Thüringen bekommt NSU-Mahnmal: „Es beschämt uns bis heute“

Thüringen bekommt ein NSU-Denkmal: Eine Säulenskulptur soll an die rechtsextreme Terrorserie erinnern. Auch andererorts sind Gedenken geplant.

Ein Säulengang mit den Namen der NSU-Opfer.

So soll es einmal aussehen: Entwurf für das Denkmal für die NSU-Opfer in Erfurt Illustration: Thüringer Staatskanzlei

BERLIN taz | Es sind Stahlbögen, die sich auf dem Erfurter Beethovenplatz erheben sollen, gleich neben dem Thüringer Landtag. An der Spitze sollen auf Metallplatten die Namen der zehn NSU-Mordopfer stehen – die im Sonnenlicht auch als Schatten auf den Boden geworfen würden. Ein Symbol für die Schatten, welche die Mordserie bis heute auf die Opferfamilien wirft – und auf die gesamte Gesellschaft.

Am Donnerstag stellte Thüringens Kulturstaatssekretärin Tina Beer den Entwurf des Mahnmals vor, mit dem in Thüringen an die Terrorserie des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU) erinnert werden soll. Das Kerntrio Beate Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt hatte sich in Jena radikalisiert und war dort 1998 abgetaucht – unter den Augen von Ermittlern und Verfassungsschützern. Die zehn Morde wurden in anderen Bundesländern verübt und blieben jahrelang ungeklärt.

Beer erklärte, das Mahnmal sei „das Mindeste, was wir für die Hinterbliebenen und Opfer des NSU leisten können“. Dass die Mörder lange Zeit im Umfeld der Opfer gesucht wurden, „beschämt uns bis heute“. Das Denkmal sei „eine beständige Mahnung, unsere Aus­einandersetzung mit dem Rechtsextremismus intensiv fortzusetzen“. Auf Informationstafeln soll dort über die Terrorserie und vor allem auch die Mordopfer informiert werden.

Schon 2017 wurde das Denkmal beschlossen

Die Errichtung einer NSU-Gedenkstätte hatte Thüringen bereits 2017 beschlossen, nachdem ein Untersuchungsausschuss des Landtags zu der Terrorserie dies empfohlen hatte. Im Mai dieses Jahres wurde dann ein Wettbewerb ausgelobt, den nun das Stuttgarter Künstlerduo Dagmar Korintenberg und Wolf Kipper gewann. Die Hinterbliebenen waren über Barbara John, die Ombudsfrau der Bundesregierung für die NSU-Opferfamilien, eingebunden. Für das Mahnmal stehen 200.000 Euro zur Verfügung, bis 2024 soll es errichtet werden.

Die Thüringer Grünen-Abgeordnete Madeleine Henfling lobt den Entwurf für das Mahnmal als „wirklich beeindruckend“. Auch die Linke Katharina König-Preuss erklärte: „Allein die Vorstellung, unter den Stahlträgern hindurchzugehen, durch und mit den Namen der Ermordeten, erzeugte bei mir Gänsehaut.“ Der Entwurf übertreffe ihre persönlichen Erwartungen.

Gedenkorte auch in anderen Städten

Auch in anderen Ländern wird bereits der Opfer des NSU-Terrors gedacht. Neben Platten zum Gedenken an die Mordopfer an den meisten Tatorten gibt es bereits in Zwickau eine Gedenkstelle mit zehn Bäumen, die an die Getöteten des NSU-Terrors erinnern. Entstehen soll in der Stadt auch noch ein NSU-Dokumentationszentrum.

Dazu soll auch in Köln ein Gedenkort entstehen, wo der NSU in der Keupstraße mit einem Bombenanschlag mehr als 20 Menschen schwer verletzte. Die Stadt teilte im Frühjahr mit, dass die Errichtung aber „noch ein paar Jahre“ dauern könne. Die nötige Grundstücksfläche stehe aber nun endlich zur Verfügung. Oberbürgermeisterin Henriette Reker (parteilos) nannte das geplante Denkmal „ein wichtiges Zeichen der Solidarität mit den Opfern rechten Terrors“.

Die Ampel-Bundesregierung will zudem ein virtuelles Archiv zum Rechtsterrorismus einrichten. Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Grüne) erklärte zuletzt, dass dafür „erste erfolgversprechende Planungen mit den Ländern stattgefunden“ hätten. Auch in Thüringen ist ein NSU-Archiv in Planung. Die Landesregierung hatte zuletzt eine Kooperation mit dem geplanten Bundesarchiv angeregt.

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Hier erfährst du mehr

Rechtsextreme Terroranschläge haben Tradition in Deutschland.

■ Beim Oktoberfest-Attentat im Jahr 1980 starben 13 Menschen in München.

■ Der Nationalsozialistische Untergrund (NSU) um Beate Zschäpe verübte bis 2011 zehn Morde und drei Anschläge.

■ Als Rechtsterroristen verurteilt wurde zuletzt die sächsische „Gruppe Freital“, ebenso die „Oldschool Society“ und die Gruppe „Revolution Chemnitz“.

■ Gegen den Bundeswehrsoldaten Franco A. wird wegen Rechtsterrorverdachts ermittelt.

■ Ein Attentäter erschoss in München im Jahr 2016 auch aus rassistischen Gründen neun Menschen.

■ Der CDU-Politiker Walter Lübcke wurde 2019 getötet. Der Rechtsextremist Stephan Ernst gilt als dringend tatverdächtig.

■ In die Synagoge in Halle versuchte Stephan B. am 9. Oktober 2019 zu stürmen und ermordete zwei Menschen.

■ In Hanau erschoss ein Mann am 19. Februar 2020 in Shisha-Bars neun Menschen und dann seine Mutter und sich selbst. Er hinterließ rassistische Pamphlete.

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