Geopolitische Akteure im Nahostkonflikt: Hotspot der Weltpolitik

Im israelisch-palästinensischen Konflikt überkreuzen sich Interessen vieler Staaten. Wer sind die zentralen Akteure? Und welche Ziele verfolgen sie?

Qualmspuren von Racketen sind am Wolkenhimmel über Gaza zu sehen

Raketen aus Gaza werden am 10. Oktober auf Israel abgeschossen Foto: Rizek Abdeljawad/Xinhua/eyevine/laif

Saudi-Arabien

Für Saudi-Arabien kommt die Eskalation alles andere als gelegen. Die Führung in Riad sieht in islamistischen Bewegungen wie der Muslimbruderschaft, aus der die Terrororganisation Hamas hervorgegangen ist, eine Gefahr für die eigene Herrschaft.

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Hinzu kommt, dass Saudi-Arabien zuletzt im Begriff war, seine Beziehungen zu Israel zu verbessern. In Jerusalem wie auch in Washington hat man in den vergangenen Wochen auf einen saudisch-israelischen Freundschaftsvertrag hingearbeitet. Gleich zwei israelische Minister hatten im September Saudi-Arabien besucht – ein absolutes Novum.

Das Problem der Saudis: Die Bevölkerung steht nach Jahrzehnten antiisraelischer Rhetorik klar auf der Seite der Palästinenser. Die saudische Führung um Kronprinz Muhammad bin Salman hatte ohnehin Mühe, eine Normalisierung samt Aufnahme diplomatischer Beziehungen zu Israel zu rechtfertigen.

Deshalb hatte er eine deutliche Verbesserung der Situation der Palästinenser zur Bedingung gemacht. Wie das in der Realität hätte aussehen können, blieb aber offen. In Wirklichkeit ging es den Saudis um zwei andere Dinge: Unterstützung aus Israel und den USA für ein ziviles Atomprogramm sowie ein militärischer Beistandspakt der USA ähnlich den Abkommen zwischen den USA und Japan – also die Zusage, dass die USA Saudi-Arabien im Falle eines Angriffs auf das Land bei der Verteidigung helfen.

Der Krieg in Gaza mit voraussehbar mehreren tausend Toten macht all den Bemühungen nun einen Strich durch die Rechnung. Der unter Benjamin Netanjahu und US-Präsident Donald Trump gestartete und von der Biden-Administration weiter verfolgte sogenannte Abraham-Prozess dürfte zumindest vorerst zum Stillstand gekommen sein. Riad führte die Eskalation nach den Massakern der Hamas zurück auf die „andauernde Besatzung und Verletzung der Rechte des palästinensischen Volks“ – keine gute Voraussetzung für eine Annäherung. Jannis Hagmann

Iran

Das iranische Regime mischt in vielen Konflikten der Region mit. Seine verlängerten Arme: die Hisbollah im Libanon, die Hamas und der Islamische Dschihad in Gaza, schiitische Milizen im Irak und die Huthi-Bewegung im Jemen. Während es der Islamischen Republik kurz nach der Gründung 1979 vor allem darum ging, durch militante Gruppen den Geist der Islamischen Revolution zu exportieren, verfolgt sie heute das Ziel, ihren Einfluss in der Region auf Kosten Saudi-Arabiens auszubauen und dem Todfeind Israel zu schaden. Mit dem Großangriff der Hamas ist nun beides gelungen.

Doch welche Rolle hat Iran bei dem Angriff konkret gespielt? Klar ist: Das war keine spontane Aktion. Ohne ausländische Hilfe hätte die Hamas eine derartige Operation nie zustande gebracht.

Dass Iran die Hamas seit Jahrzehnten mit Waffen und Geld unterstützt und ihre Kämpfer ausbildet, ist kein Geheimnis. Auch Teheran macht aus den Verbindungen zur Hamas keinen Hehl. Doch den Vorwurf einer Mitplanung haben iranische Regierungsvertreter zurückgewiesen.

