Jahresauftakt der Linkspartei: Angriff auf die Superreichen

Vermögensabgabe und Preisdeckel: Mit diesen Forderungen will die Linke ins Wahljahr ziehen. Und eine neue Bundesgeschäftsführung hat sie auch.

Ates Gürpınar und Katina Schubert

Sollen das schlingernde Linken-Schiff wieder auf Kurs bringen: die neuen Ge­schäfts­füh­re­r:in­nen Ates Gürpinar und Katina Schubert Foto: Joerg Carstensen/dpa

BERLIN taz | Die Stadtmission in der Nähe des Berliner Hauptbahnhofs, im ehemaligen Arbeiterviertel Moabit gelegen, ist ein denkbar unglamouröser Ort. Der Haupteingang ist wegen Bauarbeiten gesperrt, auf dem Gelände stapeln sich Decken der Kältehilfe, die Obdachlose vor dem Erfrieren retten sollen. In einem Nebengebäude lädt die Linkspartei ab Freitag zu ihrem traditionellen Jahresempfang, der diesmal ganz im Zeichen der Wahlkämpfe im neuen Jahr steht – dem für das Europaparlament in Brüssel im Juni und denen für die Landtage in Potsdam, Erfurt und Dresden.

Linken-Parteichef Martin Schirdewan zeigt sich angriffslustig und gut gelaunt. „Wir sind bereit“, antwortet er auf die Frage einer Journalistin, die wissen will, ob die Linkspartei denn für Neuwahlen gerüstet sei. Die hat Schirdewan gerade mal wieder gefordert – trotz der schlechten Umfragewerte für seine Partei. Denn an der Ampel lässt er kein gutes Haar. Auf dem SPD-Parteitag verspreche der Kanzler, sich „gegen Sozialabbau“ zu stellen. Am nächsten Tag beschließe die Ampel ihren „Kürzungshaushalt“ – das sei „ökonomischer Wahnsinn“, zitiert Schirdewan die Wirtschaftswissenschaftlerin Isabella Weber.

Zuvor hatte Schirdewan drei Kernforderungen formuliert, mit denen die Linke ins Wahljahr ziehen will. Mit einer Vermögensabgabe will sie Milliardäre stärker zur Kasse bitten. Die zehn reichsten Deutschen hätten ihr Vermögen zuletzt um 20 Prozent gesteigert und würden das gar nicht merken. Das Geld sollte in Pflege, Gesundheit, Bildung und den digitalen Wandel investiert werden, sagt Schirdewan. Zweitens müsse eine „Investitionsoffensive“ her, dafür müsse man die Schuldenbremse überwinden. Und drittens sollen Menschen mit niedrigem Einkommen entlastet werden – durch einen Mindestlohn von 15 Euro – statt derzeit 12,41 Euro – sowie einen Preisdeckel für Strom, Heizung und Grundnahrungsmittel, fordert die Linke.

Zu ihrem Jahresauftakt hat die Linkspartei den Chef des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher eingeladen. „Einer der drei Top-Ökonomen“, schwärmt Schirdewan. Er wird am Freitagabend eine Keynote halten. Man müsse viel stärker „in den Konflikt gehen mit Reichen und Konzernen“, sagt Schirdewan. Stattdessen spare die Bundesregierung am falschen Ende. „Die treten in der Sackgasse noch aufs Gas“, empört er sich.

Die Ampel lasse „die Menschen im Stich“, sekundiert Parteichefin Janine Wissler. Während die Regierung das Essensgeld von Erwerbslosen um 170 Millionen kürze, gebe sie 200 Millionen für drei neue Luxus-Hubschrauber aus, rechnet sie vor. Auch die Pflegekräfte seien nach der Coronakrise im Regen stehen gelassen worden. „Wo ist da der Respekt?“, fragt Wissler und wendet den Wahlkampf-Slogan von Scholz gegen ihn. Deutschland sei ein wohlhabendes Land, aber der Reichtum müsse besser verteilt werden, sagt Wissler. Es gebe in Deutschland 230 Milliardärsfamilien, bläst auch sie zum Angriff auf die Superreichen.

