20 Jahre Einwegpfand: Von Menschen und Dosen

Das Pfand auf der Getränkedose führt zu weniger Vermüllung und bringt manchen ein zusätzliches Einkommen. Wie steht es um die Umweltbilanz?

Vier Bierbüchsen in einer Reihe

Die Einführung des Dosenpfands hatte Vorteile – die Dose als Verpackung ist trotzdem problematisch Foto: Frank Sorge/imago

BERLIN taz | 20 Jahre nach der Einführung des Dosenpfands nimmt der Absatz von Getränkedosen in Deutschland wieder stetig zu. Im Jahr 2019 waren 3,9 Milliarden Getränkedosen im Verkauf. Vor zehn Jahren waren es mit 640 Millionen gerade mal ein Sechstel so viele. Das geht aus Zahlen des BCME hervor, einem Portal für Informationen zu Getränken und Dosen.

Vor mehr als zwei Jahrzehnten waren es noch viel mehr: 2002 wurden 7,5 Milliarden Getränkedosen verkauft: Der Absatz brach ein, nachdem der Bundestag 2003 eine Änderung der Verpackungsordnung beschloss. Doch seit einer Neuregelung des Pfandsystems durch die Große Koalition im Jahr 2006 steigt der Verkauf wieder.

„Der Effekt von Dosenpfand war enorm, das hat vor 20 Jahren alles geändert“, erklärt Tobias Bielenstein vom Arbeitskreis Mehrweg. So habe die Einführung zweierlei bewirkt: Erstens gibt es weniger Müll, zweitens sei das Pfand die Grundlage für eine Kreislaufwirtschaft, sagt Bielenstein. So seien 25 Cent pro Stück für eine Dose „ein guter Incentive zur Rückgabe“, und mittlerweile betrage die Rückgabequote fast 99 Prozent. „Die restlichen 1 Prozent landen zu einem guten Teil in der gelben Tonne. Bei Dosen sollten es auch über 90 Prozent sein.“

Das sei nicht immer so vorbildlich gewesen. „Als es eingeführt wurde, 2003, war es anfangs ein ziemlich großes Chaos“, erinnert er sich zurück. Es habe nicht genug Rücknahmeautomaten gegeben. Unter anderem habe dies auch daran gelegen, dass einige bis zuletzt dachten, das Pfandsystem juristisch verhindern zu können. Ein, zwei Jahre später habe sich die Sache eingependelt, sodass das Pfandsystem funktionierte.

Wichtig, um Kreislaufwirtschaft zu ermöglichen

Das habe eine positive Wirkung gehabt, sagt Bielenstein „Man kann sich gar nicht vorstellen, dass eine Getränkeverpackung in Kreislauf geführt wird, ohne ein Pfand einzuführen.“ Mit dem Modell des Pfandsystems sei Deutschland ein Vorreiter und Vorbild, erklärt der Sprecher. „Die EU möchte in ganz Europa ein bepfandetes Rücknahmesystem einführen. Das, was wir in Deutschland seit 20 Jahren haben, gilt demnächst für die gesamte EU.“

Die Stärkung des Pfandsystems bringt auch soziale Vorteile mit sich, ergänzt Pascal Fromme vom Getränkehersteller fritz-kola, der auch zuständig ist für die Initiative „Pfand gehört daneben“. Die Initiative wurde 2011 privat gegründet, 2015 von fritz-kola aufgekauft und setzt sich dafür ein, dass Pfandflaschen nicht in Müll- oder Glascontainer entsorgt, sondern daneben abgestellt werden. Dies soll das Sammeln von Pfand vereinfachen. „Mittlerweile hat sich die Idee mit unserer Initiative ‚Every Bottle Helps‘ auch nach Europa ausgestreckt“, so Fromme.

Laut Fromme beträgt die Rückführquote bei Dosen und Flaschen 96 Prozent. Die restlichen 4 Prozent seien aber eine Menge Geld wert: So werde jährlich „180 Millionen Euro weggeworfen, also Pfand, der im Müll landet“, erklärt er.

