Flucht aus dem Gazastreifen: Wo ist der Ausweg?

Israel für den Tod Unschuldiger allein verantwortlich zu machen, greift zu kurz. Ägypten könnte zigtausende Menschen bei sich aufnehmen.

Eine palästinensische Familie im Gazastreifen per Eselswagen auf der Flucht nach Süden

Eine palästinensische Familie im Gazastreifen auf der Flucht nach Süden Foto: Abed Rahim Khatib/dpa

Ägypten ist für die Menschen im Gaza­streifen die zentrale Hoffnung. Das gilt für die Geiseln, die sich in der Gewalt der Hamas befinden und die auf Verhandlungen hoffen. Und es gilt für die PalästinenserInnen, die fliehen wollen. Doch der Grenzübergang Rafah bleibt geschlossen. Allenfalls für AusländerInnen und PalästinenserInnen, die über einen ausländischen Pass verfügen, will man den Übergang zum Gazastreifen öffnen.

Eine massive Fluchtbewegung wird es nicht geben, daran ließ Präsident Abdel Fattah al-Sisi keinen Zweifel. Stattdessen sollte sich die palästinensische Bevölkerung „unerschütterlich“ zeigen. Wie zynisch. Al-Sisi argumentiert, dass eine Massenflucht der palästinensischen Sache schaden würde. Tatsächlich würde umgekehrt eine Flucht Zigtausender PalästinenserInnen, sei es aus dem Gazastreifen oder auch aus dem Westjordanland, direkt den Nationalreligiösen und Rassisten in Israel in die Hände spielen.

Denn die wünschen sich nichts mehr als ein Gebiet zwischen Mittelmeer und Jordan ohne AraberInnen. Ebenso wie die meisten PalästinenserInnen vom biblischen Palästina ohne IsraelInnen träumen dürften. Doch beide Szenarien sind unsinnig. Es geht jetzt nicht darum, den Gazastreifen komplett zu räumen. Es geht auch nicht darum, die Menschen dauerhaft in Ägypten unterzubringen. Vielmehr würde es sich um eine zeitlich begrenzte Flucht handeln, die mit dem letzten Kriegstag endet.

UNO, USA und EU könnten sich als Garanten dafür ins Spiel bringen, dass nach zwei Wochen oder auch erst nach Monaten, wenn der Krieg so lange dauert, die PalästinenserInnen wieder in den Gazastreifen zurückkehren. Und es sollte Ägypten nichts kosten, Zigtausende NachbarInnen vor den israelischen Bombardierungen und dem militärischen Missbrauch der Hamas zu retten. Die internationale Gemeinschaft müsste für Lager und für die Versorgung der Menschen aufkommen.

Die ägyptische Sorge davor, dass sich Hamas-Kämpfer unter die Flüchtenden mischen könnten, ist begründet. Kairo hat mit den extremistischen Muslimbrüdern, die eng mit der Hamas kooperieren, genügend eigene Probleme. Die Sicherheitsbedenken sollten ernst genommen werden, doch wäre schon viel erreicht, wenn nur Kinder und Frauen ausreisen dürften.

Ägypten darf sich jetzt nicht so leicht der Verantwortung entziehen. Die USA zahlen bis zu 1,3 Milliarden Dollar jährlich für militärische Zwecke. Den Versuch wäre es wert, mit einem Einfrieren der Zahlungen den Druck auf Kairo zu erhöhen, damit die Grenze geöffnet wird.

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1961 in Berlin geboren und seit 2021 Co-Leiterin der Meinungsredaktion. Von 1999 bis 2019 taz-Nahostkorrespondentin in Israel und Palästina.

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