Die Wahrheit: Mit 17 hat man noch Albträume

Diese jungen Leute. Man fasst es nicht. Nie, auch nicht als Eltern. Wir hatten uns die Geburtstagsparty des Sohnes irgendwie anders vorgestellt.

Der Sohn will seinen 17. Geburtstag zu Hause feiern. Er sieht mich streng an: „Papa, es ist sehr wichtig, dass du dich nicht zu uns setzt und nicht sprichst, verstanden? Am besten, ihr geht an dem Abend weg.“

Der Vorschlag trifft mich wie ein Schlag. „Aber wir können doch nicht eine Horde 17-Jähriger mit Bier im Haus allein lassen!“ – „Was soll da passieren? Einige werden halt betrunken sein am Ende.“ Ich bin schockiert. „Man hört so viel von Jugendlichen, die auf Partys alles voll­kotzen und die Wohnung demolieren!“ – „Ich trinke ja gar keinen Alkohol. Nur Mate.“

Ich nicke bekümmert. Die Rebellion gegen die Eltern, sie geht mitunter verschlungene Wege. „Und die anderen benehmen sich schon, keine Sorge.“ – „Alkohol enthemmt aber. Jungen. Mädchen. In einer Wohnung!“ – „Ja und?“ – „Was, wenn ihr schwanger werdet!“ – „Papa!“, mein Sohn schaut belustigt, „ich dachte, ihr seid so aufgeschlossen und modern?“ – „Ja klar“, schiebe ich schnell nach, „also: Was, wenn die als Frau gelesenen Personen schwanger werden?“ Der Sohn schüttelt entnervt den Kopf. Ich resigniere.

Angespannte Stimmung im Lokal

Gesenkten Hauptes schleichen meine Frau und ich am Tatabend zum Lieblingsrestaurant. Der Wirt spürt die angespannte Stimmung. Wir berichten von der schwierigen Lage. Sofort erzählt er, wie sie früher die elterliche Wohnung zerlegt haben bei der ersten Party.

„Und wir haben im Ehebett der Eltern unseres Freundes gefickt!“, ruft eine fröhliche Frau am Tisch nebenan. „Meine Freundin ist bei so einer Party gleich schwanger geworden“, ergänzt ein Mann. „Ich war so besoffen, ich habe sogar in die Blumenvasen gekotzt!“, schwelgt ein Dritter in Jugenderinnerungen – im Nu herrscht im ganzen Restaurant ein aufgeregtes Geschnabbel und Geschwärme. Wir werden blasser und blasser.

Um ein Uhr halten wir es nicht mehr aus. Wir gehen nach Hause. „Ich geh da jetzt rein!“, sage ich. Den Satz wollte ich immer schon mal sagen. Als ich in die Wohnung komme, ist es gespenstisch still. Eilig schaue ich in die Küche. Dort steht der Sohn und macht den Abwasch. Er macht den Abwasch!

„Wo sind denn alle?“, frage ich verwundert. „Die sind schon gegangen“, sagt der Sohn, „ist ja schon nach eins.“ – „Ihr hattet sturmfrei, und um eins sind alle schon nach Hause?“, frage ich entsetzt. Ich verstehe diese Jugend einfach nicht mehr. Ich schaue ins Wohnzimmer – es sieht aus wie geleckt.

„Die haben noch kurz aufgeräumt, bevor sie gegangen sind“, erklärt mein Sohn. Ich schüttele fassungslos mit dem Kopf und gehe ins Bad. Misstrauisch beäuge ich das Klo. Tatsächlich: Spritzspuren! „Hier hat einer gekotzt!“, rufe ich begeistert. „Ja“, sagt mein Sohn, „Paul. Der hatte sich was mitgebracht, ist ihm nicht bekommen.“ Mein Sohn zeigt mir die leere Flasche: Berliner Weiße mit Himbeer. Kein Wunder, dass er kotzen musste. Sie müssen noch so viel lernen, diese jungen Leute.

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Heiko Werning ist Reptilienforscher aus Berufung, Froschbeschützer aus Notwendigkeit, Schriftsteller aus Gründen und Liedermacher aus Leidenschaft. Er studierte Technischen Umweltschutz und Geographie an der TU Berlin. Er tritt sonntags bei der Berliner „Reformbühne Heim & Welt“ und donnerstags bei den Weddinger „Brauseboys“ auf und schreibt regelmäßig für Taz und Titanic. Letzte Buchveröffentlichung: „Vom Wedding verweht“ (Edition Tiamat).

ist die einzige Satire- und Humorseite einer Tageszeitung weltweit. Sie hat den ©Tom. Und drei Grundsätze.

kari

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