Dennoch gibt es Hinweise auf eine direkte Beteiligung. Nach einem Bericht des Wall Street Journal hätten die iranischen Revolutionsgarden den Hamas-Angriff seit August mitgeplant und eine Woche vor dem Großangriff grünes Licht gegeben. Der Bericht beruft sich auf Aussagen anonymer hochrangiger Vertreter der Hamas und der Hisbollah.

In Beirut soll es eine gemeinsame Kommandozentrale von iranischen Revolutionsgarden, Hamas und Hisbollah geben. Doch eindeutige Beweise, was dort geplant wurde, fehlen bislang.

Gespannt wird nun darauf gewartet, wie Israel selbst die Frage bewertet. Das israelische Militär und Premierminister Benjamin Netanjahu halten sich mit Aussagen zur Rolle Irans bisher zurück. Womöglich auch, um das Auftun neuer Fronten zu verhindern. Teseo La Marca

USA

Das Zitat wird Jake Sullivan wohl nicht mehr los. Am 29. September sagte der Nationale Sicherheitsberater von US-Präsident Joe Biden bei einer Veranstaltung: „Der Nahen Osten ist heute ruhiger, als er es in den vergangenen zwei Jahrzehnten gewesen ist.“ Er habe deshalb mehr Zeit als seine Vorgänger, sich um andere Regionen der Welt zu kümmern. Acht Tage später wurden seine Worte auf brutale Weise widerlegt.

In den vergangenen Jahren versuchten die USA – zunächst unter Trump, dann unter Biden – durch die Vermittlung der Abraham-Abkommen zwischen Israel und mehreren arabischen Staaten die Region zu befrieden. Und zwar indem man die palästinensische Frage ausklammerte. Die Idee: Erst sollte Israel mit seinen arabischen Nachbarn in Frieden leben, dann würde sich eine Lösung für den israelisch-palästinensischen Konflikt finden.

Die USA sind der engste Verbündete Israels. Die jährliche Militärhilfe aus Washington im Wert von 3,8 Milliarden Dollar ist für das kleine Land überlebenswichtig. Diese Unterstützung wurde auch nicht angetastet, als in den vergangenen Monaten die Beziehungen frostiger wurden. Die Biden-Regierung machte deutlich, dass sie Netanjahus teils rechtsextreme Koalition und ihre Justizreform ablehnte. Der israelische Premierminister musste lang auf eine Einladung ins Weiße Haus warten.

Jetzt sind die Kontakte wieder eng. Die USA verlegten ihren größten Flugzeugträger samt Begleitflotte ins östliche Mittelmeer, um die Hisbollah und Iran davor abzuschrecken, Israel in einem Moment der Schwäche anzugreifen. In Washington ist die Sorge groß, dass der Krieg sich ausweiten könnte.

Sorgen macht sich auch die Ukraine: In Kyjiw befürchtet man, dass neue US-Waffenlieferungen an Israel nun zulasten der Ukrainehilfe ­gehen könnten. Bei einem Nato-Treffen versuchte US-Verteidigungsminister Lloyd Austin diese Bedenken zu zerstreuen. Die Gefahr, dass in den USA die Republikaner die eine Hilfe gegen die andere ausspielen, ist aber groß. Jan Pfaff

Katar

Der Golfstaat ist ein problematischer, aber sehr einflussreicher Spieler in Nahost: Katar, erst vergangenes Jahr Gastgeberland der Fußball-WM, hat beste Beziehungen zur Hamas. Für die Eskalation der jüngsten Tage machte es Israel „allein verantwortlich“. Gleichzeitig ist die Führung in Katar aber mit Israel im Gespräch und hat immer wieder zwischen den Konfliktparteien vermittelt.

Katar beherbergt Ismail Hanijeh und andere Hamas-Führer, die einen neuen Sitz außerhalb Gazas brauchten, nachdem in Syrien 2011 Krieg ausbrach und sie ihre Büros in Damaskus räumen mussten. Außerdem spielt Katar finanziell eine wichtige Rolle: Milliarden US-Dollar sollen in den Gazastreifen geflossen sein, unter anderem, um die Gehälter von Angestellten zu bezahlen.