Dann kommen Schirdewan und Wisser noch auf eine wichtige Personalie zu sprechen. Als neue Bundesgeschäftsführung stellen sich Katina Schubert und Ates Gürpinar vor. Beide sind stellvertretende Parteivorsitzende, Schubert sitzt im Berliner Abgeordnetenhaus und Gürpinar im Bundestag. Man teile sich den Job zu zweit, weil man die Mandate weiter ernst nehmen wolle, so Schubert. Mit neuer Kraft wolle man 2025 wieder „gestärkt in den Bundestag einziehen“, gab sie als langfristiges Ziel aus. Dazu habe man die Geschäftsstelle umstrukturiert, ergänzt Gürpinar: „Der Maschinenraum muss funktionieren“. Beide sind als frühere Landesvorsitzende in Berlin und Bayern erfahrene Wahlkämpfer.

Am Mittwoch hatte der bisherige Bundesgeschäftsführer Tobias Bank seinen Rücktritt öffentlich gemacht. In einem Schreiben an die Parteimitglieder gab der 38-Jährige als Grund für seine überraschende Entscheidung an, mit dem angeblichen neuen Kurs seiner Partei unzufrieden zu sein, „fast alles auf Bewegungen außerhalb von Parlamenten sowie auf städtische Milieus zu konzentrieren und Wahlergebnisse scheinbar nicht mehr als Maßstab für politischen Erfolg zu sehen“, wie er schrieb. Er wolle nicht „Feigenblatt eines vermeintlichen innerparteilichen Meinungspluralismus sein“.

Bis dahin Mitarbeiter der Linksfraktion im Bundestag, war Bank auf dem Erfurter Parteitag 2022 als Außenseiter ins Rennen gegangen und hatte sich bei der Wahl des Bundesgeschäftsführers gegen den favorisierten Janis Ehling durchgesetzt. Wie das ND meldet, tritt Bank, der als ein Spezi des Ex-Linksfraktionschefs Dietmar Bartsch galt, demnächst einen Verwaltungsjob in Brandenburg an, um den er sich kürzlich beworben hat. Parteichefin Wissler zeigt sich von Banks Kritik überrascht. Er habe den Bundesparteitag vor zwei Monaten in Augsburg vorbereitet. Seitdem seien viele neue Mitglieder in die Partei eingetreten, sagt sie.

Einen Wechsel zu der neuen Wagenknecht-Partei plant Bank nach eigenem Bekunden nicht. Über das BSW will hier niemand viele Worte verlieren. Diese habe sich „rechts positioniert“, sagt Katina Schubert, beim Asyl, in der Wirtschaftspolitik und sogar beim Bürgergeld. Es gebe eine „Repräsentationslücke für linke Politik“, meint Schirdewan, „wirkliche Sozialpolitik“ sei das „Alleinstellungsmerkmal“ seiner Partei.

Eine der immer weniger werdenden Schnittmengen zwischen Wagenknecht und ihrer ehemaligen Partei besteht auf dem Gebiet der Außenpolitik: Beide treten für Abrüstung und Diplomatie ein, beide kritisieren Militarisierung und Kriegspolitik. „Wir wollen eine Außenpolitik, die keine doppelten Maßstäbe kennt“, versucht Wissler, sich von der Bundesregierung wie von Wagenknecht abzugrenzen. Es sei falsch, Waffen an Saudi-Arabien zu verkaufen. Die Linke verurteile aber auch den Angriffskrieg gegen die Ukraine „aufs Schärfste“.

Zum Krieg in Gaza und Südafrikas „Genozid“-Klage gegen Israel vor dem Internationalen Gerichtshof sagt Wissler: „Die Klage muss man erst nehmen.“ Sie selbst würde sich den Begriff aber nicht zu eigen machen wollen. Sie hoffe jedoch, dass das Verfahren in Den Haag den Druck erhöhe, „dass dieser Krieg beendet werden muss“. Es brauche einen Waffenstillstand, humanitäre Hilfe für die Menschen in Gaza und die sofortige Freilassung aller Geiseln. Da spiegelte sich der Ernst der Weltlage für einen Moment in der Berliner Stadtmission.

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