AfD-Verbot: Auf nach Karlsruhe?

Viele De­mons­tran­t*in­nen und immer mehr Abgeordnete fordern ein Verbotsverfahren gegen die AfD. Auch unsere Autorin hat ihre Meinung geändert.

Die Robe einer Bundesverfassungsrichterin

Nur das Bundesverfassungsgericht kann eine Partei verbieten Foto: Uli Deck/dpa

Vielleicht hat das Treffen, das jetzt für so viel Furore sorgt, auch etwas Gutes. Im vergangenen November soll Martin Sellner, einer der Köpfe der rechtsextremen Identitären Bewegung, in einem Landhotel in Brandenburg unter anderem mit Vertretern der AfD über einen Plan diskutiert haben, Asylsuchende, Mi­gran­t*in­nen mit Bleiberecht und „nicht assimilierte Staatsbürger“ massenhaft aus Deutschland zu vertreiben. Seitdem das durch eine Recherche von Correctiv bekannt wurde, ist die Empörung groß.

Endlich gehen Bür­ge­r*in­nen wieder auf die Straße, um die liberale Demokratie zu verteidigen, und zeigen, wo die Mehrheit der Gesellschaft weiterhin steht. Und endlich werden, in Politik und Zivilgesellschaft, wieder die unterschiedlichsten Strategien diskutiert, um die AfD zu bekämpfen – bis hin zu einem Verbotsverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht.

Nun könnte man sagen: Das alles hätte man auch vorher wissen können. Man muss nur ernst nehmen, was führende AfDle­r*in­nen so von sich geben. Zum Beispiel Björn Höcke, der Rechtsextremist aus Thüringen. Es „wird ein großangelegtes Remigrationsprojekt notwendig sein. Und bei dem wird man, so fürchte ich, nicht um eine Politik der ‚wohltemperierten Grausamkeit‘ (…) herumkommen“, heißt es etwa in seinem Buch, das 2018 erschienen ist.

Klar, Höcke ist nicht die gesamte AfD. Aber inzwischen dominiert er die Ideologie der Partei. Eine ernstzunehmende Strömung, die ihm etwas entgegensetzt, gibt es nicht mehr. Das gilt nicht nur für Landesverbände wie Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt, die der Verfassungsschutz als gesichert rechtsextrem eingestuft hat. Es gilt für die gesamte Partei.

Und doch war es bemerkenswert, mit welchen lapidaren Äußerungen Spitzenpolitiker bisher mitunter die Idee abtaten, ein Verbotsverfahren gegen die AfD auch nur zu prüfen. Der Ostbeauftragte der Bundesregierung, SPD-Politiker Carsten Schneider, sprach etwa von „einer Partei, die uns nicht passt“; der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz fragte in Richtung SPD-Chefin, ob diese dann auch die Union verbieten wolle. Als ob es darum ginge.

Hohe Hürden für Parteiverbot

Die Demokratie in Deutschland steht derzeit so unter Druck wie vielleicht noch nie in der Geschichte der Bundesrepublik. Bei den Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg im Herbst könnte die AfD stärkste Kraft werden, es ist nicht ausgeschlossen, dass sie es an die Macht schafft. Da darf man von Spit­zen­po­li­ti­ke­r*in­nen doch etwas mehr Ernsthaftigkeit in der Auseinandersetzung und der Prüfung von Gegenstrategien erwarten.

Die Autorin dieses Textes hatte am Verbotsverfahren gegen die NPD gezweifelt. Und wenn jemand sagte, dass man die AfD verbieten solle, hat sie dagegen argumentiert: Politisch müsse man diese bekämpfen, sich ihr im Alltag entgegenstellen. Und: Als ganze sei die Partei nicht rechtsextrem. Doch die Lage ist heute eine andere. Die AfD ist radikaler als früher. Viel stärker. Und mit dem Rest der rechtsextremen Szene besser vernetzt. Sie ist viel gefährlicher.

Am Kneipen- und Küchentisch, im Bundestag und auch unter Ju­ris­t*in­nen kursieren viele Argumente gegen ein Verbotsverfahren. Das wichtigste: Die Hürden sind hoch, die Beweislage ist schwierig. Auch weil die AfD, strategisch klug, Sätze wie jene von Höcke nicht in ihre Programme schreibt.

