Pilotprojekt zur Müllvermeidung: Weißburgunder aus Bierflaschen

Das Freiburger Staatsweingut schließt sich dem Mehrwegsystem der Brauereien an: Es füllt Wein in Halbliterflaschen mit Kronkorken ab.

Draufsicht auf eine leere Bierflasche mit einem Schatten isoliert auf einem braunen Hintergrund

Wein in Mehrweg-Bierflaschen? Foto: Jose Manuel Munoz/Wirestock/imago

FREIBURG taz | Ein Pilotprojekt könnte den Weinhandel umkrempeln: Das Staatsweingut Freiburg hat dieser Tage einen Wein in Mehrweg-Bierflaschen auf den Markt gebracht. Ziel dieses Vorstoßes ist der Aufbau eines Mehrwegsystems auch in der Weinbranche.

Weil ein eigenes System für die Winzer zu aufwändig wäre, docken diese sich nun kurzerhand an das etablierte System der Brauereien an und greifen auf die typische Halbliterflasche mit Kronkorken zurück. So können Kunden die leeren Weinflaschen überall dort abgeben, wo es das Bier in der Standardflasche zu kaufen gibt – unabhängig davon, ob der Händler die betreffende Weinflasche im Sortiment hat.

Dass ein solcher Vorstoß aus Freiburg kommt, überrascht nicht, wenn man in die Geschichte zurückblickt. Im nahegelegenen Breisach betrieb die Firma Südglas einst eine Anlage, die zeitweise mehr als 20 Millionen Mehrweg-Weinflaschen pro Jahr reinigte. Dabei handelte es sich noch um Literflaschen, die vor allem in der Gastronomie Absatz fanden. Mit dem Durchmarsch der Dreiviertelliterflasche brach das Mehrwegsystem jedoch zusammen; die Spülanlage wurde 2017 stillgelegt.

Weil ein sinnvolles Mehrwegsystem vor allem auch einheitliche Gebinde braucht, wählte man nun den pragmatischen Schulterschluss mit der Brauwirtschaft. Das Hauptproblem seien die Etiketten gewesen, sagt Kolja Bitzenhofer, Leiter des Staatsweingutes. Denn diese dürfen sich von den Weinflaschen selbst dann nicht lösen, wenn diese mit Eis gekühlt werden.

Andererseits aber müssen die Etiketten sich in der Reinigungsanlage beim Kontakt mit der Waschlauge umgehend ablösen, ansonsten werden die Flaschen dort automatisch aussortiert und landen im Altglas. „Wir haben 25 Etiketten getestet, bis wir die passende Lösung hatten“, sagt Bitzenhofer.

Größtes Hemmnis: die Tradition

Im ersten Anlauf wurden nun 2.000 Flaschen des meistverkauften Weißburgunders in Bierflaschen abgefüllt; aber auch alle anderen Weine könne man problemlos in Flaschen mit Kronkorken abfüllen, heißt es. Zum Start vermarktet das Staatsweingut die Flaschen in seinen eigenen lokalen Verkaufsstellen und im Online-Shop.

Erklärtes Ziel ist es aber, die Flaschen bald auch im klassischen Getränke- und Lebensmittelhandel zu etablieren und auch andere Weingüter zur Nachahmung zu gewinnen. „Als Einrichtung des Landes Baden-Württemberg wollen wir Innovationen in der Branche anstoßen“, sagt Bitzenhofer. Das größte Hemmnis dabei sei oft die Tradition. Dass Bierflaschen mit Kronkorken und Weinflaschen heute häufig mit Schraubverschluss angeboten werden, sei die pure Gewohnheit. Grundsätzlich könnte man es auch umgekehrt halten.

Ökologisch wäre der Schwenk der Winzer in Richtung Mehrweg ein Gewinn. Nach Zahlen der Bayerischen Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau in Veitshöchheim ist die Einwegflasche nämlich für 32 Prozent der gesamten CO2-Emissionen verantwortlich, die bei der Herstellung des Produkts entstehen. Damit emittiere man bei der Produktion der Einwegflaschen mehr CO2 als bei der Bewirtschaftung der Reben im Weinberg.

Glas-Mehrwegflaschen werden immerhin bis zu 50 Mal neu befüllt. Die Einheitlichkeit der Flaschen führt zugleich dazu, dass die Transportwege reduziert werden. Wird eine leere Mehrweg-Weinflasche in Norddeutschland zurückgegeben, muss sie schließlich nicht wieder in den Süden transportiert werden, sondern kann bei der nächstgelegenen Brauerei neu befüllt werden.

Auch anderswo Mehrwegprojekte für Wein

Die Freiburger Initiative ist nicht die erste, die Mehrwegflaschen zurück in den Weinhandel bringen will. Im württembergischen Möglingen gründeten zehn Betriebe im Januar die Wein-Mehrweg eG, die aber im Unterschied zu den Freiburgern auf ein eigenes System mit Dreiviertelliterflaschen setzt. „Mittelfristig“ wolle man erreichen, dass diese „einen erheblichen Teil der bisherigen Einwegflaschen“ ersetzen.

Zum Start sollen die Flaschen zur Spülanlage in Möglingen zurückkehren, später könnten sich weitere Spülanlagen anschließen, so die Genossenschaft. Aber auch beim Abfüllen in Bierflaschen sind die Freiburger nicht ganz die Ersten. Das pfälzische Bioweingut Galler präsentierte ein solches Konzept bereits im März 2023 auf einer Weinmesse.

Ob das Mehrwegsystem der unterschiedlichen Akteure Zukunft hat, wird nun vor allem von einem Faktor abhängen: der Kaufentscheidung der Kunden. Sollte die erste Charge der ungewohnten Weinflaschen sich schnell verkaufen, sei man zügig in der Lage, das Kontingent zu erhöhen, heißt es in Freiburg.

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