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taz-lab-Kolumne S(ch)ichtwechsel #2 Niameys Öko-Müllabfuhr

Unser Autor erzählt von einer Zwei-Personen-Müllabfuhr in Niamey und wie ihm das Thema „Klima und Klasse“ in Niger begegnet.

Auf den Blickwinkel kommt es an — es ist nicht alles einfach Müll digitalpress/ imago

Von EMMANUEL NOGLO

In unserer taz-lab-Kolumne S(ch)ichtwechsel schreiben unsere Autor:innen wöchentlich über Klima und Klasse.

taz lab, 25.01.22 | Von den Temperaturen in Niamey, der Hauptstadt in Niger, wo ich mich momentan befinde, kann man in Deutschland zurzeit nur träumen. Es sind 28 Grad im Schatten. „Klima und Klasse“, das Thema des diesjährigen taz lab, ist für mich doppeldeutig: Nach 15 Jahren in Deutschland mit seinen Reizen des Konsums und mehr als 33 Jahren in Westafrika, mit seinem Willen an Träumen festzuhalten.

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Ein Esel und eine Karre

Letzte Woche ist mir wieder die zweite Deutung begegnet: „Bube, der Öko-Unternehmer“ von Niamey. Mit seinen 29 Jahren hat „Bube Ibrahim“ bereits zwei Frauen und drei Kinder. Die Amtssprache, Französisch, kann er nicht. Zwar beherrscht er Djerma und Haussa, Sprachen, die vom größten Teil der nigrischen Bevölkerung gesprochen werden, die ihm aber nicht den sozialen Aufstieg garantieren.

Doch „Bube“ hat sein eigenes Müllabfuhr-Unternehmen gegründet. Er führt den Müll mit einem Esel und einer Karre ab. Der Name seiner Firma „Poubellier“ (auf Deutsch: Müllwerker) wurde ihr von seinen Kun­d*in­nen gegeben.

„Aus den Augen aus dem Sinn“

„Bube“ hat einen Angestellten, bedient etwa 20 Haushalte in Niamey und sollte eigentlich pro Haushalt umgerechnet drei Euro monatlich verdienen. Er wird aber nicht regelmäßig bezahlt. Seine Firma ist nirgendwo registriert. Die einzige Möglichkeit, sich zu wehren, wenn die Kun­d*in­nen nicht zahlen, ist es, sie mit ihren Müllcontainern stehen zu lassen.

Der abgeholte Müll landet oft auf einem frei stehenden Grundstück in der Stadt. Der Müll verschwindet nur aus den Augen der Kund*innen, die in der Regel aus der wohlhabenden Minderheit bestehen und die in den Supermärkten westliche Produkte kaufen können. Ein gut funktionierendes Abfall-Recycling-System gibt es nicht.

Große Träume

„Bube“ steht neben seinem Esel und träumt vor sich hin. Er will reich werden. Seine Frauen dürfen aus kulturellen Gründen nicht arbeiten. Seine Kinder gehen in die „Koranschule“. Er wohnt mit ihnen in einer Hütte, die er auf ein wieder frei gewordenes Grundstück gebaut hat. Er ist es gewohnt, von einem freien Grundstück zum nächsten zu ziehen, wenn der Besitzer zurückkommt.

In diesem sozialen Chaos gefangen, tut „Bube“ etwas Sinnvolles: er betreibt seine Öko-Müllabfuhrfirma und hängt an seinem Traum, reich zu werden, bis ihm das soziale Netz die Hand reicht.