Massendemonstrationen in Argentinien: Unis an der Spitze des Protests

Die Sparpolitik des argentinischen Präsidenten Javier Milei ruiniert den Bildungssektor. Dagegen gehen landesweit 2 Millionen Menschen auf die Straße.

Eine Menschenmasse mit argentinischen Fahnen steht auf einem Platz

Rund 500.000 Menschen demonstrierten vor dem Regierungssitz in Buenos Aires gegen die Sparpolitik im Bildungssektor Foto: Rodrigo Abd/ap

BUENOS AIRES taz | Es war der erste richtige Schuss vor den Bug des Flaggschiffs von Javier Milei: die Sparpolitik. Während zuvor die üblichen Verdächtigen – Gewerkschaften, linke Parteien und Kirchner-Anhängerschaft – gegen die brutale Sanierungspolitik des libertären Präsidenten protestiert hatten, ging am Dienstag ein breiter Querschnitt der argentinischen Bevölkerung massiv und landesweit auf die Straßen und Plätze.

Der Hochschulrat der öffentlichen Universitäten hatte zu dem Marcha Federal Universitaria aufgerufen. Alle Altersklassen und sozialen Schichten waren bei der bisher größten Manifestation gegen den libertären Präsidenten vertreten. Allein in der Hauptstadt Buenos Aires marschierten schätzungsweise eine halbe Million Menschen vom Kongress zur Plaza de Mayo vor dem Präsidentenpalast. Wobei es viele wegen der Überfüllung gar nicht bis auf die Plaza schafften. Landesweit waren knapp 2 Millionen Menschen auf den Beinen, um für das öffentliche und kostenlose Bildungssystem zu demonstrieren.

„Wir verteidigen die öffentliche, freie und kostenlose Universität, die eine der großen Errungenschaften unseres Volkes ist und die wir nicht aufgeben werden“, sagte Friedensnobelpreisträger Adolfo Pérez Esquivel bei der zentralen Kundgebung vor dem Regierungssitz Casa Rosada. „Wir verteidigen unser Recht auf ein Leben in Würde.“

Nach seinem Amtsantritt im Dezember hatte Milei keinen Haushaltsentwurf für 2024 vorgelegt, sondern den Haushalt 2023 schlicht um ein Jahr verlängert. Dadurch blieben die Zuweisungen für die jeweiligen Bereiche zwar absolut gesehen konstant, aber die Jahresinflation von über 200 Prozent bewirkte einen starken Wertverlust der Haushaltsmittel. Dass in einigen Universitätsgebäuden buchstäblich die Lichter ausgingen, weil die laufenden Stromrechnungen nicht mehr bezahlt werden konnten, war nur das kleinere Übel.

Rund 90 Prozent der Hochschulbudgets werden für Löhne und Gehälter des Lehrpersonals und anderer Mitarbeiter ausgegeben. Bislang hat sich die Regierung geweigert, über Lohn- und Gehaltserhöhungen zu diskutieren. Stattdessen propagierte Milei einen privaten Bildungssektor, warf den Hochschulen Verschwendung vor und bezeichnete sie als „Parasiten“.

In den bisher vier Monaten der Milei-Präsidentschaft betrug der inflationsbedingte Kaufkraftverlust der Beschäftigten über 30 Prozent. Nicht wenige Do­zen­t*in­nen sind bereits unter die Armutsgrenze gerutscht. Finanzielle Zugeständnisse machte die Regierung lediglich bei den Unterhalts- und den Fixkosten.

Parlamentarisch gesehen ist Milei der schwächste Präsident der letzten 40 Jahre. Sein einziger Rückhalt ist die Unterstützung durch die Bevölkerung. Deren massive Beteiligung an der Marcha Federal Universitaria dürfte ihm einiges Kopfzerbrechen bereiten. Viele der Demonstrierenden gehörten zu denjenigen, die ihm mit ihrer Stimme zum Wahlsieg verholfen hatten. Die nächste Woche wird zeigen, ob Milei zum Einlenken fähig ist. Dann werden sich der Hochschulrat und die Regierung zum ersten Mal zusammensetzen.

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