Bundestagsdebatte über Ukraine-Krieg: Die unbeantwortete Taurus-Frage

Die Debatte im Bundestag über den Ukraine-Krieg ist zu einem innenpolitischen Schaukampf geraten. Dabei hätte sie auch ganz anders verlaufen können.

Der deutsche Verteidigungsminister; Boris Pistorius, während einer Sitzung des Bundestages in Berlin im Februar 2024.

Der Bundestag diskutiert über die mögliche Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern an die Ukraine. Pistorius diskutiert nicht mit Foto: Lisi Niesner/reuters

BERLIN taz | Das Einfallstor hatte Boris Pistorius selbst geöffnet. Im Antrag der Ampelparteien war von der „Lieferung von zusätzlich erforderlichen, weitreichenden Waffensystemen“ die Rede. Ob damit auch Taurus-Marschflugkörper gemeint seien, fragte ihn der CDU-Abgeordnete Jürgen Hardt in der Bundestagsdebatte über den Ukrainekrieg am Donnerstag. „Das kann ich nicht beantworten“, antwortete der sozialdemokratische Verteidigungsminister schmallippig. „Die Antragssteller werden sich ihren Teil dabei gedacht haben.“

Einfacher hätte er es der Union nicht machen können. Diese machte es von nun an zum Running Gag, je­de:r Red­ne­r:in von SPD, Grünen und FDP die Frage zu stellen, wie ihr Antrag eigentlich gemeint sei. Während die einen – aus den Reihen der Grünen und der FDP – gewunden antworteten, dass sie eigentlich für die Taurus-Lieferung seien, verweigerten die anderen von der SPD jegliche klärende Aussage, ob sie dafür oder dagegen sind. Ein peinliches Schauspiel.

Damit verkam auch diese Debatte zu einem innenpolitischen Schaukampf, der angesichts der äußerst schwierigen Kriegssituation in der Ukraine unangemessen wirkte. Schließlich wissen alle Seiten, dass der Ukraine der Taurus zwar nützen würde. Ihre Chance, den Krieg nicht zu verlieren, hängt aber von anderem ab. Der CDU-Abgeordnete Roderich Kiesewetter sagte denn auch, dass der Taurus „nur ein Symbol“ sei. Tatsächlich sind die militärischen Probleme der Ukraine weitaus größer.

Die Debatte hätte auch ganz anders verlaufen können. Vor Pistorius hielt der SPD-Abgeordnete Ralf Stegner eine nachdenkliche Rede. „Viele reden ausschließlich darüber, wie Kriege am besten geführt werden können“, sagte er. Fast niemand spreche darüber, wie sie beendet werden können. Forderungen nach diplomatischen Initiativen würden lächerlich gemacht. Dabei wünsche sich ein Großteil der Bevölkerung „eine Friedenspolitik, die unsere Wehrhaftigkeit mitdenkt, aber nicht ausschließlich der militärischen Logik folgt“.

Darüber zu diskutieren hätte sich gelohnt. Doch Stegners Vorstoß, auch über nichtmilitärische Aktivitäten nachzudenken, die den Druck auf den russischen Präsidenten Wladimir Putin erhöhen könnten, ohne der Ukraine die notwendige militärische Unterstützung zu verweigern, wurde von anderen Red­ne­r:in­nen nicht aufgegriffen.

Die Ampelkoalitionäre und die Ver­tre­te­r:in­nen der Union sprachen nur über das Militärische. Selbst ein Nachdenken über schärfere Sanktionen, wie dies der ukrainische Präsident Wolodomyr Selenskyj auf der Münchener Sicherheitskonferenz gefordert hatte, blieb aus. Die Linkspartei, das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) und die AfD, sie alle sprachen sich hingegen ausschließlich für Diplomatie und Verhandlungen aus.

Wobei die AfD wie auch die Wagenknecht-Partei damit nur die Kapitulation der Ukraine meinten. Beide verwechselten, wer wen angegriffen hat. Es sei „weder verantwortungsvoll noch anständig, weiter Ukrainer für diesen Stellvertreterkrieg zu verheizen“, sagte die BSW-Abgeordnete Sevim Dağdelen. Aus Sicht des AfD-Abgeordneten Matthias Moßdort lehre der Ukrainekrieg: „Wer sich mit Russland anlegt, endet entweder wie Napoleon 1812 oder, noch schlimmer, wie 1945.“

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