Kriegswerbung in russischen Städten: Soldaten, die von Plakaten starren

St. Petersburg soll mehr Kämpfer für den Krieg mobilisieren. Überall hängen Werbeplakate. Doof nur, wenn sie amerikanische Hubschrauber abbilden.

Plakat mit 2 Soldaten und der Telefonnummer 117

„Schließ dich deinen Leuten an“ – Plakat in St. Petersburg Foto: Maksim Konstantinov/imago

ST. PETERSBURG taz | Es ist unmöglich, sie nicht zu bemerken. Junge Soldaten in Uniform, mit oder ohne Waffe, mit stolz erhobenem Kopf und Gesichtern, die halb von Sturmhauben verdeckt sind. Sie sind praktisch überall. Sie schauen dich von Plakatwänden in der Metro an, auf dem Weg zum Einkaufen und an der Bushaltestelle. Meistens rufen diese großen Poster dazu auf, Vertragssoldat zu werden. Sie versuchen dich zu überzeugen, dass dies die natürlichste Arbeit eines Mannes sei. St. Petersburg soll anderthalbmal so viele Menschen an die Front schicken wie bisher, heißt es offiziell. Die Stadtverwaltung bemüht sich nach Kräften, dieses Ziel zu erreichen.

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Egal also, wohin jetzt der Blick fällt – auf Hausfassaden, Plakatwände oder Sticker –, überall sieht man Soldaten vor dem Hintergrund einer russischen Flagge. Und eine Zahl ist mit großer Schrift hervorgehoben: 695.000. Das ist die Summe in Rubeln, die diejenigen einmalig bekommen, die sich vertraglich zum Dienst an der Waffe verpflichten. Für dieses Geld kann man in Russland einen ausländischen Gebrauchtwagen kaufen.

Neben den direkten Aufrufen, sich bei der Armee zu verpflichten, gibt es auch Plakate, die versuchen, den patriotischen Geist der Bürger aufrechtzuerhalten: mit schlechten Gedichten, religiösen Argumenten (Gott ist selbstverständlich mit uns) und ungewöhnlichen Kombinationen von Ikonen und Militärtechnik.

Unlängst erst wurde mal wieder eine Gruppe von Soldaten vom Bahnsteig eines der alten St. Petersburger Bahnhöfe in den Krieg verabschiedet. Alles war sehr feierlich. Der Gouverneur war gekommen, und das Bahnhofsgebäude war mit einem riesigen Banner, darauf eine Silhouette von Militärfahrzeugen und der Aufschrift „Im Namen des Weltfriedens“, geschmückt. Der Gouverneur hielt eine Rede und ermahnte die jungen Männer: „Die viel gepriesenen Nato-Waffen sind machtlos gegen den Mut und die Tapferkeit des russischen Soldaten.“

Hubschrauber vom Feind

Im Nachgang kam es zum Skandal: Die Menschen, die Fotos von diesem Event in den Medien gesehen hatten, bemerkten, dass auf dem Banner statt russischer Hubschrauber amerikanische vom Typ AH-64-Apachen abgebildet waren. Das Plakat wurde dann sehr schnell abgenommen.

Immer wieder lässt man sich Werbeveranstaltungen einfallen: Einige heiße Augusttage lang lag ein Landungsboot an einem der Kais von St. Petersburg vor Anker. An Bord gab es eine Wanderausstellung von Kriegstrophäen, die russische Soldaten erbeutet hatten. Als Titel wählten sie ein berühmtes Filmzitat aus den 90er Jahren. Die Hauptfigur war aus dem Krieg in Tschetschenien zurückgekommen: „Die Stärke liegt in der Wahrheit“. Mit ernstem Blick lasen die Besucher die Infotafeln, Kinder kletterten auf Militärfahrzeugen herum. Nach einigen Tagen fuhr das Schiff mit der Ausstellung in die nächste Stadt weiter.

Aus dem Russischen von Gaby Coldewey

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ist Journalistin und Videoproduzentin. Sie lebt und arbeitet in St. Petersburg.

Eine Illustration. Ein riesiger Stift, der in ein aufgeschlagenes Buch schreibt.

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