabhängige Kontrollen durchzuführen, ist unverhältnismäßig. Das erklärte jetzt das Oberverwaltungsgericht Hamburg in begrüßenswerter Deutlichkeit.
Allerdings ist die entsprechende Rechtsgrundlage im Hamburger Polizeigesetz weiter in Kraft. Denn die Aussagen zur Verfassungswidrigkeit der Gefahrengebiete waren nur „nicht entscheidungserhebliche“ Nebenbemerkungen. Die Hamburger Richter stützten ihr Urteil letztlich auf andere Argumente.
Auf den ersten Blick wirkt die Hamburger Entscheidung etwas halbherzig. Taktisch war das Vorgehen der Hamburger Richter allerdings ziemlich geschickt. Denn sie selbst können die Verfassungswidrigkeit gar nicht feststellen. Sie hätten also erst das Bundesverfassungsgericht oder das Hamburgische Verfassungsgericht fragen müssen – und bis zur Antwort hätte es Monate oder (in Karlsruhe) Jahre gedauert.
So haben die Hamburger Richter umgehend erklärt, wo es langgehen soll. Und sie haben die Hamburger Politik sofort entsprechend unter Druck gesetzt. Immerhin heißt es im rot-grünen Koalitionsvertrag ausdrücklich, die neue Hamburger Mehrheit wolle „vor dem Hintergrund der Rechtsprechung“ prüfen, „ob und wenn ja welcher Anpassungsbedarf“ für die Regelung der Gefahrengebiete besteht.
Weil verdachtsunabhängige Kontrollen im Rechtsstaat immer problematisch sind, sollte der Senat ganz auf dieses Einschüchterungsinstrument verzichten. Es reicht nicht, mögliche Anlässe und zeitliche Grenzen für die Einrichtung für Gefahrengebiete zu nennen. Die Grünen können nun zeigen, dass es etwas ändert, wenn sie in der Stadtregierung vertreten sind.
Leser*innenkommentare
Andreas_2020
Die werden auf solche Instrumente nicht verzichten, weil die Innenbehörde sie richtig findet. Das ist das Problem. Die SPD hat einen Drang zum Polizeistaat und Neumann hat hinter diesem Unfug gestanden. Das würde er wieder tun, weil ihm auch die rechtsstaatliche, demokratische Orientierung fehlt.
Die Innenbehörde glaubt doch inzwischen ihre eigenen Märchen von der linken Gefahr, von der linken Bedrohung, von der extremen Gewaltorientierung in der Schanze, die es (so) nicht gibt.
Auch das Gefahrengebiet war ein Hirngespinst aus Polizei(und Spitzel-)kreisen. Die wollten diese Gefahrenlage so haben - sie haben sie m.M. selber fabriziert. Und sie werkeln wahrscheinlich weiter dran, weil sie eben nicht von irgendjemanden kontrolliert geschweige denn diszipliniert werden.
Das zeigt alleine schon die Bilanz dieser Megaaktion: Keine Verurteilungen, keine Bomben, Waffen, Pistolen und dann keine Knaststrafen - Nix.
Und in welcher anderen europäischen Stadt findet so ein Quatsch, so ein Eingriff in die Privatsphäre von Bürgern denn statt? Wo lügt der Staat über mehrere Hunderttausende Menschen so schamlos?
KarlM
Leider haben alle Parteien einen Hang zum Polizeistaat, wenn man denen Narrenfreiheit lässt!
Auch ein "Grüner" ist nur dann richtig glücklich, wenn er anderen etwas verbieten kann.
Rainer B.
Das können die Grünen doch jetzt in der Stadtregierung gar nicht mehr tun, denn dann ist ihr schönes Koalitionskleid ja gleich wieder versifft. Das müssen schon Leute machen, die noch bei klarem Verstand sind und ihre Seele noch nicht verkauft haben.
Ruwka
Auch hier noch einmal:
Die Gefahrengebietsregelungen gibt es bereits in den Polizeigesetzen mehrerer Bundesländer, unter anderem Berlin, Bayern, Bremen, Hessen, NRW, Rheinland-Pfalz, Sachsen und Sachsen-Anhalt. Dieses undemokratische, polizeistaatliche Mittel wird nun außerdem schon seit gut einem 3/4 Jahr angewendet und nimmt meist rassistische oder klassistische Auswüchse an (deutsche Polizisten halt)