Die Zahlungen erfolgten mit Einverständnis Israels, das ein Interesse daran hatte, dass der Küstenstreifen nicht im absoluten Chaos versinkt. Außerdem wollte man in Jerusalem verhindern, dass die Hamas noch stärker vom Iran beeinflusst wird als ohnehin schon. Anders als Iran droht Katar dem jüdischen Staat nicht mit Vernichtung.

Dieser Text stammt aus der wochentaz. Unserer Wochenzeitung von links! In der wochentaz geht es jede Woche um die Welt, wie sie ist – und wie sie sein könnte. Eine linke Wochenzeitung mit Stimme, Haltung und dem besonderen taz-Blick auf die Welt. Jeden Samstag neu am Kiosk und natürlich im Abo.

Wie schon früher haben auch jetzt katarische Vermittler ihre Arbeit aufgenommen. Sie versuchen, zwischen der Hamas und Israel die Freilassung einiger der bis zu 150 israelischen Geiseln im Gegenzug zur Freilassung von palästinensischen Frauen und Kindern aus israelischen Gefängnissen zu verhandeln – bislang ohne Durchbruch.

Nicht zu vergessen ist auch al-Dschasira. Der von Katar finanzierte Sender berichtet so intensiv wie kaum ein anderes Medium aus Gaza, verfolgt dabei aber eine Agenda. Im arabischen Programm hat al-Dschasira einfach das Wording der Hamas übernommen und spricht regelmäßig von der „Operation Al-Aksa-Flut“. In Gesprächsrunden vertreten Ana­lys­t:in­nen meist einseitig die palästinensische Perspektive. Jannis Hagmann

Russland

Knapp eine Woche nach dem Terrorangriff der Hamas versucht sich Russland an einem Balanceakt. Die Frage, ob Moskau die Hamas als Terrororganisation einstufe, vermochte Kremlsprecher Dmitri Peskow Mitte der Woche nicht zu beantworten. Man sei dabei, die Situation zu analysieren, und sei mit beiden Konfliktparteien im Kontakt.

Drei Tage nach den Massakern bezeichnete Präsident Putin die Eskalation als prägnantes Beispiel für die Politik der USA im Nahen Osten. Der Kreml versucht aus der Situation Kapital zu schlagen und bemüht sich um eine Vermittlerrolle. Nach einem Treffen mit dem Generalsekretär der Arabischen Liga, Ahmed Aboul Ghei, mahnte Außenminister Lawrow ein Ende der Kämpfe sowie eine Lösung für die Zi­vi­lis­t*in­nen an.

Im Mai vergangenen Jahres wurde in Moskau eine hochrangige Hamas-Delegation von Lawrow empfangen – wohl eine direkte Reaktion auf Israels Verurteilung des Ukrainekriegs. Dennoch kann es sich Russland nicht leisten, Israel, das sich dem Sanktionskurs westlicher Staaten nicht ­angeschlossen hat, zu verprellen. Der Grund: Von gut 9 Millionen Ein­woh­ne­r*in­nen Israelis sind rund 2 Millionen russischsprachig. Allein seit ­Beginn des Ukrainekrieges sollen rund 37.000 Russ­*innen nach Israel ausgewandert sein – darunter bekannte Oligarchen, die für sich und ihr Vermögen Schutz vor Sanktionen suchen.

Im Zuge der jetzigen Zuspitzung bombardierte Israel vor wenigen Tagen mit den Flughäfen Aleppo und Damaskus auch Ziele in Syrien – einem von Russlands engsten Verbündeten in der Region. Moskau sprach von einem groben Verstoß gegen die Souveränität des Landes und warnte vor einer weiteren Eskalation. Israel hat bereits in der Vergangenheit Ziele in Syrien bombardiert, um zu verhindern, dass Iran und mit Teheran verbündete Milizen ihren militärischen Einfluss dort ausweiten. Barbara Oertel

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