Ist die Letzte Generation kriminell?: Eine Frage der Demokratie

Das Landgericht München hat den Verdacht bestätigt, die Letzte Generation sei eine kriminelle Vereinigung. Die Argumentation überzeugt aber nicht.

Junge Aktivistinnen protestieren vor dem Kanzleramt

Mit gefesselten Händen protestieren Aktivistinnen der „letzten Generation“ vor dem Kanzleramt in Berlin Foto: Annegret Hilse/reuters

Im Mai fanden bundesweit Hausdurchsuchungen bei Ak­ti­vis­t:in­nen der Letzten Generation statt. Es wurden Computer mitgenommen, das Spendenkonto wurde beschlagnahmt, ebenso die ursprüngliche Homepage. Grundlage waren Ermittlungsverfahren gegen die Betroffenen wegen Mitgliedschaft in einer „kriminellen Vereinigung“ oder deren Unterstützung. Das Amtsgericht München hatte die Razzien vorab abgesegnet. Das Landgericht München I hat dies nun bestätigt: Es bestehe der Anfangsverdacht, dass die Letzte Generation eine kriminelle Vereinigung ist.

Zwei zentrale Argumente hat das Landgericht hierfür: Zum einen sei die Begehung von Straftaten - insbesondere von Straßenblockaden - einer der Zwecke der Letzten Generation. Außerdem bestehe eine „erhebliche Gefahr“ für die öffentliche Sicherheit, weil die Letzte Generation die Demokratie in Frage stelle: „Entscheidend ist, dass der gesellschaftliche Diskurs durch illegitime Mittel verletzt wird, indem eine Gruppierung versucht, sich – gegebenenfalls moralisch überhöhend – über die rechtsstaatliche Ordnung und die demokratischen Abläufe zu stellen“, so die zentrale Aussage des Münchener Gerichtsbeschlusses.

So zugespitzt wurde bisher nicht vertreten, dass die Letzte Generation deshalb eine kriminelle Vereinigung sei, weil sie sich nicht an die demokratischen Regeln hält. Auf den ersten Blick leuchtet die Argumentation der Rich­te­r:in­nen aber ein. Denn die Letzte Generation will ja Regeln verletzen, um auf die die Dringlichkeit einer anderen Klimapolitik hinzuweisen.

Doch für einen rechtsstaatlichen Umgang mit zivilem Ungehorsam würde es genügen, wenn die Ak­ti­vis­t:in­nen für die Delikte bestraft werden, die sie konkret begangen haben, also vor allem für die Nötigung von Autofahrer:innen. Dass zusätzlich auch noch jede mitgliedschaftliche Handlung und jede Unterstützung, zum Beispiel durch Geldspenden, unter Strafe gestellt wird, scheint mit Blick auf den Schutz der Demokratie dagegen übermäßig.

Ungehorsam als Korrektiv der Demokratie

Schließlich lehnt die Letzte Generation die Demokratie ja gerade nicht ab, sondern appelliert mit ihren Aktionen an die gewählten demokratischen Organe, also an die Bundesregierung und den Bundestag. Es mag für Ju­ris­t:in­nen nur schwer zu verstehen sein, aber ziviler Ungehorsam ist nicht demokratiefeindlich, er versteht sich als notwendiges Korrektiv innerhalb der Demokratie.

Es mag andere Begründungen geben, warum die Letzte Generation die öffentliche Sicherheit „erheblich“ gefährdet (etwa ihre Drohung, ganze Städte lahmzulegen und die öffentliche Ordnung „maximal“ zu stören). Die Argumentation des Landgerichts München I kann dagegen nicht überzeugen.

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Geboren 1965, Studium in Berlin und Freiburg, promovierter Jurist, Mitglied der Justizpressekonferenz Karlsruhe seit 1996 (zZt Vorstandsmitglied), Veröffentlichung: „Der Schiedsrichterstaat. Die Macht des Bundesverfassungsgerichts“ (2013).

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