Transparenz beim Lobbyismus: Die Kernprinzipien der Demokratie

Die Kampagne „Gläserne Gesetze“ fordert mehr Transparenz in der Gesetzgebung. Welchen Einfluss haben Lobbyorganisationen?

Ein Lkw rauscht an einer Mauterkontrollbrücke vorbei

Wer darf mitreden, wenn das Gesetz zur Autobahnmaut ausformuliert wird? Foto: dpa

Bis ein Gesetz in Kraft tritt, geht es einen langen Weg. Und auf diesem Weg können sehr viele Leute mitreden: Mitarbeiter_innen in Ministerien, das Bundeskabinett, der Bundestag – aber auch Expert_innen und Lobbyorganisationen. Welchen Einfluss diese Vielzahl an Stellungnahmen tatsächlich auf den Inhalt eines Gesetzes hat, will die Kampagne „Gläserne Gesetze“ mit einer Flut von Anfragen an die Behörden transparent machen. Mit Erfolg: Vergangene Woche soll die Bundesregierung angekündigt haben, die rund 17.000 entsprechenden Dokumente online zur Verfügung zu stellen.

„Gläserne Gesetze“ ist eine gemeinsame Kampagne der Initiative Abgeordnetenwatch und des Portals FragDenStaat. „Befreie mit uns tausende Lobbyisten-Papiere aus den Aktenschränken der Ministerien“, heißt es in dem Aufruf. Denn prinzipiell haben Bürger_innen ein Anrecht auf Dokumente wie die Referentenentwürfe zu einem Gesetz und die Stellungnahmen, die Interessenvertreter_innen dazu abgeben. Das regelt das Informationsfreiheitsgesetz (IFG). Der Haken an der Sache: Wer Informationen will, muss diese selbst bei den jeweiligen Stellen anfragen.

Um diese bürokratische Hürde zu senken, gibt es auf der Webseite von „Gläserne Gesetze“ ein Onlineformular: Die Anfrage ist verfasst und muss nur noch mit den Namen der Fragenden versehen und abgeschickt werden.

Innerhalb einer Woche erhielten die deutschen Bundesministerien auf diesem Weg mehr als 1.600 Anfragen. Vergangene Woche habe ihn dann eine Mitteilung der Bundesregierung erreicht, sagt Arne Semsrott von FragDenStaat: Man werde die Dokumente veröffentlichen, statt jede einzelne Anfrage zu beantworten.

Noch vor der Bundestagswahl

Eine öffentliche Erklärung der Bundesregierung gibt es bisher nicht. Ein Regierungssprecher sagte gegenüber der taz: „Der Bundesregierung ist das Begehren von abgeordnetenwatch.de und FragDenStaat.de bekannt. Ihre Überlegungen, wie gegebenenfalls mehr Transparenz geschaffen werden kann, dauern noch an.“

Ein Sprecher des Bundesinnenministeriums erklärte, die Bundesministerien würden die Stellungnahmen aus der laufenden Legislaturperiode schrittweise im Internet veröffentlichen. „Uns ist wichtig, dass das noch vor der Bundestagswahl passiert“, sagt Semsrott.

Arne Semsrott von „Frag den Staat“

„Die Ministerien werden um unsere Anfragen nicht ­herumkommen“

Der Aktion vorausgegangen ist eine neunmonatige Recherche von Abgeordnetenwatch und FragDenStaat: „Mit einer Liste aller in dieser Legislaturperiode eingebrachten Gesetze haben wir in jedem einzelnen Ministerium die jeweils angefragten Verbände abgefragt“, sagt Semsrott. Sie kamen auf etwa 17.000 mögliche Dokumente.

„Es geht dabei um die Kernprinzipien der Demokratie“, sagt er. „Um die Frage nämlich, wie Gesetze entstehen und wer Einfluss auf diese für alle verbindlichen Regelungen hat.“ Wer darf mitreden, wenn das Gesetz zur Autobahnmaut ausformuliert wird? Und: Wer darf es nicht? Wie ist etwa das Verhältnis von Wirtschaft und Umweltorganisationen? Wessen Formulierungshilfen sind vielleicht gar in ein Gesetz eingeflossen?

Rechtsansprich auf amtliche Informationen

Das Bundesjustizministerium stellt diese Daten schon seit April 2016 ins Netz. „Es ist also möglich“, sagt Semsrott. „Mit dieser Aktion zeigen wir, dass eine Veröffentlichung weniger Aufwand ist, als Tausende Anfragen einzeln zu beantworten.“

Zunächst geht es nur um die Dokumente der nun endenden Legislaturperiode. Doch Semsrott ist zuversichtlich: „Die Ministerien werden um unsere Anfragen nicht herumkommen“, sagt er. „Sie können jetzt nur entscheiden, wie sie damit umgehen.“

Das Informationsfreiheitsgesetz garantiert jeder Person einen Rechtsanspruch auf Zugang zu amtlichen Informationen der Bundesbehörden. Besonders erfolgreich ist es in Deutschland aber noch nicht: Das Gesetz und seine Funktionsweise sind nicht weithin bekannt, selbst Journalist_innen machen davon bisher selten Gebrauch.

Die offizielle Statistik des Bundesinnenministeriums verzeichnete für das Jahr 2016 knapp 9.000 Anfragen an Bundesbehörden. „In Großbritannien sind das im selben Zeitraum mehrere Hundertausend“, sagt Semsrott. „Und wenn Sie in den USA die Leute auf der Straße fragen, weiß jeder, was der Freedom of Information Act ist.“

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