Schriftsteller Cormac McCarthy tot: Kein Leben ohne Blutvergießen

Cormac McCarthy war der Autor so gewaltsamer wie längst klassischer Romane wie „Die Straße“ und „No Country for Old Men“. Jetzt ist er gestorben.

Cormac McCarthy im Halbprofil

Geliehene Welt und geliehene Augen, sie zu betrauern Foto: Pulitzer Prizes/EPA/dpa

Eine interessante Aura umgab ihn. Cormac McCarthy ließ einen denken, dass da jemand jenseits der Moden und der „Debatten“ seine Romane schrieb. Und diese Romane zu lesen lässt einen auf zwei ganz unterschiedlichen Ebenen dieser Literatur nachspüren. Auf der einen Seite ist man schnell bei den ganz großen Begriffen. Einsamkeit. Verdammnis. Aber auch Schönheit der Beschreibung.

Etwas Klassisches, an griechische Tragödien Gemahnendes ist in diesen Büchern. Sie bringen einen dazu, über Verzweiflung nachzudenken. Darüber, wie weit sie gehen kann. Und was kommt, wenn man sie durchschritten hat. Wie es einmal bei ihm heißt: „This is what the good guys do. They keep trying. They don’t give up.“

Auf der anderen Seite sind da in seinen Büchern aber immer auch diese hervorstechenden Details und diese das Beschriebene stets erdenden Sätze. Dieser ständige unerbittliche Ascheregen in dem postapokalyptischen Roman „Die Straße“ beispielsweise, man hält das kaum aus. Oder das Bolzenschlaggerät, mit dem der Auftragsmörder in „No Country for Old Men“ hantiert und das in der Verfilmung der Coen-Brüder Javier Bardem so gekonnt in Szene setzt. Nicht nur die Guten geben bei Cormac McCarthy nicht auf, die bad guys tun es erst recht nicht.

Cormac McCarthy wurde 1933 in Providence, Rhode Island, an der US-Ostküste geboren und wuchs in Knoxville, Tennessee, in den US-Südstaaten auf. Nach seiner Zeit bei der Air Force fing er, als Automechaniker arbeitend, noch in den 50er Jahren mit dem Schreiben an, schrieb bis zum Schluss auf einer Schreibmaschine und gab seine ganze Karriere über wenig Interviews.

Morde und überhaupt Brutalität sind von Anfang an in seinem Werk zentral. Den Roman „Blood Meridian“, mit dem ihm Mitte der 80er Jahre der Durchbruch als Autor gelang, bezeichnete die New York Times als „vielleicht blutigstes Buch seit der Illias“. „Es gibt kein Leben ohne Blutvergießen“, sagte er einmal selbst.

Bis ins Mark erschrecken

In seinem Werk zumindest gibt es das tatsächlich nicht. Sein Roman „Die Straße“ gehört zu den Büchern, die einen in ihrer Gewaltdarstellung bis ins Mark erschrecken können, die einen in der grandiosen Unerbittlichkeit der Schilderung aber die ganze Zeit über auch zu fesseln vermögen: „Im grauen Licht ging er hinaus, blieb stehen und erkannte einen Moment lang die absolute Wahrheit der Welt. Das kalte, unerbittliche Kreisen der hinterlassenschaftslosen Erde. Erbarmungslose Dunkelheit. Die blinden Hunde der Sonne in ihrem Lauf. […] Geliehene Zeit, geliehene Welt und geliehene Augen, um sie zu betrauern.“

Das Treiben der Menschen, ihre Ängste, ihre Überlebenskämpfe auch jenseits aller Hoffnung wie vom Universum aus gesehen, von weit weg. Und zugleich mit dem Willen, literarisch standzuhalten.

„Bücher werden aus Büchern gemacht“, lautet eine seiner Arbeitsmaximen. Seine handwerkliche Präzision ist es denn auch, die ihn neben dem bis auf die Knochen heruntergebrochenen Existenzialismus seiner Handlungen zu einem so einflussreichen Autor werden ließ. Dabei schrieb er mit der abendländischen Literaturgeschichte im Hintergrund.

Neben Herman Melville hat Cormac McCarthy selbst William Faulkners Südstaaten-Epen als entscheidenden Einfluss bezeichnet. Man kann aber vielleicht auch die End- und Sprachspiele Samuel Becketts dazuzählen. Und „Die Straße“ ist auch eine dystopische Odyssee, das Stationendrama einer versuchten Rückkehr in eine Heimat, die hier allerdings nicht mehr existiert.

Reich an Einfluss auf seine Romane ist vor allem aber auch der Western. Wobei Western in diesem Fall eher nicht Aufbruch nach Westen und Cowboyfolklore bedeutet, sondern Überleben in einer Situation, in der es das Recht noch nicht oder nicht mehr gibt, und inmitten einer überwältigenden Landschaft, die zu groß und zu fremd für die Menschen ist, die sie bevölkern. Von Menschen, die sich selbst nicht zivilisieren können, ist die Zivilisierung dieser in seinen Büchern oft übermächtigen Natur nicht zu erwarten.

Im vergangenen Jahr kamen noch zwei späte Romane von ihm auf Deutsch heraus, „Der Passagier“ und „Stella Maris“. Nun ist Cormac McCarthy im Alter von 89 Jahren im amerikanischen Südwesten gestorben.

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