Geburtenrate ist gesunken: Zu viele Krisen

Gegen den Geburtenrückgang ließe sich viel tun. Die Politik hat mit Elterngeld und Kitaausbau zwar viel angestoßen, muss jetzt aber nachlegen.

Drei Mütter schieben ihre Kinderwagen

Die Geburtenrate ist auf den tiefsten Stand seit 2009 gefallen Foto: Felix Kästle/dpa

Manche Boomer würden sicher gern Großeltern werden. Aber ihre Kinder, die heutigen jungen Menschen, verweigern sich. Im Herbst 2023 bekamen Frauen in Deutschland dem Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung zufolge durchschnittlich 1,36 Kinder. So wenig wie seit 14 Jahren nicht mehr.

Seitdem fragen sich Ex­per­t:in­nen (und auch manche Boomer), was mit den jungen Frauen und Männern los ist? Haben die keinen Bock auf Verantwortung? Wollen lieber ewig Party machen? Oder treibt sie eine Angst um, die sich aus den vergangenen Krisenjahren mit Erderhitzung, Corona, Wirtschaftskrise und Kriegen speist? Das sind Gefahren und Einschnitte ins Leben und in den Alltag, die Boomer in dieser Intensität nicht kennen. Dabei sind die Älteren nicht krisenunerfahren. Nicht wenige von ihnen wollten vor 30 und 40 Jahren selbst keine Kinder „in diese Welt setzen“. Die Gründe damals waren ähnliche, Umweltzerstörung, Kriege, eine unsichere Zukunft.

Die aktuellen Ängste der Jungen sind also nicht so weit weg von den früheren Ängsten der Alten. Mit dem Unterschied, dass soziale und berufliche Instabilität, Klimakrise, Wohnungsmangel, kurz: Unsicherheiten, wohin man schaut, heute stärker ausgeprägt scheinen als in den Boomer-Jugendjahren.

All das versuchen De­mo­gra­f:in­nen und So­zio­lo­g:in­nen zu verstehen. Ob der aktuelle „Babyknick“ die geeigneten Antworten liefert, ist fraglich. Denn der untersuchte Zeitraum ist viel zu kurz, um daraus eine haltbare These und sogar einen Trend abzuleiten. Selbst manche Boomer, die der Zukunft damals abgeschworen hatten, bekamen früher oder später doch Kinder.

Die richtigen Weichen sind gestellt

Das muss zwar jetzt nicht so sein, jüngere Menschen erlebten in den vergangenen Jahren eine zu dichte Krisenabfolge. Aber wer weiß schon heute, ob sie sich davon nicht erholen – und ihre Lebensplanung ändern? In Umfragen geben junge Menschen jedenfalls an, sehr gern Kinder haben zu wollen, manche sind sich sicher, sogar mehr als ein Kind bekommen zu wollen.

Dabei kann ihnen geholfen werden. Die Familienpolitik in Deutschland hat mit dem Elterngeld, den Vätermonaten und dem Kita-Ausbau vor Jahren die richtigen Weichen gestellt. Wer in der intensiven Familienphase finanziell abgesichert ist, sich die Betreuungsarbeit gerecht aufteilen und mit einem Kita-Platz rechnen kann, ist eher geneigt, Ja zum Kind zu sagen.

Kämen jetzt noch die Familienstartzeit und mehr Teilzeit für Väter hinzu, mehr Aufstiegsmöglichkeiten und Führungspositionen für Mütter, eine bessere Bezahlung in den prekären „Frauenberufen“ und ein Wohnungsbauprogramm, das den Namen verdient, wäre das ein wichtiges Signal an junge Menschen.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Ressortleiterin Meinung. Zuvor Ressortleiterin taz.de / Regie, Gender-Redakteurin der taz und stellvertretende Ressortleiterin taz-Inland. Dazwischen Chefredakteurin der Wochenzeitung "Der Freitag". Amtierende Vize-DDR-Meisterin im Rennrodeln der Sportjournalist:innen. Autorin zahlreicher Bücher, zuletzt: "Und er wird es immer wieder tun" über Partnerschaftsgewalt.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.