Zum Tod von Wolfgang Schäuble: „Er hätte Europa zerstören können“

Griechenlands Ex-Finanzminister Euklid Tsakalotos lässt an seinem verstorbenen früheren Amtskollegen Wolfgang Schäuble kein gutes Haar.

Wolfgang Schäuble und Euclid Tsakalotos schütteln die Hände

Wolfgang Schäuble und der griechische Finanzminister Euclid Tsakalotos in Luxemburg, 15.06.2017 Foto: Geert Vanden Wijngaert/ap/picture alliance

ATHEN taz | „Wolfgang Schäuble hat die Eurogruppe viele Jahre lang dominiert. Er hatte eine große Durchsetzungskraft. Ich denke, dass wir trotz des heutigen Tages (des Todes von Wolfgang Schäuble, Anm.) fair und streng mit ihm sein müssen: Die Geschichte wird nicht gut über ihn urteilen“, sagte Euklid Tsakalotos, von Juli 2015 bis Juli 2019 Griechenlands Finanzminister, am Mittwoch dem privaten Athener Fernsehsender Skai TV.

„Er wollte ein vereintes Europa, er wollte eine politische Union, aber nur für ein paar Länder. Er wollte uns (Griechenland, Anm.) und andere Länder aus der EU ausschließen, weil er eine EU für einige wenige wollte. Er war einer jener Politiker, die nicht verstanden haben, dass alte Ideologien nicht funktionieren. Er hätte Europa zerstören können“, fügte Tsakalotos hinzu.

Schäuble, so Tsakalotos weiter, habe geglaubt, dass die Krise in der Eurozone erst 2009 eingetreten sei und sich davor nichts geändert habe. Er glaubte, dass nur Griechenland ein Sonderfall sei. „Er hat irgendwann seine Position geändert – auf Druck von Angela Merkel und Hollande (früherer französischer Staatspräsident, Anm.)“, sagte Tsakalotos.

Schäuble sei auch hart zu seinem eigenen Volk gewesen – und dazu noch schlau, so Tsakalotos. „Das Bild, das er vermitteln wollte, war, dass er sich ehrlich an die Regeln hält, aber das war nicht der Fall“, sagte Tsakalotos.

Schäuble hat in Griechenland einen schlechten Ruf

Tsakalotos hatte den Posten des griechischen Finanzministers in der Regierung des linken Premiers Alexis Tsipras auf dem Höhepunkt der Griechenlandkrise als Nachfolger von Yanis Varoufakis übernommen. Tsakalotos sanierte die griechischen Staatsfinanzen. Unter seiner Ägide erwirtschaftete das damalige Euro-Sorgenkind Hellas durchweg ein Haushaltsplus – das ist einmalig in der griechischen Finanzgeschichte.

Erst kürzlich verließ Tsakalotos die Ex-Regierungspartei Syriza („Bündnis der radikalen Linken“) aus Protest gegen den neuen Parteichef. Der Abgeordnete im Athener Parlament ist nun Mitglied der neu gegründeten Parlamentsgruppe „Neue Linke“ („Nea Aristera“).

Der frühere Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble hat in Griechenland einen schlechten Ruf. Er gilt nach dem faktischen Staatsbankrott Griechenlands im Frühjahr 2010 als einer der Protagonisten für die Durchsetzung eines harten Spardiktats in Athen, das Millionen Griechinnen und Griechen rapide verarmen ließ. Das hat ihm das Gros der Griechen nicht verziehen.

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