Einnahmen bis zu 4 Euro pro Tag

Mit dem Sammeln des Pfands bessern Menschen ihr Leben um ein paar Münzen auf – daran beteiligen sich nicht wenige. Zwei Studien, durchgeführt im November 2021 und September 2022, hätten ergeben, „dass in ganz Deutschland insgesamt 1,03 Millionen Menschen einmal oder mehrmals in der Woche Pfand sammeln“, so Fromme. „28 Prozent sagten außerdem, dass Pfand ihre einzige Einkommensquelle ist. 62 Prozent hingegen sagen, dass sie Pfand sammeln, obwohl sie einen Job haben.“

Die Gruppe von Pfand­samm­le­r:in­nen sei sehr divers. Die Bandbreite reiche von Menschen, die auf der Straße oder in Altersarmut leben, bis hin zu Student:innen. Einige davon machen zwei, drei Runden, während andere nur Flaschen mitnehmen würden, wenn sie welche sehen. Dabei ist der Betrag, den sie dabei erzielen, äußerst gering. „Die Einnahmen liegen bei 0 bis 4 Euro pro Tag“, erklärt Fromme.

Gleichzeitig denkt jede vierte Person in Deutschland, dass Pfand­samm­le­r:in­nen mehr als 5 Euro einnähmen. Solche Vorurteile wolle die Initiative brechen, erklärt Fromme. „85 Prozent der Leute, die Pfand sammeln, geben an, dass sie dankbar sind, wenn man den Pfand danebenstellt. Dadurch sinkt die Gefahr, dass sie sich beim Griff in den Mülleimer verletzen.“

Nicht zwischen Einweg und Mehrweg unterscheiden können

Bei allen positiven Effekten, die die Einführung des Dosenpfands mit sich gebracht haben, gibt es auch erhebliche negative Auswirkungen. Im Vordergrund stehen die Nachhaltigkeit und Umweltverträglichkeit. So habe das Dosenpfand „nicht das Ziel erreicht, das erreicht werden sollte“, erklärt Tobias Bielenstein vom Arbeitskreis Mehrweg: „Nämlich die Zunahme von Mehrwegverpackungen.“

Als das Pfand eingeführt wurde, habe es eine Verlagerung von Mehrweg auf Einweg gegeben, erklärt Bielenstein. Dies sei vor allem darauf zurückzuführen, dass viele Ver­brau­che­r:in­nen nicht zwischen Einweg- und Mehrwegprodukten unterscheiden können. Dabei sollte in den nächsten 20 Jahren „die Tendenz zu mehr Mehrwegverpackungen gehen und nicht zu Einwegverpackungen“, so der Sprecher.

Die Aluminiumdose sei keine zukunftsorientierte Verpackung: Sie wird bei der Rücknahme zerquetscht und recycelt. „Bei der Wiederverwendung des Materials muss man sehr viel Energie verbrauchen, deswegen hat die Dose einen relativ hohen ökologischen Fußabdruck.“

Gift für Grund und Boden

Dass die Aluminiumdose kein nachhaltiges Verpackungsmaterial ist, bestätigt auch Thomas Fischer von der Deutschen Umwelthilfe (DUH). „Die Dose lässt sich vom Marketingaspekt her gut vermarkten, weil sie sich gut vollumfänglich bedrucken lässt und durch den metallischen Glanz wertig wirkt“, erklärt der Sprecher. Doch gleichzeitig habe die Getränkedose „eine der schlechtesten Klimabilanzen unter den Getränkeverpackungen.“

Aus Umweltgründen rät die DUH daher Verbraucher:innen, „vergleichbare Getränke in regionalen Mehrwegflaschen zu konsumieren“. Hierfür gebe es Varianten aus Glas und Kunststoff, doch auch Einweg-Plastikflaschen seien besser als die Dose, so Fischer.

Der Grund für die schlechte Ökobilanz liegt zum einen am Material. „Für die Herstellung von neuem Aluminium muss Bauxit abgebaut werden“, erklärt Fischer. „Dafür wird Oberboden abgebaut, damit man an das Erz herankommt. Das Bauxit-Erz muss mit ätzenden Chemikalien behandelt werden.“ Das, was am Ende dann zurückbleibe, sei sogenannter Rotschlamm, der Schwermetalle enthält und endgelagert werden muss. „Solche Rotschlammbecken sind brandgefährlich, wie die Umweltkatastrophe 2010 im ungarischen Kolontar leidvoll belegt.“

Hoher Energieverbrauch beim Schmelzen

Da das Aluminium nicht mit den Lebensmitteln in Kontakt treten darf, wird zum Schutz des Inhalts die Innenseite der Dose mit Kunststoffen, sogenannten Epoxidharzen, ausgelegt. „Lange wurde als Weichmacher für die Dosenkunststoffe die hormonaktive Substanz BPA verwendet“, so der Sprecher der DUH. BPA ist die Abkürzung für Bisphenol A und kann das weibliche Hormonsystem beeinträchtigen.

