Rechtsextreme Vorfälle in Berlin: Neonazis drangsalieren Jugendclubs

Die Kleinstpartei „Der III. Weg“ verstärkt offenbar ihre Aktivitäten – insbesondere in Pankow. Dort wurde vergangene Woche ein Parteikader niedergestochen.

Eine kleine Gruppe von Männern steht mit dem Rücken zur Kamera, auf ihren Pullovern stehen Aufschriften wie "National Revolutionär Sozialistisch" und "Deutsche Jugend voran!"

Im Nordosten Berlins besonders umtriebig: Neonazis vom „III. Weg“ bei einer Kundgebung im Bezirk Lichtenberg im Oktober 2020 Foto: Jörg Carstensen/dpa

BERLIN taz | Gewalttaten, Bedrohungen, eingeschlagene Scheiben: Seit mehreren Monaten gibt es im Norden und Osten Berlins eine Serie von rechten Angriffen auf Jugendclubs und Personen, die als politisch links empfunden werden. Die Taten werden größtenteils der Neonazi-Kleinstpartei „Der III. Weg“ zugerechnet, die insbesondere im Bezirk Pankow immer wieder in Erscheinung tritt.

Im Januar etwa überfielen rund 20 vermummte Personen das „Unabhängige Jugendzentrum Pankow“ (JUP), rissen Plakate ab und brachten Sticker des „III. Weg“ und dessen Nachwuchsorganisation „Nationalrevolutionäre Jugend“ (NRJ) an. Vor einigen Wochen wurde zudem ein Fenster im JUP eingeworfen. Auch der Jugendclub „Bunte Kuh“ im Ortsteil Weißensee berichtet von Einschüchterungen.

Seit 2023 seien berlinweit 19 solcher Aktionen des „III. Weg“ und der NRJ gegen Jugendeinrichtungen und an Schulen registriert worden, berichtete die Grünen-Abgeordnete June Tomiak am Montag im Verfassungsschutzausschuss des Abgeordnetenhauses. Sie hatte die Zahlen beim Senat und den Bezirken erfragt. Tomiak betonte: „Der regionale Schwerpunkt liegt klar im Osten Berlins.“

Innenstaatssekretär Christian Hochgrebe (SPD) sagte dazu, ihm lägen zwar „keine konkreten Erkenntnisse“ dazu vor, dass die Neonazis verstärkt Jugendclubs als Ziele benennen würden. Jedoch verfolgten sie die Strategie, „durch Präsenz und Drohgebärden eine Vormachtstellung im Kiez zu suggerieren“. Dazu zählten auch Angriffe auf Jugendeinrichtungen, denn „deren Aktivitäten passen nicht ins Weltbild der Rechtsextremisten“, so Hochgrebe weiter.

Messerstecherei in Prenzlauer Berg

Doch offenbar wird der Kampf um rechte Hegemonie in Pankow nicht allein vor Jugendclubs und Schulen ausgetragen. Erst in der vergangenen Woche sorgte eine Messerstecherei in Prenzlauer Berg für Schlagzeilen: Laut Polizei kam es am Donnerstagabend zu einer „Auseinandersetzung zwischen einem Trio und einem Mann“ – sowohl der Mann als auch zwei Angehörige des „Trios“ wurden später mit teils schweren Stichverletzungen aufgefunden.

Bei dem Mann handelt es sich um den Berliner „III. Weg“-Kader Leander S., das Trio soll laut Polizei aus Personen der linken Szene bestanden haben. Nun ermittelt der Staatsschutz. Bereits Anfang des Jahres soll ein Angehöriger des „III. Wegs“ in Pankow attackiert worden sein; kurz darauf wurde eine Person in der Greifswalder Straße von Neonazis verprügelt.

Unterdessen schlägt auch der Linken-Abgeordnete Ferat Koçak Alarm. „Gestern Nacht wurde das Haus meiner Familie von Nazis der Partei ‚Der III. Weg‘ erneut markiert“, schrieb Koçak auf X. Der Neuköllner Politiker war 2018 Ziel eines mutmaßlich rechten Brandanschlags, der bis heute nicht aufgeklärt ist.

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Rechtsextreme Terroranschläge haben Tradition in Deutschland.

■ Beim Oktoberfest-Attentat im Jahr 1980 starben 13 Menschen in München.

■ Der Nationalsozialistische Untergrund (NSU) um Beate Zschäpe verübte bis 2011 zehn Morde und drei Anschläge.

■ Als Rechtsterroristen verurteilt wurde zuletzt die sächsische „Gruppe Freital“, ebenso die „Oldschool Society“ und die Gruppe „Revolution Chemnitz“.

■ Gegen den Bundeswehrsoldaten Franco A. wird wegen Rechtsterrorverdachts ermittelt.

■ Ein Attentäter erschoss in München im Jahr 2016 auch aus rassistischen Gründen neun Menschen.

■ Der CDU-Politiker Walter Lübcke wurde 2019 getötet. Der Rechtsextremist Stephan Ernst gilt als dringend tatverdächtig.

■ In die Synagoge in Halle versuchte Stephan B. am 9. Oktober 2019 zu stürmen und ermordete zwei Menschen.

■ In Hanau erschoss ein Mann am 19. Februar 2020 in Shisha-Bars neun Menschen und dann seine Mutter und sich selbst. Er hinterließ rassistische Pamphlete.

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