Kommentar Bayers Glyphosat-Studien: Gift für Pflanzen und Fakten

Im Umgang mit der Wahrheit erinnert Bayer an Trump. Der Konzern führt mit seinen Krebsstudien in die Irre und zeigt damit, wie ängstlich er ist.

Das Logo des Konzerns Bayer AG

Vor den US-Midterms gehörte Bayer zu den größten Spendern der Republikaner Foto: reuters/Ina Fassbender

An die Medien hat der Chemiekonzern Bayer eine klare Empfehlung: Sie sollten sich auf „einen faktenbasierten Journalismus konzentrieren“, riet Kommunikationschef Christian Maertin der Branche gerade in dem Fachmagazin Journalist. Doch das gilt offenbar nur für andere.

In seiner eigenen Kommunikation, das zeigen taz-Recherchen, setzt Bayer stattdessen auf frei erfundene „Fakten“. Mehr als 800 wissenschaftliche Studien würden belegen, dass Glyphosat nicht krebserregend sei, behauptete der Chemieriese immer wieder, ohne einen Beleg dafür zu liefern. Konfrontiert mit der Realität, dass sich überhaupt nur 50 Studien mit der Frage beschäftigen, soll die Aussage plötzlich ganz anders gemeint gewesen sein.

Erst mal irgendwas behaupten und dann, wenn die Lüge auffliegt, erklären, es sei alles ein Missverständnis gewesen: dieses taktische Verhältnis zur Wahrheit erinnert stark an den US-Präsidenten Donald Trump. Doch mit diesem in Verbindung gebracht zu werden scheint Bayer ja ohnehin nicht zu stören: Vor den US-Zwischenwahlen in der vergangenen Woche gehörte der Glyphosathersteller zu den größten deutschen Spendern für den Wahlkampf von Trumps Republikaner.

Beides – die Irreführung mit den angeblichen Krebsstudien und die Unterstützung für den Irren im Weißen Haus – zeigt, wie groß die Angst bei Bayer ist. Die Übernahme des Glyphosatherstellers Monsanto erweist sich mehr und mehr als gewaltiges Risiko. In den USA ist einem Anwender des Gifts, der an Krebs erkrankt ist, Entschädigung in Millionenhöhe versprochen worden.

Fakten lassen sich nicht wegspritzen wie Unkraut

In der EU droht aufgrund wachsenden Widerstandes in der Bevölkerung ab 2022 ein Totalverbot des umstrittenen Pflanzengifts. Und das ohnehin nicht glänzende Image des deutschen Traditions­unternehmens leidet durch das neue Produkt gewaltig.

„Verlässliche Informationen sind maßgeblich für eine fundierte Entscheidungsfindung“, heißt es in den Unternehmensleitlinien von Bayer. Angesichts der jüngsten Entwicklungen schwinden im Unternehmen offenbar die Skrupel, gegen diesen Grundsatz zu verstoßen und stattdessen mit fragwürdigen Spenden und unwahren Behauptungen die Stimmung im Interesse des Unternehmens zu drehen.

Doch Fakten lassen sich nicht so einfach wegspritzen wie Unkraut. Dieser Plan dürfte darum nicht aufgehen. Im Gegenteil: Wenn sich die Öffentlichkeit, wie von Bayer gefordert, weiterhin an Fakten orientiert, dürften die offensichtlich unwahren Aussagen die Chancen von Bayer verschlechtern, mit Glyphosat weiterhin weltweit Millionen zu verdienen.

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Jahrgang 1971, war bis September 2022 Korrespondent für Wirtschaft und Umwelt im Parlamentsbüro der taz. Er hat in Göttingen und Berkeley Biologie, Politik und Englisch studiert, sich dabei umweltpolitisch und globalisierungskritisch engagiert und später bei der Hessischen/Niedersächsischen Allgemeinen in Kassel volontiert.   Für seine Aufdeckung der Rechenfehler von Lungenarzt Dr. Dieter Köhler wurde er 2019 vom Medium Magazin als Journalist des Jahres in der Kategorie Wissenschaft ausgezeichnet. Zudem erhielt er 2019 den Umwelt-Medienpreis der DUH in der Kategorie Print.

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