Verhandlungen über Tiefseebergbau: Erstmals ist Umwelt auf der Agenda

Die Internationale Meeresbodenbehörde debattiert über den Tiefseebergbau. Ein Regelwerk wird wohl auch diesmal nicht verabschiedet.

Ein Oktopus schwimmt im tiefschwarzen Meer

Leidet möglicherweise unter den Umweltrisiken des Tiefseebergbaus: der Dumbo-Tintenfisch Foto: University of Bergen, Centre for Deepsea Research/reuters

BERLIN taz | Während die Bergbaubranche weltweit Fakten für den Tiefseebergbau schafft, beraten die Staaten ab Montag ein weiteres Mal über die Rahmenbedingungen. Zwei Wochen lang verhandelt zunächst der Rat der Internationalen Meeresbodenbehörde (ISA) auf Jamaika über ein Regelwerk für den Abbau von Rohstoffen wie Nickel, Kupfer oder Kobalt. Beobachter erwarten dabei keine nennenswerten Fortschritte, zu knifflig sind die Details, zu weit liegen die Staaten auseinander.

Interessant wird es dann aber in der letzten Woche. Vom 29. Juli bis zum 2. August tagt die Vollversammlung der UN-Behörde und will dabei nicht nur eine neue Generalsekretärin wählen, sondern auch über ein mögliches Moratorium für den Tiefseebergbau diskutieren.

Erstmals wird die Vollversammlung von 168 Staaten plus der Europäischen Union die Umweltrisiken des Tiefseebergbaus diskutieren. „Beschlossen wird ein Moratorium auf dieser Versammlung sicher nicht, aber es ist eine wertvolle Initiative, die einen Prozess in Gang bringen kann“, sagt Martin Webeler von der Organisation Environmental Justice Foundation.

Der Vorstoß wird von neun Staaten unterstützt, unter anderem von der deutschen Bundesregierung. „Natürlich drängt die Zeit“, sagt Webeler, „denn einige wenige Staaten und vor allem Privatunternehmen drängen in den Tiefseebergbau“.

Norwegen plant bereits den Tiefseebergbau

So hat jüngst Norwegen ein Verfahren zum Rohstoffabbau in seiner ausschließlichen Wirtschaftszone gestartet. Japanische Wissenschaftler haben Vorkommen in japanischen Meeresgebieten gesichtet und ausgewertet. Befürworter eines raschen Einstiegs in den Tiefseebergbau verweisen auf den enormen Materialbedarf von Technologien, die ohne fossile Brennstoffe auskommen, wie etwa E-Autos, Windräder und Batteriespeicher.

Allerdings gibt es auch eine Gegenbewegung: So haben sich einige Banken, darunter die CrediteSuisse und Lloyds, verpflichtet, keine Projekte des Tiefseebergbaus zu finanzieren. „Die Tiefsee ist ins Visier von Staaten und Unternehmen geraten, obwohl wir fast nichts über die fragile Umwelt in den Meerestiefen wissen“, sagt Kristín von Kistowski, Leiterin Meeresschutz beim WWF Deutschland.

„Angesichts der gewaltigen Umweltrisiken wäre es fahrlässig, jetzt Vorschriften für den industriellen Tiefseebergbau zu verabschieden, bevor die massiven Lücken im wissenschaftlichen Forschungsstand geschlossen sind“, so von Kistowski. Zudem verweisen Studien darauf, dass die Metallvorkommen in der Tiefsee dem Bedarf etwa der erneuerbaren Technologien gar nicht entsprechen.

Leitungswechsel bei der ISA

Für Aufsehen hatte im Vorfeld der Vollversammlung die Wahl einer möglichen neuen Generalsekretärin gesorgt. Seit 2016 führt der Brite Michael Logde die Behörde. Er gilt als Industrienah und tritt wie ein Lobbyist der Bergbaubranche auf. Im Vorfeld bemühte er sich intensiv darum, ein drittes Mal gewählt zu werden, und versuchte offenbar, seine Gegenkandidatin zum Rückzug zu bewegen.

Bisher ist die Meeresbiologin Leticia Carvalho aus Brasilien aber noch im Rennen; seit 26 Jahren arbeitet sie beim UN-Umweltprogramm und koordiniert derzeit die Meeres- und Süßwasserpolitik der Unep. „Ich bin bekannt für den Aufbau starker internationaler Partnerschaften“, um „wichtige Meilensteine in Sachen Nachhaltigkeit zu erreichen“, schreibt sie auf ihrem Profil auf der Plattform LinkedIn.

„Mit Leticia Carvalho steht eine Kandidatin zur Wahl, die die notwendige Expertise besitzt und sich vornimmt, die Prozesse ordentlich zu führen“, sagt Daniela Herrmann, Meeresexpertin von Greenpeace. Die ISA stehe schon seit Längerem zu Recht wegen unzureichender Transparenz und Industrienähe in der Kritik, so Herrmann.

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