Antisemitismus bei der Documenta: Jetzt hilft nur noch Förderstopp

Die Documenta-Leitung hätte aus ihren Fehlern lernen können. Stattdessen scheint schon wieder ein Antisemit in der Findungskommission zu sitzen.

Kulturstaatsministerin Claudia Roth sitzt etwas geknickt im Plenarsaal

Mit alten Problemen neu konfrontiert: Claudia Roth Foto: Serhat Kocak/dpa

Wer geglaubt hat, die judenfeindlichen Vorgänge bei der Documenta 15 seien so ungeheuerlich, dass eine Wiederholung ausgeschlossen ist, hat sich getäuscht. Man hat tatsächlich Besserung gelobt. Die Mitglieder der Findungskommission für die Auswahl der künstlerischen Leitung der nächsten Documenta mussten versichern, dass sie aber ganz gewiss keine Antisemiten sind. Dummerweise hat man es dabei belassen und nicht einmal bei google gecheckt, was die Herrschaften vor ihrer Berufung so gemacht haben.

Jetzt kommt heraus: Der indische Autor Ranjit Hoskoté unterschrieb 2019 eine BDS-Erklärung, die vor Judenhass nur so strotzt. Da ist von Zionismus als „rassistischer Ideologie“ die Rede, der eine „ethnische Reinigung“ zur Folge habe, und ein Land, in dem Nicht-Juden in einem „siedungskolonialistischen Apartheidsstaat“ weniger Rechte hätten. Besonders niedlich ist die Verteidigungsstrategie des Documenta-Machers Hoskoté: Er lese gerne Walter Benjamin und Paul Celan und habe sein ganzes Leben dem Kampf gegen „autoritäre faschistische Kräfte“ verschrieben. Bei der BDS-Erklärung sei es ihm gegen Hindu-Nationalismus gegangen. Eine Entschuldigung hält er offenkundig für unnötig.

Das ist ziemlich furchtbar. Doch der eigentliche Skandal besteht darin, dass es auch der neuen Documenta-Leitung nicht gelungen ist, irgend etwas an der organisierten Unverantwortlichkeit dieser Veranstaltung zu ändern. Das Versprechen, Judenhass nicht länger zuzulassen, war nur ein Lippenbekenntnis. Wie sonst ist es zu verstehen, wenn eine Geschäftsführung die Mitglieder eines entscheidenden Gremiums so oberflächlich überprüft, dass dort mindestens ein Judenfeind sitzen darf?

Nach Bekanntwerden der von Hoskoté unterschriebenen antisemitischen Erklärung nannte Documenta-Geschäftsführer Andreas Hoffmann dies zwar „nicht im Ansatz akzeptabel“. Ob Hoskoté aber deshalb das Gremium verlassen muss, ließ er offen.

Kulturstaatsministerin Claudia Roth dagegen hat gelernt, dass die Selbstheilungskräfte bei der Documenta-Leitung etwa die Wirkung von Globuli haben – also gar keine. Sie droht der Documenta mit dem Entzug staatlicher Förderung. Es dürfte die einzige Sprache sein, die dort verstanden wird.

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Jahrgang 1957, ist Mitarbeiter der taz und Buchautor. Seine Themenschwerpunkte sind Zeitgeschichte und der Nahe Osten. Hillenbrand ist Autor mehrerer Bücher zur NS-Geschichte und Judenverfolgung. Zuletzt erschien von ihm: "Die geschützte Insel. Das jüdische Auerbach'sche Waisenhaus in Berlin", Hentrich & Hentrich 2024

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