Deshalb sollte man in der Diskussion auch nicht so tun, als sei das ganze längst auf dem Weg oder das Verfahren ein Kinderspiel. Das Gegenteil ist der Fall. Der Schutz der Parteien ist in der Demokratie ein hohes Gut, weshalb auch nur das Bundesverfassungsgericht eine Partei verbieten kann. Zweimal erst hat es dies getan: 1952 die nationalsozialistisch orientierte Sozialistische Reichspartei (SRP), 1956 die Kommunistische Partei Deutschlands. Zwei Verfahren gegen die NPD sind gescheitert. Doch zu den Hürden später.

Viele Argumente gegen ein AfD-Verbot

Andere Gegenargumente sind nicht so stark. Es dauert lange und wird bei den Wahlen in diesem Jahr wenig helfen, etwa. Natürlich wird ein Verfahren Jahre dauern, was gut und richtig ist, schließlich darf in einer Demokratie eine Partei nicht leichtfertig verboten werden. Aber der Kampf gegen den Rechtsextremismus ist nun mal eine langfristige Angelegenheit. Auf die Landtagswahlen im Herbst werden weitere folgen. Uns steht ein Marathon bevor, kein Sprint.

Man muss die AfD politisch bekämpfen. Das stimmt, ist aber leider in den vergangenen Jahren nur mäßig gelungen. Ebenso wichtig ist zivilgesellschaftliches Engagement und auch das von Sicherheitsbehörden und Justiz. Aber es geht nicht um ein Entweder-Oder. Wir brauchen ein Sowohl-Als-Auch.

Die Leute und ihre Gesinnung sind nach einem Verbot nicht weg. Das ist leider wahr. Ein Verbot aber würde ihnen ihre Organisation nehmen und ihre Ressourcen empfindlich reduzieren. „Die AfD hat tausende Mitarbeiter, die 24 Stunden am Tag vom Steuerzahler bezahlt das Internet und die Parlamente mit rechtsradikalen Inhalten fluten“, so hat das der CDU-Politiker Marco Wanderwitz gerade benannt. Er ist einer von 49 Abgeordneten von CSU bis zur Linkspartei, die sich in dieser Woche in der taz für die Prüfung eines AfD-Verbotsverfahrens ausgesprochen haben.

Die AfD würde ein Verbotsverfahren zur Mobilisierung nutzen und sich als Opfer stilisieren. Darauf kann man wetten. Nur macht die AfD das völlig unabhängig davon, was De­mo­kra­t*in­nen tun. Deshalb eine Gegenmaßnahme zu lassen, ist ein Verzicht ohne Gegengewinn.

Man muss alles tun, um die AfD zu verhindern

Die AfD ist für ein Verbot bereits zu stark. Da drängt sich die Frage auf, warum dann im Grundgesetz zum Schutz der Demokratie überhaupt ein Parteiverbot vorgesehen ist. Das erste NPD-Verbotsverfahren scheiterte an Verfahrensfehlern, das zweite an der Schwäche der Partei. Und jetzt soll ausgerechnet die Stärke der AfD ein Gegenargument sein?

Bleibt vor allem die schwierige Beweislage. „Parteien, die nach ihren Zielen oder nach dem Verhalten ihrer Anhänger darauf ausgehen, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen oder den Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden, sind verfassungswidrig“, heißt es in Artikel 21 des Grundgesetzes. Es ist an der Zeit, ernsthaft zu prüfen, ob diese Kriterien erfüllt sein könnten. Dann braucht es den Mut, einen Antrag zu stellen – von Bundesregierung, Bundestag oder Bundesrat, den Verfassungsorganen, die dazu berechtigt sind. Am besten von allen dreien gemeinsam.

Dieser Text stammt aus der wochentaz. Unserer Wochenzeitung von links! In der wochentaz geht es jede Woche um die Welt, wie sie ist – und wie sie sein könnte. Eine linke Wochenzeitung mit Stimme, Haltung und dem besonderen taz-Blick auf die Welt. Jeden Samstag neu am Kiosk und natürlich im Abo.

Ein solches Verfahren darf auf keinen Fall scheitern, werden nun viele einwenden. Sicher sein, das aber kann man nicht. Die Entscheidung liegt bei acht Rich­te­r*in­nen des Bundesverfassungsgerichts.

Und man kann es auch andersherum sehen: Wenn der Verdacht so groß ist, dass die AfD der Demokratie und dem Rechtsstaat, der allgemeinen Menschenwürde und dem Schutz von Minderheiten an den Kragen will – dann darf man es doch nicht drauf ankommen lassen. Dann muss man alles tun, um das zu verhindern.

Was hilft gegen Rechtsextreme? Dieser Frage widmet sich diese Woche auch der politische Podcast der taz. Zu hören auf taz.de/bundestalk

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