Streit über Erklärung zu Bauernprotesten: Anti-Galgen-Appell ohne Freie Bauern

Die Agrarorganisation Freie Bauern hat es abgelehnt, einen Aufruf gegen Demos mit Galgensymbolen und gegen Unterwanderung durch Radikale zu unterschreiben.

Ein Traktor, davor baumelt eine Schlinge an einem Galgen

Gegen solche Gewaltsymbole wendet sich die niedersächsische Erklärung: Galgen bei einer Bauerndemonstration im Januar in Berlin Foto: Florian Boillot

BERLIN taz | Die Organisation „Freie Bauern“ hat sich geweigert, eine Erklärung zu unterzeichnen gegen Proteste mit Galgen oder vor Politiker-Privathäusern. „Die Freien Bauern wurden eingeladen, die gemeinsame Erklärung mitzutragen, haben sich schließlich aber gegen eine Unterzeichnung entschieden“, teilte das niedersächsische Agrarministerium, das das Papier der Landesregierung und fünf Landwirtschaftsverbänden initiiert hatte, der taz mit.

Als Begründung hätten die Freien Bauern angegeben, sie wollten nicht eine Passage mittragen, wonach die Unterzeichnenden sich distanzieren „von nicht angemessenen Verhaltensweisen und Symbolen (Proteste vor Privathäusern, Zurschaustellung von Galgen, Verbrennen von Strohpuppen etc.) und antidemokratischen Äußerungen“. Zudem warnt die Erklärung „vor einer Vereinnahmung der landwirtschaftlichen Proteste durch radikale Gruppierungen und vor deren Aufrufen zur Gewalt“.

„Da der Landesregierung und den weiteren Unterzeichnenden die Formulierung in dieser Form wichtig war – insbesondere auch der Passus, dass die Zurschaustellung von Galgen nicht akzeptabel ist –, wurde der Appell ohne die Freien Bauern unterzeichnet“, so das Ministerium. Es werde seine Einladung zu einem für Donnerstag geplanten Gespräch mit der Organisation zurückziehen, wenn sie den Abschnitt nicht doch noch selbst veröffentlicht und damit mitträgt.

Die Freie Bauern Deutschland GmbH ist zwar eine Splitterorganisation, in der man anders als in einem Verein nicht Mitglied werden kann. Die Lobbyfirma ist aber im Rahmen der jüngsten Bauernproteste von Medien zitiert worden und spielte bei Demonstrationen eine Rolle. Die Gruppe stellte agrarpolitisch radikale Forderungen auf, wie die „Rücknahme aller Dünge-, Pflanzenschutz- und Tierhaltungsregeln, die uns seit 2017 ideologisch bevormunden“.

Die Organisation tolerierte eine rechtsextreme Parole auf einer Demonstration

Bereits bei der Unterzeichnung der Erklärung am 4. Januar hatte Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) kritisiert, die Freien Bauern hätten „zum Ausdruck gebracht, sie würden sich in keiner Weise irgendwie vorschreiben lassen wollen, wie sie denn ihren Ärger, ihre Kritik zum Ausdruck bringen wollen“. Das sei nicht akzeptabel, so Weil weiter.

„Jedenfalls als Landesregierung kann ich sagen, dass wir mit niemandem zusammenarbeiten können, der nicht auch schlichtweg bereit ist, sich an den vorgegebenen Rahmen in unserer Gesellschaft zu halten.“ Bei den Aktionen der Freien Bauern seien viele „absolut rechtschaffene Menschen“. „Sie mögen bitte auch genau hinschauen, ob diejenigen, die in dieser Organisation das Sagen haben, sie denn auch an dieser Stelle richtig führen.“ Die niedersächsische Organisation des Bauernverbands, Landvolk, sowie die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft, Land schafft Verbindung Niedersachsen-Bremen, der Bund deutscher Milchviehhalter und die Landesvereinigung Ökologischer Landbau dagegen hatten unterzeichnet.

In der Berichterstattung über die Erklärung ging die Kritik Weils unter. Damals stand im Vordergrund, dass sich ein SPD-Ministerpräsident in dem Papier gegen die Pläne der Ampelkoalition zur Streichung der Agrardieselsubvention stellte. Angesichts der Eskalation von Protesten im Zusammenhang mit dem Vorhaben am Aschermittwoch im baden-württembergischen Biberach ist die Passage in der Erklärung wieder besonders aktuell. Doch die Freien Bauern haben sie bis Redaktionsschluss nicht unterschrieben.