„Weil die EU den Einsatz von BPA immer weiter verschärft hat, weichen mittlerweile viele Hersteller auf Ersatzchemikalien aus.“ Daraufhin untersuchte das Umweltbundesamt die Ersatzstoffe für BPA und kam zu dem Ergebnis, dass nahezu alle getesteten Stoffe potenziell hormonell schädlich sein können.

Außerdem sei die Herstellung der Getränkedose sehr energieintensiv, da der Schmelzpunkt im Vergleich zu Kunststoff um ein Vielfaches höher sei. „Der Schmelzpunkt von Aluminium liegt bei 660 Grad Celsius, jener von Weißblech sogar bei 1.530 Grad“, erklärt Fischer. „Das verdeutlicht, was für eine Menge Energie, ganz egal ob Recyclingmaterial oder nicht, reingesteckt werden muss, um Metall zu schmelzen, zu formen und zu verarbeiten.“ Auch deshalb rät er dazu, auf Mehrwegflaschen zurückzugreifen. Hier werde die produzierte Verpackung „einfach weiterbenutzt.“

Das Märchen der Unendlichkeit

Unendlichkeitssymbole, die auf vielen Dosen bedruckt werden, hält Fischer für Irreführung. „Es gibt keinen unendlichen Recyclingkreislauf, auch nicht bei Metallen“, erklärt er. „Bei jedem Recyclingvorgang von Aliminium gibt es bei Umschmelzvorgängen oder durch Oxidation Materialverluste. Und dieser Verlust muss durch Neumaterial wieder ausgeglichen werden.“ So könne pro Recyclingprozess bis zu 4 Prozent Material verloren gehen. „Legt man diesen Wert zugrunde, dann hätte man nach 25 Recycling-Runden gar kein Metall mehr zur Verfügung.“

Insgesamt werde laut Angaben der Her­stel­le­r:in­nen bei der Produktion einer Aluminiumdose 80 Prozent Recyclingmaterial verwendet. Um Energie und Ressourcen zu sparen, sei das zunächst einmal von Vorteil. Allerdings bedeute dies immer noch, dass auf 20 Prozent Neumaterial zurückgegriffen werden muss. „Vor allem für den Ober- und Unterboden der Dose wird Neumaterial eingesetzt. Und jedes Gramm Neumaterial ist besonders umweltschädlich“, erklärt Fischer.

Überdies werde viel Dosenschrott, der für die Wiederverwendung benötigt wird, importiert. „Dieser fehlt wiederum Dosenherstellern im Ausland, die dann auf Neumaterial setzen müssen. Durch Schrottimporte werden Umweltprobleme nicht gelöst, sondern nur verschoben.“

Auch die Füllmenge von Getränkedosen stelle ein Problem dar. „Es gibt 0,25-Liter-Dosen, es gibt aber auch die sogenannten Fingerhut-Dosen, das sind 0,15-Liter-Getränkedosen. Je kleiner das Füllvolumen und die Füllmenge, desto überproportional mehr Material muss eingesetzt werden“, sagt Fischer. Unternehmen würden durch kleine Portionsgrößen überproportional viel Geld verdienen, doch für den Ressourcenverbrauch und Verpackungsmüll sei dies „alles andere als ökologisch“.

Tobias Bielenstein vom Arbeitskreis Mehrweg findet, dass das Pfandsystem an sich die richtige Lösung ist. Allerdings sei die Dose dafür nicht das geeignete Material. „Bei Lebensmitteln können sie durchaus Sinn ergeben, um sie lange haltbar zu machen“, sagt er. Bei Getränken hingegen sollte eine Umstellung auf Mehrweg­glas oder -plastik stattfinden.

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