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Personenführung # 197: Helga Lukoschat Mehr Chancen für Frauen

Die promovierte Politologin, langjährige taz-Genderredakteurin und Kämpferin für Frauenrechte geht in Rente.

taz-Frauenstreik am 10.03.1988 in der Wattstrasse, Berlin Wedding. Helga Lukoschat (2. v. li.) Sabine Sauer

Von SIMONE SCHMOLLACK

taz info, 14.08.2023 | Sie sollte Fremdsprachensekretärin werden – der Wunsch ihrer Eltern. So was sollten Mädchen beruflich eben machen in jener Zeit, in der Helga Lukoschat in Westdeutschland groß wurde. Aber aus Helga, 1957 in Esslingen in Baden-Württemberg geboren, wurde eine promovierte Politologin, Journalistin und vor allem eine Kämpferin für Frauenrechte.

Ihre ersten journalistischen Schritte tat sie in der taz. Von Mai 1986 bis zum Frühjahr 1991 war sie Frauenredakteurin dieses kleinen anarchischen, selbstverwalteten Zeitungprojekts.

Vision einer solidarischen und geschlechtergerechten Welt

Sie schrieb Texte zur Abtreibung, zur Pille, zu Gewalt gegen Frauen, zur Frauenquote und natürlich Debatten zum Feminismus. Das taz-Archiv ist voll mit ihren Texten, Interviews, Kommentaren.

Und später, als sie die taz längst verlassen und 1995 die Europäische Akademie für Frauen in Politik und Wirtschaft (EAF) gemeinsam mit der Sozialwissenschaftlerin und Genderforscherin Barbara Schaeffer-Hegel gegründet hatte, mit Interviews, Statements, politischen Äußerungen.

In der EAF, die sie jahrelang als Geschäftsführerin und Vorstandsvorsitzende leitete, konnte sie ihre Vision einer solidarischen und geschlechtergerechten Welt, die sie in der taz journalistisch umsetzte, in Politik übersetzen.

„Feminismus ist für mich ein Freiheitsversprechen“

„Wir wollten mehr Frauen in Führungspositionen, eine familien- und kinderfreundliche Gesellschaft, eine Neuverteilung der Arbeit zwischen den Geschlechtern“, erklärt sie.

Bevor sie in der Redaktion auch noch einen Frauenstreik mit anzettelte, sammelte sie erste politische Erfahrungen in der autonomen Frauenbewegung Westberlins, lebte in einer WG mit zehn Frauen (400 Quadratmeter mit nur einer Toilette) und agierte – frei nach Jürgen Habermas – in „prinzipiengeleiteter Flexibilität“.

Das hieß für sie insbesondere der Kampf für die Gleichstellung. „Feminismus ist für mich ein Freiheitsversprechen“, sagte sie jüngst bei einem Fest, das ausschließlich ihr galt: Denn Helga Lukoschat geht jetzt in Rente.

Wie Rente? Kann man sich bei ihr, die stets umtriebig war, nicht vorstellen. Und ja klar, die EAF hat ein Ukraine-Programm – und viel Raum für Engagierte wie sie. Und für die taz hat sie sicher auch wieder mehr Zeit – als Gender-Expertin und vielleicht auch wieder als ­Au­torin. Das passt bestens, sowohl die taz als auch Helga sind nicht mehr so anarchisch wie einst.