Direkte Demokratie: Mehr Mitsprache für Bürger

Die Opposition will die Berliner via Verfassungsänderung nicht nur bei den Olympischen Spielen, sondern auch bei anderen Großprojekten entscheiden lassen.

Nicht nur zu dieser frage will die Opposition das Volk befragen Bild: dpa

Der Opposition reicht die von Innensenator Frank Henkel (CDU) für September geplante einmalige Bürgerbefragung zur Olympia-Bewerbung nicht aus: Grüne, Linkspartei und Piraten wollen das Thema grundsätzlicher angehen und streben eine Verfassungsänderung an, über die die Bürger am 26. April abstimmen sollen. Die würde die Olympia-Abstimmung nicht nur politisch, sondern auch rechtlich verbindlich machen. Sie wäre zudem die Basis, die Bürger auch bei künftigen Großprojekten vorab entscheiden zu lassen. Die Henkel-Verwaltung mochte sich auf taz-Anfrage nicht dazu äußern, die CDU-Fraktion reagierte ablehnend auf den Vorstoß.

Henkels Gesetzentwurf und die weitergehende Variante der Opposition bilden am heutigen Donnerstag gleich zu Beginn um 11 Uhr das zentrale Thema der Abgeordnetenhaussitzung. Dort will die Opposition auch thematisieren, dass sich vor allem die SPD von ihrem zwischenzeitlichen Vorstoß verabschiedete, die Bürgerbeteiligung auszuweiten. Derzeit ermöglicht die Landesverfassung nur langwierige Volksbegehren, über die sich nach Unterschriftensammlungen in zwei Stufen ein Volksentscheid erreichen lässt. Dieses seit 2006 mögliche Verfahren ist jedoch in der Praxis darauf gerichtet, Entscheidungen einer Regierung zu korrigieren und kann gut zwei Jahre dauern.

Der Senat und das Abgeordnetenhaus hatten bislang nicht die Möglichkeit, statt einer eigenen Entscheidung die Bürger abstimmen zu lassen. Henkel will das beim Thema Olympia umschiffen, indem er im Parlament ein Gesetz über eine einmalige Befragung beschließen lässt.

Für Opposition ist nicht nur bedeutsam, dass mit einer Verfassungsänderung eine solche Abstimmung rechtlich bindend wäre. Ihr Gesetzentwurf sieht auch vor, dass ein von einer Fraktion oder dem Senat eingebrachter Referendumsantrag nicht mit einfacher Mehrheit beschlossen, aus Oppositionssicht durchgewunken werden kann. Stattdessen soll dafür eine Dreiviertelmehrheit erforderlich sein, also 75 Prozent der Abgeordneten. Diese Mehrheit läge sogar noch über der für Verfassungsänderungen erforderlichen Zwei-Drittel-Mehrheit, die 66 Prozent entspricht.

Anders als in der Henkel-Variante sollen schon 16- und 17-Jährige an der Abstimmung teilnehmen können. Das ist bislang nur bei der Wahl der Bezirksverordnetenversammlungen möglich und soll künftig auch für die Wahl des Abgeordnetenhauses gelten. Zudem sieht der Oppositionsentwurf eine Mindestzustimmung vor, ein sogenanntes Quorum. Es liegt bei 15 Prozent Ja-Stimmen und soll künftig auch bei Volksentscheiden gelten, wo bislang 25 Prozent der Wahlberechtigten zustimmen müssen. In der von Henkel geplanten Abstimmung ist hingegen überhaupt keine Vorgabe hinsichtlich Beteilung oder Zustimmung. „Mehrheit ist Mehrheit“, sagte der Innensenator vergangene Woche.

Die Opposition hält Henkels Vorgehen nicht nur für falsch, sondern auch für nicht verfassungsgemäß. Grünen-Rechtspolitiker Dirk Behrendt verwies dazu auf zwei Jura-Professoren aus Osnabrück und Ludwigsburg. „Der Berliner Senat begeht Verfassungsbruch“, schreiben die beiden in einer gemeinsamen Stellungnahme. Werde der von ihm vorgelegte Gesetzentwurf beschlossen, lande das Thema unweigerlich vor dem Landesverfassungsgericht. Ob die Opposition dort klagen würde, blieb offen. Klaus Lederer, Landeschef und Rechtsexperte der Linkspartei, konnte sich gar nicht vorstellen, dass Rot-Schwarz den Vorstoß der Opposition ignoriert – „das wäre eine Ungeheuerlichkeit.“ Behrendt nannte eine Klage „eine Möglicheit“, zu der sich seine Fraktion aber noch nicht festgelegt habe.

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