Ihr Landessprecher in Niedersachsen, Fokko Schumann, sagte der taz zwar: „Ich war in der Sache gleich von Anfang an mit vereinbar. Bloß mit der Ausformulierung habe ich mich schwergetan … Ich persönlich würde die Erklärung jetzt unterzeichnen.“ Aber auch auf mehrfache Nachfrage wollte er nicht sagen, ob die Freien Bauern das Dokument zum Beispiel bei dem Treffen der Landesregierung mit Agrarverbänden am Donnerstag unterschreiben würden.

Fraglich ist, wie frei Schumann innerhalb seiner Organisation entscheiden kann. „Die Kommunikation zum Appell lief zunächst über die Landesvertreter, wurde dann aber von deren Bundesgeschäftsstelle übernommen“, berichtete das Agrarministerium in Hannover. „Freie Bauern“ wie Schumann haben laut Internetseite der Organisation gegen „Beitragszahlung“ nur das Recht, sich „Mitglied der Initiative FREIE BAUERN“ zu nennen. „Aus der Beitragszahlung ergeben sich keine weiteren Rechte oder Pflichten innerhalb der Initiative FREIE BAUERN“, so die Firma.

Ihr Referent für Politik und Medien, Reinhard Jung, hatte der taz im Oktober 2020 über diese Konstruktion gesagt: „Das ist undemokratisch.“ Offiziell hätten die sogenannten Mitglieder „keine Macht“. Aus seiner Sicht „gute Leute“ würden „auch entsprechende Funktionen bekommen, aber wir können auch mal die Notbremse ziehen“. Die Führung kann unliebsame Vertreter jederzeit absetzen.

Die Freien Bauern sind auch nicht vom Finanzamt als gemeinnützig anerkannt. Voraussetzung ist laut Abgabenordnung, „die Allgemeinheit auf materiellem, geistigem oder sittlichem Gebiet selbstlos zu fördern“.

Die Freien Bauern unterscheiden sich von anderen Organisationen ebenfalls in ihrem Umgang mit der zumindest in Teilen rechtsextremen AfD. „Wir sprechen auch mit AfD-Politikern“, sagte Jung der taz 2023. Die AfD holte die Freien Bauern zudem als Sachverständige zu Bundestagsanhörungen.

Jung tolerierte auch, dass bei einer Demo der Freien Bauern im Januar in Berlin zwei Protestierer ein Banner mit der rechtsextremen Aufschrift „Eure Demokratie ist unser Volkstod“ zeigten. Dazu befragt sagte Jung der taz vor Ort: „Was soll ich dazu sagen, dass hier Fahrräder fahren? Ich mein’: Die Welt ist so, wie sie ist. Wir machen eine Demonstration und solange sie die Demonstration nicht stören, werde ich die Polizei nicht in Gang setzen. Wenn da ­irgendein Hansel mit einem Plakat rumsteht … Ich werde ja jetzt nicht jedes Plakat kontrollieren.“

Werbung für rechten Radiosender

Schon 2020 kritisierten die Freien Bauern, dass sich der Bauernverband von der schwarzen Fahne mit blutrotem Schwert der gewalttätigen Landvolk-Bewegung aus den 1920er Jahren distanziert hatte, die als ein Wegbereiter der NSDAP gilt.

Im September 2023 moderierte ein bekannter „Freier Bauer“, Peter Guhl, eine Veranstaltung mit radikalen Rechten wie dem Ex-Verfassungsschutzpräsidenten Hans-Georg Maaßen und dem Buchautor Markus Krall. Bei dem Treffen wurden auch Verschwörungsmythen propagiert. Ähnlich wie früher der AfD-Thüringen-Chef Björn Höcke warb Guhl bei einer Demonstration am 13. Februar in Lauenburg für den rechten Internetradiosender kontrafunk. Das 13-Punkte-Programm von Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) gegen Rechtsextremismus, das zum Beispiel ein schärferes Waffenrecht vorsieht, lehnte der Landwirt aus Mecklenburg-Vorpommern ab.

Gleichzeitig versuchen die Freien Bauern immer wieder, kritische Stimmen durch juristische Schritte zum Schweigen zu bringen. Aktuell gehen sie nach eigenen Angaben gegen den Präsidenten des Bauernverbandes Schleswig-Holstein, Klaus-Peter Lucht, vor. Er hatte laut Lübecker Nachrichten gesagt: „Von extremen Randgruppen, Rechtsbruch oder Aufrufen hierzu haben wir uns immer klar distanziert und werden dies auch in Zukunft tun.“ Lucht nannte demnach dabei explizit die Freien Bauern, mit denen man sich nicht gemeinmache.

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