Tuareg-Gitarrist Bombino aus Niger: Hoffnung in schwierigen Zeiten

Der Tuareg-Gitarrist Bombino aus Niger trotzt auf dem neuen Album „Sahel“ den Putschisten in seinem Heimatland.

Ein Musiker mit Gitarre.

Gitarrist Bombino aus Niger Foto: Ron Wyman

„Lasst uns unser Volk verteidigen, denn wir sind, obwohl wir in verschiedenen Ländern leben, ein Volk.“ Die Forderung, die der nigrische Musiker Bombino auf seinem neuen Album „Sahel“ erhebt, wirkt dieser Tage wie eine Prophezeiung dessen, was sich derzeit im westafrikanischen Niger und seiner Hauptstadt Niamey abspielt.

Der rechtmäßig gewählte Präsident des Landes, Mohamed Bazoum, wurde am 26. Juli von der Präsidialgarde aus dem Amt geputscht und befindet sich derzeit in sogenanntem Hausarrest; es droht eine militärische Intervention des westafrikanischen Staatenbunds Ecowas. Dabei ist das 1960 unabhängig gewordene Land, das zu den ärmsten der Welt gehört, ohnehin gebeutelt, von ethnischen Konflikten, Korruption und Hungersnöten. Russische Wagner-Söldner sind im Land, Islamisten haben Zulauf.

Bombino konnte von den aktuellen Ereignissen noch nichts wissen, als er Ende 2022 die Songs für sein siebtes Album aufnahm. Damals schien die Lage im Land vergleichsweise stabil. Frankreich und die Bundesrepublik stuften Niger als sicheres Land ein – was auch Abschiebungen erleichterte. Doch die Lage für die heimischen Tuareg war oft prekär, lebensgefährlich.

Das Volk der Tuareg verteidigen

Wenn der 1980 in Tchirozérine geborene Omara Moctar, genannt Bombino, in dem Lied „Aitma“ die Verteidigung seines Volkes fordert, dann meint er damit nicht die Gemeinschaft der Nigrer, sondern der Tuareg.

Bombino: „Sahel“ (Partisan Records / PIAS)

Die Kel Tamashek (wie die Tuareg sich selbst bezeichnen) leben als nomadisches Volk schon lange in der Sahara und der Sahelzone. Sie müssen sich immer wieder Gängelungen der Zentralregierung erwehren; was im Übrigen auch für jene Familien und Stämme gilt, die in den Nachbarländern Mali, Algerien und Libyen beheimatet sind. Doch gerade in Mali und Niger gehen die Einschränkungen der nomadisch-lebenden Bevölkerung sehr weit, was zu Wut führt und den Willen zur Autonomie schürt.

In den letzten drei Jahrzehnten gab es folglich zwei Tuareg-Aufstände: Bei jenem Anfang der 1990er floh Bombinos Familie vor dem Krieg ins algerische Tamanrasset und kehrte erst Jahre später zurück in den Niger. Gravierender war für Bombino aber der Aufstand im Jahr 2007. Zu dem Zeitpunkt war er bereits ein angesehener Künstler in Niger, was ihm derweil nicht half, als die Bedrohungslage wuchs. Er selbst konnte vor islamistischen Banden noch nach Burkina Faso flüchten, zwei seiner Bandmitglieder kamen jedoch bei den Unruhen ums Leben.

Ein „politisches Werk“

Die derzeit prekäre Lage im Land ist also keine Neuigkeit für Bombino, nicht für ein Land, in dem putschende Generäle und diktatorisch regierende Machthaber die Regel sind. Dennoch wuchs zu seinem neuen Album „Sahel“ erstmalig der Wunsch sich einzumischen, für ihn selbst ist es das „politischste Werk“ seiner Karriere.

Gerade der Sahel-Bluesrock der Tuareg erfreut sich in Europa und den USA einiger Beliebtheit. Seitdem der Urvater dieses Sounds, Ali Farka Touré aus Mali, in den 1980ern und 1990ern auf etlichen „Weltmusik-Festivals“ auftrat und zeitgleich die Gruppe Tinariwen die Konzerthäuser eroberte, ist Sahel-Sound eine der beliebtesten Spielarten nichtwestlicher Musiken.

Die Verquickung von traditionellem Instrumentarium, wie den Percussion-Instrumenten Wassertrommel und Djembe, mit elektrischen Gitarren und Blues-Tonleitern kommt an. Die Gitarrenklänge, die ebenfalls bei Bombino zum Einsatz kommen, klingen magisch.

„Lasst uns unser Volk verteidigen, denn wir sind, obwohl wir in verschiedenen Ländern leben, ein Volk.“

Bombino, Tuareg-Gitarrist

Sie erinnern Eu­ro­päe­r*in­nen und US-Ame­ri­ka­ne­r*in­nen an wandernde Sän­ge­r*in­nen und Dichter*innen, die bereits zu Zeiten Homers durch die Welt zogen und an ihren Kitharas, Harfen und Lyras zupften. Wer es nicht ganz so antik braucht, der blickt in die US-Südstaaten, wo Anfang des 20. Jahrhunderts Blues-Musiker:Innen wie Robert Johnson und Bessie Smith vom harten Leben, spirituellen Erfahrungen und verhängnisvollen Versuchungen sangen.

„Sahel“ vereint langsame, traditionellere Songs („Alwane“), in denen die Bezüge zu Blues und Rock weit runtergeschraubt sind, mit eingängigem Global-Pop („Si Chilan“). Ein breiter Mix an Spielarten des Sahel-Sounds, der in diesen schwierigen Zeiten für den Niger nicht nur den Künstler Bombino von einer besseren Zukunft träumen lässt.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.