Ursache für Naturkatastrophe in Libyen: Klimakrise hat Megaregen verschärft

Mehr als 11.000 Tote: In Mittelmeerländern haben Niederschläge zu Flutkatastrophen geführt. CO2-Emissionen haben dazu beigetragen.

Eine Hand hält ein Handy, das das Bild einer Frau zeigt.

Der 69-jährige Libyer Hassan Kassar zeigt ein Bild seiner in den Fluten verstorbenen Tochter Foto: Esam Omran Al-Fetori/reuters

BERLIN taz | Die Fluten im Mittelmeerraum waren nicht einfach Zufall: Die vor allem durch die Nutzung fossiler Energieträger ausgelöste Klimakrise hat in der vergangenen Woche zu den enormen Regenfällen beigetragen. Das hat eine Schnellstudie der Forschungsinitiative World Weather Attribution ergeben.

Besonders in Libyen wären die extremen Niederschläge ohne Klimawandel untypisch gewesen. Die Erderhitzung hat ihr Auftreten 50-mal wahrscheinlicher gemacht. In dem nordafrikanischen Land sind laut Vereinten Nationen mehr als 11.000 Menschen durch die Fluten gestorben, das Schicksal von 10.000 Vermissten ist noch unbekannt.

In Griechenland, Bulgarien und der Türkei hat der Klimawandel den Starkregen immer noch zehnmal wahrscheinlicher gemacht. Auch dort starben jeweils mehrere Menschen. „Der Mittelmeerraum ist ein Hotspot der Klimarisiken“, sagte die Klimaforscherin Friederike Otto vom Londoner Imperial College, die World Weather Attribution mitgegründet hat und leitet.

Die Gruppe weist allerdings auf „große mathematische Unsicherheiten“ bei den Ergebnissen hin. Das Problem: Die Niederschläge hätten auf relativ kleinen Flächen stattgefunden, was die meisten Klimamodelle nicht gut abbilden könnten.

Wie man den Klimawandel im Wetter findet

Lange war es praktisch unmöglich, bei einzelnen Wetter­ereignissen überhaupt einen konkreten Anteil des Klimawandels zu benennen. Zwar war bekannt, dass beispielsweise Hitzewellen durch mehr Treibhausgase in der Atmosphäre statistisch gesehen häufiger werden, weil es physikalisch gar nicht anders sein kann – aber manchmal hätte es natürlich auch ohne Klimakrise extremes Wetter gegeben.

Das ansatzweise auseinanderzudividieren ist erst möglich, seit es Computer mit enormer Rechenleistung und immer bessere Klimamodelle gibt. Der entsprechende Zweig der Klimawissenschaft heißt Attributionsforschung.

Wis­sen­schaft­le­r:in­nen untersuchen dabei das fragliche Wetterereignis bis in seine meteorologischen Details und prüfen mithilfe von Klimamodellen, wie wahrscheinlich deren Auftreten war. Dann simulieren sie in den Modellen eine Realität ohne menschliche Treib­hausgase, ohne 1,2 Grad Erderwärmung. Tritt das Wetter­ereignis dort mit geringerer Wahrscheinlichkeit auf, kann man den Unterschied auf den Klimawandel zurückführen.

Wie sicher es gelingt, den natürlichen und den menschengemachten Anteil an extremem Wetter auseinanderzuhalten, hängt im Wesentlichen von zwei Faktoren ab: wie groß das Wetterereignis ist und wie komplex. Extreme Hitze tritt zum Beispiel oft recht großräumig auf und hat nur einen Parameter: die Temperatur. Das eignet sich deshalb besonders gut für Attributionsstudien. Bei anderen Wetterereignissen ist das teils komplizierter.

World Weather Attribution führt die Studien in Eigenregie durch – und veröffentlicht sie auch selbst statt in Fachmagazinen. Das hat den Vorteil, dass die Wis­sen­schaft­le­r:in­nen die Öffentlichkeit schon kurz nach Extremwetterereignissen informieren können. Es heißt auch, dass die Studien nicht durch die üblichen Prüfverfahren von unbeteiligten Fach­kol­le­g:in­nen gehen. Es werden aber nur Methoden genutzt, die diese Prüfverfahren schon durchlaufen haben.

Noch eine Anmerkung ist den Forschenden wichtig: dass die Auswirkungen von extremem Wetter nicht nur von dessen Stärke abhängen, sondern auch von den Gegebenheiten vor Ort. Dass der Regen in Libyen zu einer solchen Katastrophe geführt hat, habe also auch damit zusammengehangen, dass Flutgebiete bebaut waren, dass Wälder stark abgeholzt wurden, dass Bürgerkrieg herrscht. So waren sehr viele Menschen den Wassermassen schutzlos ausgesetzt, als zwei Dämme brachen.

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