Netzexperte über Netzneutralität in USA: „Drosselung gibt es schon jetzt“

Der Plan der USA, die Netzneutralität abzuschaffen, wird sich auch auf die europäische Debatte auswirken, sagt Alexander Sander. Jetzt seien die Verbraucher gefordert.

Schnell, schneller, Überholspur: Die Netzneutralität ist bedroht Bild: dpa

Herr Sander, die USA planen das Ende der Netzneutralität. Was bedeutet das für die Debatte in Europa?

Alexander Sander: Hier läuft aktuell die Debatte noch. Zwar hat sich das EU-Parlament kürzlich für die Netzneutralität stark gemacht, der Europäische Rat muss sich aber noch positionieren. Die Pläne in den USA nutzen jetzt in erster Linie denjenigen, die die Netzneutralität abschaffen wollen. Die können jetzt sagen: Schaut her, die USA machen das doch auch. Wobei die Formulierungen bisher recht schwammig sind. Es wird sicherlich Klagen dagegen geben, über die letztlich US-Gerichte entscheiden werden.

Können auch die Verfechter der Netzneutralität in Europa profitieren?

Wenn man noch in diesem Jahr konkrete Auswirkungen in den USA merkt, dann schon. Etwa, wenn Verbraucher gegängelt werden oder es Startups schwieriger haben als bisher. Solche negativen Auswirkungen können die Debatte auch positiv beeinflussen.

Hat das Thema auch Auswirkungen auf die Verhandlungen rund um das Freihandelsabkommen TTIP?

Durchaus. Wenn das Freihandelsabkommen durchkommt, können etwa Unternehmen, die nach Europa kommen, argumentieren, dass sie hier unter den selben Spielregeln wirtschaften wollen wie in den USA. Wir sehen diese Gefahr jedenfalls und setzen uns weiter dafür ein, dass die Netzneutralität in Europa gesichert wird.

Sie erwähnten Schwierigkeiten für Startups. Welche sind das?

Wenn sich nur finanzstarke Unternehmen künftig eine Überholspur im Internet leisten können, werden neue Unternehmen benachteiligt. Wenn Skype etwa dafür zahlt, dass sein Dienst bevorzugt wird und sich ein Startup gründet, das einen ähnlichen Dienst anbieten will, konkurriert es künftig auch um schnelle Internetleitungen. Das kostet natürlich Geld, was dann nicht mehr für tatsächliche Innovationen genutzt werden kann.

30, ist Geschäftsführer der Digitalen Gesellschaft. Zuvor war er drei Jahre in Brüssel Mitarbeiter eines Mitglieds des Europäischen Parlaments.

Die US-Kommunikationsbehörde FCC plant, dass Provider keine Dienste verlangsamen dürfen, sondern finanzstarke Anbieter ihre Inhalte schneller durchs Netz leiten lassen können. Was spricht dagegen?

Das Kernproblem ist, dass der weltweite Internetverkehr permanent zunimmt und gleichzeitig der Breitbandausbau kaum vorankommt. Das führt schon jetzt automatisch zu einer Drosselung des Geschwindigkeit. Wenn dann also eine Art Überholspur dazugekauft wird, ist das keine direkte Drosselung, aber eine indirekte wegen mangelnder Leitungen. Am Ende gibt es dann trotzdem ein Zweiklassen-Internet.

Welche Nachteile haben Verbraucher, wenn die Netzneutralität fällt?

Es wird zunächst zu einem kaum durchschaubaren Tarifdschungel kommen. Es wird unendlich viele Tarifoptionen geben, mit Paketpreisen und so weiter. Der normale Verbraucher wird kaum mehr überblicken, was für einen Internetvertrag er eigentlich benötigt.

Hätten nicht manche Verbraucher auch Vorteile von schnelleren Angeboten. Etwa solche, die im Netz vorwiegend Streaming-Dienste nutzen?

Das glaube ich nicht. Es gibt kaum Internetuser, die nur Skype oder nur Streaming-Dienste nutzen. Das ist eine Minderheit. Für die meisten wird es sich aber verschlechtern, wie erwähnt, besonders bei undurchschaubaren Tarifen. Ähnlich, wie sie jetzt schon im Mobilfunkbereich angeboten werden.

Welche Möglichkeiten hat der normale Internetuser, der sich für die Netzneutralität stark machen will?

Man kann sich in Vereinen engagieren, Petitionen starten, bloggen. Man kann Abgeordnete und Ministerien schreiben, sich beim Provider beschweren. Das wichtigste ist aber, dass man sich schlicht darüber informiert.

Für viele ist Netzneutralität ein sehr abstraktes Thema...

...das stimmt, sexy ist das nicht. Aber wir versuchen das durch einfache Formulierungen verständlich zu machen, die technischen Details zu übersetzen. Etwa, indem wir vom Zweiklassen-Internet sprechen. Wenn es aber um die Gesetzesformulierungen geht, um die technischen Detailfragen, wird es kompliziert. Da muss man sich schon eine Weile mit dem Thema befassen, um dann die Fallstricke ausmachen zu können.

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